Karriere

Worauf Personaler*innen in der Bewerbung achten: das Vorstellungsgespräch

Wir haben auf Social Media gefragt, was euch zum Thema Vorstellungsgespräch interessiert. Sina Becht von ifok hat ihre Expertise und Top-Tipps fürs Job-Interview geteilt.

Interview: Julia Dillan

27.04.2022

Person sitzt auf einem Sessel vor dem Laptop im Online Meeting

LinkedIn Sales Solutions via Unsplash

Der erste Erfolg – eine Zusage zum Vorstellungsgespräch! Jetzt heißt es nur noch, der Personalabteilung einen guten Eindruck deiner Persönlichkeit zu geben. Wir haben auf Social Media nachgehakt, welche Fragen euch auf der Seele brennen und haben sie Sina Becht aus der Personalabteilung der Strategie- und Fachberatung für nachhaltige Entwicklung ifok gestellt. 

Kennenlern-, Vorstellungs- oder Bewerbungsgespräch – gibt es da tatsächlich Unterschiede und warum diese verwirrenden Begrifflichkeiten?

Für mich persönlich sind die Begriffe „Vorstellungs-„ sowie „Bewerbungsgespräch“ synonym. Kennenlerngespräche vereinbare ich gerne mit Initiativbewerber*innen, einfach um zu schauen, auf welche Positionen sie gut passen, falls das aus dem Lebenslauf nicht direkt hervorgeht oder wenn sich Personen auf eine Stelle bewerben, unserer Meinung nach aber auf eine andere sehr gut passen. Der Fokus liegt hier vor allem darauf, sich eben kennenzulernen und ein gemeinsames Bild zu entwickeln, in welche Richtung der weitere Prozess führen soll.

Warum ist es so langwierig, den Prozess im Gespräch moderner und empathischer zu gestalten, warum werden immer wieder die gleichen Fragen wie vor 20 Jahren gestellt?

Wie sich Bewerbungsprozesse gestalten, ist natürlich sehr vom Unternehmen abhängig und auch bei uns unterscheidet sich dieser sehr in unseren Themenfeldern und auch Senioritäts-Leveln. Manchmal führen wir zum Beispiel Case Studies durch, um zu sehen, wie Bewerber*innen an Frage- und Aufgabenstellungen herangehen. Häufig gibt es Telefoninterviews zur Vorauswahl und manchmal haben wir nach einem einstündigen virtuellen Vorstellungsgespräch auch schon so ein gutes Bild, dass wir direkt eine Zusage machen können.

Auch die Fragen variieren sehr stark von Themenfeld zu Themenfeld. Grundsätzlich legen wir unseren Fokus auf den fachlichen- und kulturellen Fit und fragen gleichzeitig nach den Wünschen und Bedürfnissen der Bewerber*innen. 

Welche Standardfragen/ -antworten von Bewerber*innen langweilen selbst dich als Personaler*in?

Keine. Das meine ich auch wirklich ernst, denn hinter jeder Frage verbirgt sich eine Motivation und ein Wert, der dieser Person sehr wichtig ist und über den wir nicht genügend gesprochen haben. Würden wir Fragen stellen, die 90 Prozent der Bewerber*innen identisch beantworten, sollten wir uns eher überlegen, ob die Fragestellung sinnhaft ist. 😉

Was sind absolute No-Gos für dich im Vorstellungsgespräch? 

Wir führen seit der Pandemie zu 99 Prozent virtuelle Vorstellungsgespräche. Eine Sache, die schon häufiger passiert ist und die mich sehr ärgert ist, wenn Bewerber*innen während des Gesprächs anfangen, auf unserer Webseite Antworten zu suchen oder die Projekte zu googlen, von denen meine Kolleg*innen berichten. Das hinterlässt leider keinen positiven Eindruck.

Was sind ‘Fehler’, die Bewerber*innen immer und immer wieder machen?

Rein formell hat jede*r Recruiter*in sicherlich eigene Vorlieben, ich glaube jedoch, dass sich die meisten bei zwei Dingen einig sind:

  • Im Curriculum Vitae (CV) sollte bitte die aktuelle Anstellung an erster Stelle stehen. Manchmal beginnen Bewerber*innen mit ihrer Schulbildung und der aktuelle Arbeitgebende steht irgendwo auf der zweiten Seite unten.

  • Versuche, dein Anschreiben auf eine Seite zu begrenzen. Vieles, was da drin steht, kannst du im Vorstellungsgespräch erzählen und die größten Erfolge kannst du gerne auch im CV mit aufführen.

Welche Fragen sind nicht erlaubt von der Arbeitgeberseite? Wie reagiere ich, wenn doch zum Beispiel nach der Familienplanung gefragt wird?

