New Work

Über das gute Arbeiten

„New Work” ist zu einem Buzzword, geradezu zu einem Missverständnis geworden. Aber was hat es wirklich damit auf sich? Und welche Ideen, welche Möglichkeiten stecken dahinter? Marion King gehört zu den Pionierinnen der „New Work”-Bewegung. In dieser kleinen Serie schreibt sie über dieses neue, das gute Arbeiten und über Veränderung.

Marion King

06.03.2025

Eine Person hält Erde und einen Setzling in den Händen. Die Kamera Perspektive ist von oben auf die Hände gerichtet.

© Noah Buscher via Unsplasg

Neues Arbeiten – Warum überhaupt anders arbeiten?

Unsere Welt ist im Moment so sehr in Aufruhr. Unsere Arbeitswelt ist es leider nicht. Dabei sollte sie es dringend sein.

Unternehmen stehen vor immer komplexeren Herausforderungen:

🌎 Globalisierung, Digitalisierung, ökologische Fragen, politische und gesellschaftliche Herausforderungen verlangen nach neuen Strukturen und Denkweisen.

🙋 Und auch die Menschen spüren, dass Veränderung dran wäre. Es gibt Phänomen wie Quiet Quitting, die die Unternehmen längst als Warnzeichen und als Chance sehen müssten.

🔍 Und bei der Jobsuche stellen sich viele ganz andere Fragen als noch vor einigen Jahren, klassische Karrierewege haben sich verändert. Was ist Karriere überhaupt? Und was bedeutet Erfolg?

Trotz all dem machen die Unternehmen einfach weiter wie bisher. Mit Arbeitssystemen und -methoden, die über 120 Jahre alt sind und aus dem Industriezeitalter stammen.

Die Idee von „New Work" könnte eine Antwort auf all diese Herausforderungen sein. Sie bedeutet nicht nur eine Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen – sie ist ein fundamentaler Wandel der Haltung. Alles geht zurück auf Frithjof Bergmann, den Begründer von „New Work" und damit auf eine kritische Betrachtung von Arbeit.

Das gute Arbeiten, was ist das?

Auch wenn Gespräche über Arbeit oft etwas anderes vermuten lassen, aber Arbeit könnte oder kann auch gut sein – fürs Unternehmen, aber auch für die Menschen darin und für die Welt da draußen, für alle Beteiligten und Betroffenen. Dafür braucht es aber einen zeitgemäßeren Blick auf das gesamte System Arbeit.

Es geht um die Bedeutung von Arbeit. Die meisten von uns brauchen sie zwar zum Leben; sie ist aber auch nicht das ganze Leben. Es macht Sinn, dass Arbeit einen Sinn macht. Deshalb suchen viele mittlerweile ja auch ganz bewusst nach einem sinnvollen Job oder wenigstens nach passenden Arbeitsmodellen.. 

Nur drei oder vier Tage die Woche? Warum nicht. Arbeit muss nicht an Ort oder Zeit gebunden sein, schon gar nicht an ein Nine-to-Five. Wir alle wissen, dass es auch anderes, manchmal besseres zu tun gibt. Egal, ob es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, um soziale Kontakte, persönliche Entwicklung, ein Ehrenamt – oder einfach mal nichts tun. Man sollte sich seine Arbeit und die Bedingungen gut aussuchen. Wir haben nämlich eine Wahl.

Für Unternehmen bedeutet es, sich viel ernsthafter mit den Auswirkungen ihres Handelns, mit Themen der Nachhaltigkeit und Regeneration, mit einem neuen Wirtschaften zu beschäftigen. Gleichzeitig mit neuen Formen und Kulturen der Organisation von Arbeit und Zusammenarbeit.

 

Organisationen – Lebendige Systeme statt starre Strukturen

Die wesentlichen Prinzipien einer „New Work"-Organisation sind Flexibilität, Partizipation und ständiges Lernen. Und ganz zentral Verantwortlichkeit. Letztlich geht es um ein neu gedachtes Betriebssystem.

Statt starrer Hierarchien braucht es fluide Strukturen. Unternehmen sind nämlich keine Maschinen. Sie sind lebendige Organismen, die sich entwickeln, vernetzen und kontinuierlich verändern. Alles ist miteinander verbunden.

Grafik zur Unternehmensstruktur-Transformation: Von der traditionellen Pyramidenform hin zu einem dynamischen Netzwerkmodell für mehr Flexibilität und Zusammenarbeit.

© Marion King: „Gute Arbeit"
Warum die Transformation von der Pyramide zum Netzwerk im „New Work" entscheidend ist: Mehr Flexibilität, Zusammenarbeit und Innovation.

 

Die Menschen müssen darin gut die Verantwortung übernehmen und aktiv mitgestalten können. Dafür gibt es keine Blaupause, keinen festen Ablaufplan, aber bewährte Prinzipien: Offenheit, Reflexion, Mut zum Experiment und die Idee der kleinen Schritte. Wenn der Rahmen klug gestaltet ist, entsteht nicht nur ein guter Output, sondern auch eine wertvolle (neue) Kultur. 

