Warum Arbeitszeugnisse mehr sagen, als man denkt
Arbeitszeugnisse sagen oft mehr, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Zwischen den Zeilen verbergen sich Bewertungen, die über deinen nächsten Karriereschritt entscheiden können. Hier lernst du, sie zu verstehen – mit Beispielen, Tipps und Erklärungen.
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Ein Arbeitszeugnis ist weit mehr als nur ein Stück Papier zum Jobabschluss. Es begleitet dich auf deinem Karriereweg, spielt eine zentrale Rolle bei Bewerbungen und trägt entscheidend zu deinem beruflichen Image bei. Doch während es freundlich klingt, steckt oft eine zweite Ebene darin: die berühmte „Zeugnissprache“. Hinter Formulierungen wie „stets bemüht“ oder „zur vollen Zufriedenheit“ verbirgt sich mehr, als auf den ersten Blick sichtbar ist.
In diesem Artikel erfährst du, was ein Arbeitszeugnis wirklich bedeutet, wie typische Codes und Formulierungen zu deuten sind und was du tun kannst, wenn dein Zeugnis dir nicht gerecht wird. Dazu gibt es Beispiele, eine Übersichtstabelle sowie Tipps für Arbeitnehmer*innen und Personaler*innen.
Das lernst du hier auf einen Blick
👉 Unterschied zwischen einfachem und qualifiziertem Arbeitszeugnis
👉 Wie ein Zeugnis aufgebaut ist und warum die Reihenfolge wichtig ist
👉 Welche codierten Formulierungen es gibt – und was sie wirklich heißen
👉 Wie du versteckte Kritik erkennst
👉 Was du tun kannst, wenn dein Zeugnis schlecht oder unklar formuliert ist
Was ist ein Arbeitszeugnis?
Ein Arbeitszeugnis ist ein schriftliches Dokument, das Arbeitgeber*innen beim Ende eines Arbeitsverhältnisses ausstellen müssen. Es bescheinigt, wie lange du im Unternehmen tätig warst und je nach Art auch, welche Leistungen und welches Verhalten du im Umgang mit deiner Arbeit, deinem Team und Vorgesetzten gezeigt hast. Ziel ist es, deine Arbeitstätigkeit objektiv und wahrheitsgetreu abzubilden und dich bei deinen weiteren Karriereschritten zu fördern.
Dabei gibt es verschiedene Arten eines Arbeitszeugnisses:
Einfaches Zeugnis: Das einfache Zeugnis enthält nur Angaben zu Art und Dauer der Beschäftigung. Es ist mehr ein schriftliches Beweisstück deiner Anstellung und sagt nichts über deine erbrachten Leistungen und dein Verhalten aus.
Qualifiziertes Zeugnis: Wenn von Arbeitszeugnissen die Rede ist, dann meinen die meisten das qualifizierte Arbeitszeugnis. Es enthält neben den faktischen Daten auch die Beurteilung deiner Leistung und deines Sozialverhalten.
Zwischenzeugnis: Du kannst auch bereits während deiner laufenden Beschäftigung ein Arbeitszeugnis anfragen. Dieses nennt sich dann Zwischenzeugnis.
Ausbildungszeugnis: Der Begriff Ausbildungszeugnis ist im Grunde ein qualifiziertes Arbeitszeugnis für Auszubildende nach Abschluss der Ausbildung.
Ein kleiner Exkurs zu den rechtlichen Grundlagen:
Arbeitszeugnisse sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB § 630) und in der Gewerbeordnung (§ 109 GewO) geregelt. Das bedeutet nicht nur, dass du grundsätzlich einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis hast. Es muss darüber hinaus wahrheitsgemäß, wohlwollend und vollständig sein. Außerdem gelten formale Anforderungen wie ein Firmenbriefbogen, Datum, Unterschrift einer weisungsbefugten Person und eine klare Struktur. Was es tatsächlich nicht mehr zwingend sein muss: analog. Wenn beide Parteien damit einverstanden sind, reicht inzwischen auch die digitale Form.