Nicht erlaubt sind zum Beispiel Fragen nach der sexuellen Orientierung, Kinderwunsch, Familienstand, Religion oder politischer Einstellung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie du darauf reagieren könntest: 

  1. Du machst deine*n Gesprächspartner*in auf den Fehler aufmerksam oder fragst, zu welchem Zweck er*sie diese Information benötigt. 

  2. Du verweigerst die Aussage. 

  3. Du beantwortest die Frage und könntest dabei sogar lügen. Ich möchte keine Empfehlung für eine Lüge aussprechen, sondern nur aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt. Stell dir gerne selbst die Frage: „Möchte ich in einem Unternehmen arbeiten, welches beispielsweise meine Familienplanung kritisch hinterfragt?“. Das könnte dir die Entscheidung erleichtern.   

Ist die Frage nach “Lücken” im Lebenslauf legitim? Muss ich darauf antworten, beziehungsweise wie ehrlich sollte ich sein, wenn es sich zum Beispiel um eine psychische Krankheit handelte?

Tendenziell empfehle ich immer, keine wirkliche Lücke stehen zu lassen, sondern diese als „persönliche Auszeit“ oder „Bewerbungsphase“ im CV aufzuzeigen. Da können natürlich trotzdem Rückfragen aufkommen, gleichzeitig weist du diese Lebensphasen aus und verbirgst sie nicht, was ich persönlich als sehr positiv wahrnehme.

Die Sorge, eine psychische Erkrankung anzusprechen, kann ich verstehen und es braucht sehr viel Mut, das zu tun. Mir persönlich ist es ein Anliegen, das Stigma rund um psychische Erkrankungen zu enttabuisieren, gleichzeitig weiß ich aber auch, dass Vorurteile zu dem Thema weit verbreitet sind. Ob du ansprechen möchtest, dass deine Lücke aufgrund einer psychischen Krankheit entstanden ist, musst du ganz persönlich für dich entscheiden und auf verschiedene Reaktionen deines Gegenübers (positiv als auch negativ) gefasst sein. Du kannst eine solche Lücke auch gut umschreiben, indem du sagst, dass du zum Beispiel schwer erkrankt bist und der Genesungsprozess langwierig war. Damit bleibst du bei der Wahrheit.

Chronische Krankheiten – ansprechen oder nicht?

Auch hier ist meine Antwort ähnlich zur vorherigen Frage, wobei du natürlich zunächst für dich selbst die Fragen beantworten solltest, ob deine Erkrankung dich in deinem Arbeitsalltag einschränkt und wenn ja, wie sehr. Falls es da Hürden gibt, überlege dir, wie du mit ihnen umgehst und kommuniziere das offen. Wenn deine Erkrankung deine Arbeit nicht beeinflusst, kannst du sie verschweigen.

Wie gehe ich mit Nebentätigkeiten im Bewerbungsprozess um? Ist dafür Platz im Gespräch?

Falls die Nebentätigkeit schon zum Zeitpunkt deiner Bewerbung bestand, schreib sie in deinen CV. Du kannst die Nebentätigkeit auch direkt zu Beginn bei deiner Vorstellung einbauen oder am Ende erwähnen, wenn dir die Möglichkeit gegeben wird, Rückfragen zu stellen. Bei vielen Unternehmen sind Nebentätigkeiten zustimmungspflichtig, aus diesem Grund solltest du sie spätestens bei der Vertragsverhandlung ansprechen. 

Mittlerweile sind immer mehr Vorstellungsgespräche digital. Was sind Best Practices für Online Vorstellungsgespräche?

Sorge dafür, dass keine Zwischenstörungen stattfinden, deine Internetverbindung stabil ist und die Lichtverhältnisse im Raum stimmen, sodass du gut in der Kamera erkennbar bist. Wenn du ganz auf Nummer sicher gehen willst, kannst du vorab auch einen Testanruf mit eine*r Freund*in, Partner*in oder Familienmitglied durchführen.

Worauf achtet ihr bei ifok besonders?

Uns ist Neugierde, Interesse an den vielfältigen Themen, mit denen wir arbeiten und die Bereitschaft dort anzupacken, wo gerade Unterstützungsbedarf ist (unabhängig der Seniorität) besonders wichtig. Wenn diese drei Dinge und ein fachlicher Erfahrungshintergrund, der zur Ausschreibung passt, gegeben sind, ist das eine gute Basis für eine Zusammenarbeit.

Was kann ich am Ende fragen, wenn schon alles gesagt wurde? 

Frage die Teilnehmenden, weshalb sie gerne im eigenen Unternehmen arbeiten oder was das Unternehmen oder die Zusammenarbeit aus ihrer persönlichen Wahrnehmung besonders macht. Das kann einen guten Einblick in die Unternehmenskultur geben.

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8 Tipps für dein virtuelles Vorstellungsgespräch

Auf dem Weg zum GoodJob: 9 Fragen im Vorstellungsgespräch

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