Organisationen müssen verstehen, dass sie dafür immer in Bewegung sein müssen. Sie dürfen nie aufhören zu lernen. Es braucht eine permanente Arbeit AN der Arbeit. Wer den Wandel nicht nur duldet, sondern ihn aktiv gestaltet, wird erfolgreich sein. Für diesen Erfolg der Arbeit sind wir übrigens alle zusammen zuständig – nicht nur das Management oder die Führungskräfte. 

Was auch wichtig ist: Arbeiten muss man lernen. Zusammenarbeiten muss man lernen. Menschen müssen mehr als bisher über sich selbst und ihr Miteinander lernen. Was genau dabei der Bedarf ist, darüber bestimmt am besten nicht die Personalabteilung, sondern die Mitarbeitenden selbst.

 

Ein guter Blick auf die Menschen 

Die Menschen sind das Wichtigste, was wir in Unternehmen haben. Sie tragen übrigens gerne Verantwortung, wenn man sie denn nur lässt. Sie sind selbstorganisiert und kreativ, entscheiden, arbeiten zusammen, geben ihr Bestes, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Auch bei der Arbeit sind sie als „ganze Menschen” da – mit all ihrem Ich und ihren Gefühlen. Deswegen sind Selbstwahrnehmung, Empathie und gegenseitiges Verstehen so wichtig. Dabei sind alle unterschiedlich und wollen Unterschiedliches. Es ist klug, diese Diversität zu nutzen. Deshalb gibt es kein „one fits all”. 

Das gute Miteinander braucht keine Führungskräfte im klassischen Sinn, die für ihre (!) Mitarbeitenden denken und entscheiden. Es geht auch nicht darum, Menschen zu motivieren oder zu bändigen. Es geht darum, ihre Fähigkeiten und Potential gut zu nutzen. Und ihnen zuzuhören. Denn die besten Ideen für Veränderung kommen von denen, die die Arbeit machen. Wenn man wissen will, wie es ihnen geht? Fragt man sie einfach. Regelmäßig. Direkt. Klingt banal, ist aber eine große Stellschraube.

 

Was ist die “neue” Führung? 

Führung muss auf jeden Fall anders sein als bisher. Sie ist keine Position oder etwas, was auf der Visitenkarte steht. Führung ist eine Rolle, die von allen übernommen werden, die situativ ist und wechseln kann, die für mehr steht als nur Delegieren. Gute Führung hält den Raum, gibt Orientierung. Führungskräfte sind nicht mehr die Entscheider*innen. Sie sind Möglichmacher*innen. 

Dazu gehört auch, dass Führungskräfte lernen müssen, loszulassen. Bestimmte Vorstellungen und Bilder und vielleicht auch Macht. Gute Führung ist in erster Linie eine Haltung. Egal, ob man es dann Agile, Servant oder Digital Leadership nennt. Wer Führung will, muss es wirklich wollen. Und richtig können, es also lernen.

Diese Grafik stellt einen erweiterten Deming-Kreis im Kontext von New Work dar. Die vier zentralen Bereiche – wahrnehmen, verstehen, wirksamkeit und orientierung – bilden einen iterativen Prozess für Führung und Zusammenarbeit. In der Mitte steht das Konzept des „Raum Haltens“, das eine reflektierte, wertschätzende Führungsperspektive betont.

© Marion King: „Gute Arbeit"
Erweiterter Deming-Kreis für Führung: Ein kontinuierlicher Prozess der Verbesserung von Führungskompetenzen durch Planen, Handeln, Prüfen und Anpassen sowie gezielte Mitarbeiterförderung und klare Zielsetzung.

 

„Keine Angst, nichts bleibt beim Alten“* – über Veränderung 

Mit Veränderungsprozessen gut umzugehen ist elementarer denn je. Leider geschieht das in den wenigsten Organisationen. Veränderung ist kein Projekt, mit einem Anfang und einem Ende. Veränderung ist immer. Dabei muss sie nicht immer riesengroß oder 180 Grad sein. Vor allem beginnt sie mit kleinen Schritten. Mit Machen. Mit Ausprobieren. Mit Fehlern und Erkenntnissen. Vor allem mit der Courage, den Elefanten im Raum zu benennen.

Grafik veranschaulicht den Deming Kreis aus Act-Plan-Do-Check

© Marion King: „Gute Arbeit"
Der Deming-Kreis (PDCA-Zyklus) steht für kontinuierliche Verbesserung – ein Prinzip, das auch in „New Work" eine zentrale Rolle spielt. Durch Plan → Do → Check → Act können Unternehmen Arbeitsprozesse agil gestalten und eine moderne, lernende Organisation fördern.

