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Feiertag 1. Mai: Wofür es sich noch zu kämpfen lohnt

Ob für gerechteren Lohn, Sicherheit, Umweltschutz oder einer besseren Work-Life Balance, der traditionelle Demonstrationstag sollte genutzt werden, um auf die Straße zu gehen.

Julia Dillan | Lea Thin

28.04.2022

Hand hält ein Schild aus Pappe hoch "Es gibt keine jobs auf einem toten Planeten"

Markus Spiske via Unsplash

Alle Jahre wieder beschert uns der Tag der Arbeit einen freien Tag – solange er denn nicht auf den Sonntag fällt. Dabei ist der 1. Mai wortwörtlich zum Feiertag verkommen: als entpolitisiertes Straßenfest statt einer Demo für bessere Arbeitsbedingungen. Dabei kam in den letzten Jahren trotz pandemischer Lage das Gefühl auf, dass die Leute wieder vermehrt auf die Straße gehen - ob Querdenker*innen, Fahrraddemos für die Verkehrswende, Mitarbeiter*innen der Gesundheitsbranche für mehr Wertschätzung in ihrem Berufsfeld, Fridays for Future – die schon lange nicht mehr nur von Schüler*innen supportet werden oder die Black Lives Matter Proteste. Warum also bleibt es am 1. Mai, seit über 100 Jahren traditioneller Demonstrationstag, mittlerweile so ruhig? Gibt es etwa nichts mehr an unseren Arbeitsbedingungen zu verbessern? Wir finden – doch! Wir haben hier zusammengefasst, wofür wir auch heute noch am 1. Mai kämpfen sollten:

Gerechter Lohn

Hört man sich im Freundeskreis um ist tatsächlich vieles, was für unsere Eltern früher selbstverständlich war, dieser Tage auch mit Studienabschluss für viele unerreichbar. Ein Eigenheim, drei Kinder, ein Elternteil bleibt zu Hause – wer kann sich das heute noch leisten? 

Immerhin: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich in den Budgets für Gehälter Veränderung gezeigt: Durch den Fachkräftemangel sind die Gehaltserhöhungen 2022 auf 3,1 Prozent geplant (2021 waren es noch 2,5 Prozent). Jedoch bestehen immer noch strukturelle Ungerechtigkeiten wie die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, die sogenannte Gender Pay Gap, welche aktuell bei 18 Prozent liegt. Außerdem bringt eine Durchschnittszahl der geplanten Gehaltserhöhungen herzlich wenig, wenn bei geringer Verdienenden nichts davon ankommt.

Besonders schlecht bezahlt sind Berufe im Dienstleistungssektor – wie in der Gastronomie oder Kraftwagenfahrer*innen. Trotz Mindestlohn sind die Arbeitnehmer*innen hier häufig auf Aufstockungen angewiesen. Verbesserungen gab es in den letzten Jahren definitiv in der Gesundheitsbranche – aufgrund von starken Belastungen in der Pandemie, Kündigungswellen, dem öffentlichen Diskurs und Demonstrationen. Es hilft nämlich, dem eigenen Unmut kundzutun – deshalb sollten wir uns weiterhin für unsere Arbeitnehmer*innenrechte einsetzen. Auch der Mindestlohn wird zum 01. Oktober 2022 auf 12 Euro angehoben – insbesondere für Geringverdiener*innen ein langersehnter Zugewinn.

Denn mittlerweile gehen knapp 3,5 Millionen Menschen in Deutschland neben ihrem Hauptberuf noch einer weiteren Tätigkeit nach. Teilweise handelt es sich dabei um Gutverdiener*innen, die in einer Nebenbeschäftigung Weiterentwicklungsmöglichkeiten sehen – häufig sind es aber auch Menschen am Existenzminimum, denen trotz Mindestlohn das Einkommen nicht zum Leben reicht. Auch Minijobs sind im Trend. Ein Großteil der 7,8 Millionen Minijobber*innen ist weiblich, viele Frauen bereits über 60 Jahre alt. Mit diesen Jobs lässt sich später kaum eine vernünftige Rente beziehen und sie bieten darüber hinaus nur wenig Sicherheit.

Sicherheit

Apropos Sicherheit: Arbeitsplätze sind heute grundsätzlich viel unsicherer geworden. Unbefristete Arbeitsverträge sind ein seltenes Gut und eine Befristung zieht eine Menge Nachteile mit sich. Schlechtere Aufstiegschancen, keine Kreditwürdigkeit und sogar Schwierigkeiten, einen Mietvertrag zu bekommen – die Liste ist lang. Leicht vorstellbar, dass solch eine Unplanbarkeit gerade Menschen mit Verpflichtungen, die etwa eine Familie zu versorgen haben, stark belastet.

Umso schöner, wenn der Arbeitgeber*innen Benefits anbietet, etwa Weihnachtsgeld, Boni, Sport- und Weiterbildungsprogramme oder sogar Verpflegung for free. Diese Unternehmen sollten wir am Tag der Arbeit besonders feiern, auch wenn ihr Engagement selbstverständlich sein sollte! Schließlich sind gute Arbeitskräfte der wichtigste Teil eines gut laufenden Unternehmens. Das sollten wir uns immer wieder bewusst machen, wenn wir unsere uns zustehenden Rechte einfordern.