Aufbau eines Zeugnisses
Speaking of klare Struktur: Der Aufbau eines Arbeitszeugnisses folgt meist einer festen Reihenfolge. Die genaue Gliederung kann von Unternehmen zu Unternehmen variieren, doch bestimmte Elemente sind Standard. Das Weglassen oder Verschieben bestimmter Elemente kann dabei aber auch gleichzeitig ein Signal sein. Genauso auch die Wahl bestimmter Formulierungen, die wie Codes für ein verstecktes Notensystem gelten.
In der Regel setzt sich ein Arbeitszeugnis wie folgt zusammen:
Beginnend mit der Überschrift, einer Einleitung zu den personenbezogenen Angaben, der Position und Dauer der Beschäftigung, folgt die Tätigkeitsbeschreibung, also was genau deine Aufgaben waren, in welchem Bereich und in welchem Umfang. Danach wird es erst wirklich aussagekräftig. In der anschließenden Leistungsbeurteilung wird dein Arbeitseinsatz, deine Erfolge und deine fachlichen Qualifikationen bewertet und eingeordnet. Darauf folgt die Beurteilung deines Sozialverhaltens im Umgang mit Kollegen und Kolleginnen, Vorgesetzten und Kunden und Kundinnen. In der Gesamtbeurteilung wird deine Leistung zusammenfassend benannt. An dieser Stelle findest du häufig die bekannte Formulierung wie „stets zu unserer (vollen/vollsten) Zufriedenheit“. Dann folgt der Schlusssatz. In ihm spiegeln sich in der Regel Dank, Bedauern und Zukunftswünsche wider. Er ist rechtlich nicht verpflichtend, wird aber dennoch häufig erwartet. Fehlt er, kann das deshalb auch negativ wirken.
Übrigens: Der Grund für die Kündigung darf nur auf Wunsch der Arbeitnehmer*in aufgenommen werden. Schwangerschaft, Betriebsratszugehörigkeit oder ähnliche Informationen, die über das Arbeitsverhältnis hinausgehen, sind streng untersagt.
Häufige Formulierungen und ihre Bedeutung
Die wohl spannendste Stelle beim Lesen eines Arbeitszeugnisses sind die Formulierungen in der Leistungs- und Verhaltensbewertung. Sie klingen oft freundlich, aber enthalten in Wahrheit eine Abstufung in ihrer Bedeutung, ähnlich wie Noten in der Schule.
Warum werden codierte Formulierungen verwendet?
Arbeitgeber*innen haben eine Wahrheitspflicht. Sie müssen also ehrlich bleiben. Gleichzeitig gilt die Wohlwollenspflicht, das heißt, sie dürfen dem Arbeitnehmer nicht bewusst schaden. Das führt zum sogenannten „Zeugniscode“.
Diese Sprache hat sich über Jahrzehnte entwickelt, um eine Art Balance zu schaffen. Ein „offizielles Wörterbuch“ gibt es nicht, aber gängige Formulierungen haben sich etabliert. Recruiter*innen und Personalverantwortliche kennen diese Codes und können aus den Nuancen herauslesen, wie die Gesamtbeurteilung ausfällt. Damit du dein Zeugnis richtig einordnen kannst, findest du hier die wichtigsten Kategorien mit Beispielen.