 

Menschen machen Veränderungen übrigens gerne mit, wenn sie verstehen, warum sie nötig ist. Wenn sie sie mitgestalten dürfen. Für echte Transformation in Unternehmen müssen es auch keine externen Beratenden sein – im besten Fall kommt die Kraft von innen. Mit Begleitenden, die den Prozess halten. Natürlich braucht Veränderung Mut, denn 100%ige Sicherheit gibt es nicht. Aber Vertrauen und einen guten Umgang mit Unsicherheit. Und auch das können wir alle lernen. Und uns gegenseitig geben.

 

Wir alle gestalten die gute Arbeit 

Wer ist denn verantwortlich für das neue, für das gute Arbeiten? Jedes Unternehmen, aber eben auch jede*r Einzelne. Wir alle. Alle zusammen. Jede*r trägt zur Veränderung bei, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Das nennt sich Selbstwirksamkeit. Und Wirkkreis.

Arbeit ist ja nicht nur ein Organigramm, eine Struktur, sondern ein Zusammenspiel aus Menschen, Ideen und Haltung. 

Wir haben die Wahl, unsere Arbeit so zu gestalten, dass sie gut für uns ist. Jeden Tag. Wir können jederzeit alte Muster hinterfragen, neue Wege gehen. Und wir können eine Arbeitswelt erschaffen, die zukunftsfähig ist – für uns selbst, für Unternehmen und für unsere Gesellschaft. Veränderung ist wichtig; vor allem jetzt und in Zeiten wie diesen. Dafür müssen sich die Menschen auf den Weg machen, das Alte loslassen und auf das Neue und das Miteinander vertrauen. Alles ist da.

Die gute Arbeit – das sind wir. - Max Prosa

 

👋 Über Marion King

Marion King steht vor einer Betonwand mit Farbakzenten und blickt in die Kamera

Marion King zählt zu den Pionierinnen der „New Work"-Bewegung. Seit über 20 Jahren arbeitet und lehrt sie zu den Themen Digitalisierung, Zukunft von Arbeit und Transformation. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin von Les Enfants Terribles, einer Beratung, Initiative und Community für neue Arbeit. Vom STRIVE Magazine wurde sie deshalb zu den 10 Top-Female Business Influencerinnen gewählt. Sie ist Herausgeberin und Autorin eines Online-Magazins rund um „New Work” und (Co-)Autorin diverser Publikationen sowie Lehrbeauftragte am Professional Campus der Universität Witten/Herdecke. Im Herbst 2024 ist ihr Buch „Gute Arbeit! Eine Anstiftung zur Selbstwirksamkeit“ im Vahlen Verlag erschienen. (Bild: Barbara Dietl)

 


FAQ: Gute Arbeit und ihre Bedeutung

Was macht gute Arbeit aus?

Gute Arbeit ist aus Mitarbeitendenperspektive mehr als nur das Einkommen. Sie sollte sinnstiftend sein, individuelle Entwicklung ermöglichen und gut mit dem Leben vereinbar sein. Flexibilität, Gestaltungsspielräume und die Möglichkeit von Eigenverantwortung führen dann auch zu einer guten Unternehmenskultur und Zusammenarbeit.
 

Wie wird gute Arbeit definiert?

Gute Arbeit bedeutet aus Unternehmensperspektive eine verantwortliche Organisation und nachhaltiges Wirtschaften. Sie ist nicht an starre Strukturen gebunden, sondern adaptiv an der Wertschöpfung orientiert. Sie fördert das Potential der Mitarbeitenden und bietet ihnen einen guten "Raum" für ihre Arbeit und Zusammenarbeit.
 

Warum ist „New Work" wichtig für gute Arbeit?

„New Work" sorgt für zeitgemäßes und zukunftsfähiges Arbeiten. Es ist ein Umdenken in der Organisation, im "Betriebssystem" der Organisation – angefangen von der Strategie, über den Aufbau der Organisation, die Methoden und Tools bis zur Kultur. Es stärkt die Zusammenarbeit, fördert Kreativität und Innovation. Unternehmen, die auf „New Work" setzen, schaffen bessere Arbeitsbedingungen und höhere Zufriedenheit, damit gleichzeitig den Unternehmenserfolg.
 

Welche Rolle spielt Führung für gute Arbeit?

Führung ist keine fixe Karriereposition, sondern eine Rolle, die je nach Situation und Bedarf von unterschiedlichen Menschen eingenommen werden kann. Gute Führung schafft Rahmenbedingungen, in denen Mitarbeitende gerne und gut Verantwortung übernehmen, sich weiterentwickeln und aktiv mitgestalten können. Neben der Führungskarriere sollte es die Möglichkeit für eine Fachkarriere geben.
 

Was können Unternehmen konkret tun, um gute Arbeit zu fördern?

Unternehmen sollten Transparenz, Mitbestimmung und eine Vertrauenskultur stärken, flexible Arbeitsmodelle anbieten und eine Lernkultur etablieren, in denen Positionen kompetenzbasiert besetzt werden. Regelmäßiges Feedback, partizipative Entscheidungsprozesse und gute Vergütungssysteme sorgen unter anderem dafür.

 

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