Jobs mit Sinn UND guten Arbeitsbedingungen

Schlechtere Bezahlung und weniger Sicherheit führen leider häufig zu Überstunden. Wer um seinen Job bangen muss, ist eher bereit extra Stunden zu schieben um sich mit der*m Chef*in gut zu stellen. Wer zu wenig verdient, hängt sich lieber noch eine Schicht hinten dran. Aber nicht immer werden Überstunden auch vergütet oder können abgebummelt werden. Im Gegenteil, in vielen Branchen gehören sie mittlerweile sogar zum guten Ton! Das muss geändert werden.

Ein Blick in die Historie zeigt, dass das nicht immer so war. Galt Arbeit lange nur als notwendiges Übel zum Überleben und das Streben nach materiellem Wohlstand als Laster, hat sich seit Beginn der Industrialisierung die Forderung der westlichen Gesellschaft auf ein „Recht auf Arbeit“ manifestiert. Zunehmend prekäre Arbeitsverhältnisse stehen heute dauererreichbaren Workaholics gegenüber, die ihren Job mehr als Berufung denn als Pflicht verstehen. Wir sollten den Tag der Arbeit nutzen um darüber nachzudenken, wie viel Lebenszeit wir wirklich für unsere Arbeit opfern möchten. 

Während der Coronapandemie haben Menschen vermehrt hinterfragt, inwiefern sie tatsächlich in ihrem Job eine Berufung sehen und ob sie sich mit dem eigenen Unternehmen noch identifizieren können. Das Resultat: “The Great Resignation”. Die Kündigungswelle setzte in den USA schon vor einem knappen Jahr ein, aber auch im deutschsprachigen Raum lassen sich Tendenzen erkennen. Die Arbeitswelt ‘normalisiert’ sich wieder ein Stück weit, Menschen kehren ins Büro zurück und merken, dass sie eigentlich mehr von ihrem Job brauchen – egal ob in den Arbeitsbedingungen, dem Purpose des Unternehmens oder dem Gehalt. 

Wenn du einen Job mit Sinn suchst, der deine Lebenszeit wert ist, schau doch mal hier vorbei.

Flexibilität und Selbstführung

Um trotz Überstunden wieder mehr Zeit für Alltagsaufgaben, aber natürlich vor allem für die schönen Stunden mit Familie und Freund*innen zu haben, ist Flexibilität das A und O. Gerade alteingesessene Firmen müssen häufig noch daran arbeiten, ihren Mitarbeiter*innen mehr Freiheiten und damit auch mehr Eigenverantwortung zuzugestehen. Gleitzeiten, Vertrauensarbeitszeit und Home-Office – was in den letzten zwei Jahren fast überall erfolgreich eingeführt wurde, wird teilweise von Arbeitgeberseite wieder zurückgenommen. Gerade für Menschen mit Beeinträchtigungen und Eltern sind das jedoh wichtige Voraussetzungen, um ihrem Job gut nachkommen zu können.

Faire Produktionsbedingungen – auch für unsere Mitstreiter*innen im Ausland

Auch wenn es auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch viel zu tun gibt, mit unseren Arbeitsschutzgesetzen geht es uns in Deutschland noch gut. Anders sieht es häufig in ärmeren Ländern aus. Kinder- und Zwangsarbeit, gesundheitsschädigende Arbeiten und Verstöße gegen internationale Menschenrechte sind leider weltweit immer noch an der Tagesordnung. Mit unserem Konsumverhalten unterstützen wir diese Machenschaften häufig mit. Am ersten Mai sollten wir deshalb auch dafür auf die Straße gehen, dass all unsere Konsumgüter unter fairen Arbeitsbedingungen sowie unter Einhaltung internationaler Normen hergestellt wurden und uns mit unseren Mitstreiter*innen im Ausland solidarisieren.

Umweltschutz

Der Kapitalismus ist zu einem System der Ausbeutung verkommen – nicht nur der Menschen, sondern auch der Natur. Neben der sozialen Gerechtigkeit, ist es deshalb unabdingbar auch einen Blick auf die Wirkung der Aktivitäten eines Unternehmens auf unsere Umwelt zu werfen. Firmen, die umweltschädlich agieren oder produzieren sind nicht nur schlecht für die Natur, sie schaden in erster Linie auch uns selbst. Wir sollten am 1. Mai also auch für eine lebenswerte Zukunft kämpfen mit sauberer Luft, sauberem Trinkwasser und einer nachhaltigen Nutzung von Rohstoffen.

Auch wenn der 1. Mai ein FEIERtag ist, vergesst neben dem Feiern nicht, wofür er eigentlich steht: den Arbeiterkampf für faire Arbeitsbedingungen. Nutze den Tag also, um zu demonstrieren und über deine eigenen Arbeitsbedingungen nachzudenken. Wenn du das System der Ausbeutung mit deiner Arbeitskraft nicht mehr unterstützen möchtest, schau dich doch bei uns mal nach einem Job mit Sinn um.

[Dieser Artikel wurde am 28.04.2022 aktualisiert.]

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