Nachhaltig arbeiten? Warum wir unser Verständnis von Arbeit ändern müssen
Tobi Rosswog ist Aktivist, freier Dozent und Autor des Buches "After Work". Wir haben mit ihm über die sozial-ökologische Transformation und die 'Arbeit' der Zukunft gesprochen.
Hi Tobi, stell dich doch mal kurz vor.
Als Aktivist, freier Dozent, Autor und Initiator bin ich für die sozial-ökologische Transformation unterwegs, hin zu einer Gesellschaft jenseits von Arbeit, Eigentum, Geld und Tauschlogik. Mit dem Bildungskollektiv imago darf ich rund 150 Vorträge und Workshops im Jahr an Unis, auf Camps oder in der freien Wirtschaft wie beispielsweise VW oder der Bundesbank geben und zum Perspektivwechsel einladen. Um praktisch anzupacken, durfte ich u.a. die Bewegung living utopia oder auch utopischen Freiräume wie das Funkenhaus sowie das K20 Projekthaus mit initiieren. Im Stiftungsrat der Stiftung FreiRäume darf ich Menschen zu offenen Räume beraten. Und ab und zu schreibe ich auch noch. Unter anderem das Buch „AFTER WORK“ (2018) sowie als Teil des I.L.A. Kollektivs "Das Gute Leben für Alle" (2019) und regelmäßig Beiträge in Büchern, Zeitungen sowie Zeitschriften oder Artikel als Redakteur des NANU-Magazins.
GoodJobs ist ja eine Plattform für nachhaltige und soziale Jobs. Du wünschst dir eine Gesellschaft jenseits von Arbeit, wie ließen sich denn deiner Ansicht nach Arbeit und Nachhaltigkeit vereinen?
Beim Thema Arbeit ist wichtig, dass wir soziale und ökologische Fragen zusammen denken. Es braucht dafür zunächst zum Einen eine Dekonstruktion des heutigen Arbeitsfetisch, um es nicht mehr zentral als Mittelpunkt in unser aller Leben zu lassen - Nach dem Motto “Hauptsache es gibt Arbeitsplätze". Denn wir wissen schon längst, dass es auf einem begrenzten Planeten kein unendliches Wachstum geben kann. Und dennoch halten wir an solchen Konzepten wie Vollbeschäftigung und Vollzeit fest. Das ist aber nicht vereinbar. Es ist dringend notwendig sich zu fragen, was machen wir hier eigentlich? Brauchen wir das wirklich? Und bei vielen Jobs sagen Menschen heute schon von sich selbst: Das was ich da mache ist sinnlos - ein Bullshit Job. Darüber sollten wir beginnen zu reden, zu diskutieren, zu streiten. Damit würden wir viele Sektoren kürzen können und die übrig bleibenden Aufgaben in Kooperation umverteilen, statt in Konkurrenz die einen zum Burn-Out und die anderen zum Bore-Out zu führen und eine dritte Gruppe als Ausgestoßene zu diskriminieren. Lasst uns nach Bedürfnissen und Fähigkeiten organisieren. Ich gebe rein, was ich reingeben kann und nehme raus, was ich brauche. So einfach könnte es gehen.
Du hast zwei Jahre lang geldfrei gelebt. Magst du etwas darüber erzählen und bedeutet das auch, dass du in dieser Zeit nicht ‘gearbeitet’ hast?
Damals habe ich mein Studium erfolgreich abgebrochen, um der Karriere eine Absage zu erteilen und direkt Verantwortung zu übernehmen, um Gesellschaft mit zu gestalten. In dem Zuge verschenkte ich all mein Geld, weil ich mich nicht mehr verwerten wollte. Ich wollte Geben von Nehmen entkoppeln und mich nicht durch zeitaufwendige Bürokratie beim Stellen von Rechnungen oder Verhandeln von Honoraren aufhalten lassen. All meine Zeit und Energie floss somit in Projekte, Aktionen und Kampagnen, die ich mitinitiieren durfte. Die Idee dahinter war auch: Wenn ich mich frage, was ich eigentlich wirklich brauche und dabei feststelle, dass das gar nicht so viel ist, kann ich geldfreier leben. Wenn ich geldfreier lebe, kann ich arbeitsunabhängiger werden und wenn ich arbeitsunabhängiger bin, habe ich mehr freie Zeit meinem wirklichen Talent Raum zu geben und Potentiale zu entfalten. Das, was dabei herauskommt, kann ich einfach so reingeben und brauche dafür keine Gegenleistung. Konkret habe ich einfach das genutzt, was sowieso schon da war. Es gibt einen unvorstellbaren Überfluss in unserer Wegwerfgesellschaft und mir wurde schnell klar, dass Mangel nur ein kapitalistisches Konstrukt ist und wir in Fülle leben. Es ist genug für alle da. Für mich war das auch ein politisches Zeichen Vorhandenes sinnvoll zu nutzen. Im Übrigen ist das auch das Nachhaltigste was Du tun kannst, weil Du keine finanzielle Nachfrage schaffst für etwas, dass sowieso da ist.
Natürlich gab es in der Zeit auch immer wieder Stimmen von Außen, die den gesellschaftlichen Druck nach Karriere und Arbeitsfetisch reproduzierten und denen es dann schwer fiel ernst zu nehmen, was ich da machte. Obwohl ich damals bereits rund 100 Vorträge jährlich, verschiedene Projekte und Events organisierte, war das nicht vergleichbar damit, wenn ich dafür Geld genommen hätte. Das ist eine witzige Dynamik.
Wie sollte deiner Meinung nach die Arbeit der Zukunft aussehen?
Mir geht es um eine Welt, in der wir nicht mehr arbeiten müssen und stattdessen endlich tätig sein dürfen – eine Gesellschaft nach der Ära der (Lohn-)Arbeit. Wir sollten zunächst die ganzen Bullshitjobs wegstreichen. Also Jobs von denen Menschen selbst sagen, dass sie sinnlos sind. Um es klarzustellen: In einer Post-Work-Gesellschaft wird es weiterhin Tätigkeiten geben, die nicht unmittelbar und jederzeit Freude bereiten. Weiterhin wird es immer Notwendiges geben, was getan werden muss. Die Sozialwissenschaftlerin, Aktivistin und Journalistin Brigitte Kratzwald weist wichtigerweise darauf hin, dass Aufgaben zwischen "Lust und Notwendigkeit" übernommen werden. Die Theologin und Autorin Ina Praetorius spricht an dieser Stelle von der "Wiederentdeckung des Selbstverständlichen". Das gegenseitige Kümmern wird wieder zum Kern unseres gesellschaftlichen Miteinanders. Genau das ist verloren gegangen und zeigt auch, dass die Welt gestaltbar sowie veränderbar ist.
Was möchtest du unseren Leser*innen noch mit auf den Weg geben?
Ein paar Fragen:
Und ganz wichtig: Du bist nicht allein. Bildet Banden und organisiert euch. Die Sehnsucht nach einer anderen Welt schlummert in uns allen. Wenn wir sie aussprechen können wir gemeinsam anfangen, andere Wege zu gehen.