Leistungsbewertung
Hier wird beurteilt, wie gut du deine Aufgaben erledigt hast. Schon kleine Unterschiede in der Wortwahl verändern die Note:
| Formulierung | Bedeutung (Note) | Interpretation |
|---|---|---|
| „Stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ | Sehr gut (Note 1) | Überdurchschnittlich, keine Kritikpunkte |
| „Zu unserer vollen Zufriedenheit“ | Gut (Note 2) | Wenig Kritikpunkte, leichtes Verbesserungspotential |
| „Zu unserer Zufriedenheit“ | Befriedigend (Note 3) | Verbesserungswürdig, aber zufriedenstellend |
| „Im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ | Ausreichend (Note 4) | Gerade noch ausreichend, nicht unbedingt empfehlenswert |
| „Hat sich bemüht“ | Mangelhaft (Note 5-6) | Hinweis auf unzureichende Leistung, keine Weiterempfehlung |
Arbeitsweise & Engagement
Diese Kategorie verrät, ob du organisiert, belastbar oder eher überfordert warst:
| Formulierung | Bedeutung (Note) | Interpretation |
|---|---|---|
| „Arbeitete stets sorgfältig und effizient“ | Sehr gut (Note 1-2) | Überdurchschnittlich, keine Kritikpunkte |
| „Arbeitete im Großen und Ganzen zuverlässig“ | Befriedigend (Note 3-4) | Nicht herausragend, Verbesserungspotential |
| „Zeigte Interesse“ / „bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden“ | Mangelhaft (Note 5-6) | Hat es versucht, aber nicht überzeugt |
Sozialverhalten
Ein wichtiger Abschnitt, weil er zeigt, wie du im Team und gegenüber Vorgesetzten wahrgenommen wurdest:
| Formulierung | Bedeutung (Note) | Interpretation |
|---|---|---|
| „War bei Kolleg*innen und Vorgesetzten gleichermaßen geschätzt“ | Sehr gut (Note 1-2) | Überdurchschnittlich, keine Kritikpunkte |
| „Verhielt sich gegenüber Kolleg*innen korrekt“ | Befriedigend (Note 3-4) | Distanziert, ohne positives Signal |
| „War stets um ein gutes Verhältnis bemüht“ | Mangelhaft (Note 5-6) | Kam nicht gut an |
Schlusssätze
Auch am Ende steckt oft viel Aussagekraft:
| Formulierung | Bedeutung (Note) | Interpretation |
|---|---|---|
| „Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden sehr und wünschen alles Gute“ | Sehr gut (Note 1-2) | Gutes Zeugnis, echtes Bedauern |
| „Wir wünschen alles Gute“ | Befriedigend (Note 3-4) | Neutral, eher negativ, da Dank und Bedauern fehlen |
| Schlusssatz fehlt komplett | Mangelhaft (Note 5-6) | Klares Warnsignal |
Im Arbeitszeugnis verstecke Kritik erkennen
Ein Arbeitszeugnis muss positiv klingen – aber nicht alles, was freundlich wirkt, ist auch ein echtes Lob. Neben den oben genannten codierten Noten, gibt es weitere Formulierungen, die versteckte Kritik beinhalten. Hier sind die gängigsten „Übersetzungen“:
Er/Sie „war bei Kolleg*innen beliebt“, aber es steht nichts zum Umgang mit den Vorgesetzten? Ein eindeutiger Hinweis auf Konfliktpotenzial.
Er/Sie „hatte ein korrektes Verhältnis“? Korrekt ist so ein schön diffuses Wort und steht hier für distanziert, aber nicht beliebt.
Er/Sie „trat engagiert für die Interessen der Belegschaft ein“? Hier versteckt sich möglicherweise der Hinweis auf eine*n Querulant*in oder Gewerkschafter*in.
Was tun bei einem schlechten oder unklaren Zeugnis?
Wenn du dein Arbeitszeugnis erhältst und beim Lesen das Gefühl hast, dass „irgendetwas nicht stimmt“ – nimm das ernst. Ein Arbeitszeugnis begleitet dich über Jahre hinweg und kann bei künftigen Bewerbungen entscheidend sein. Daher lohnt es sich, genau hinzuschauen und im Zweifel nachzufragen. Solltest du das Gefühl haben, dass dein Zeugnis nicht deine tatsächliche Arbeitsleistung widerspiegelt, kannst um Korrektur bitten. Denn laut § 109 Gewerbeordnung hast du Anspruch auf ein wahres und wohlwollendes Arbeitszeugnis. Das bedeutet: Es darf dich nicht schlechter darstellen, als es der Realität entspricht. Sprich am besten zunächst direkt mit deinem/deiner ehemaligen Arbeitgeber*in. Oft lassen sich Missverständnisse im persönlichen Gespräch klären, ohne dass es gleich juristisch wird. Hierfür hast du übrigens rechtlich betrachtet drei Jahre Zeit. Je schneller du das Thema klärst, desto besser natürlich.
Und wenn sich keine Einigung erzielen lässt?
Solltet ihr zu keiner Einigung kommen, kannst du den Anspruch auf ein korrigiertes Zeugnis auch gerichtlich durchsetzen – meistens über das Arbeitsgericht. Dabei helfen Fachanwält*innen für Arbeitsrecht, die genau wissen, wie solche Verfahren ablaufen.
💡 Tipps für Zeugnisprüfung und -anfrage
Sobald du dein Arbeitszeugnis in den Händen hältst, schau dir alles genau an, auch die kleinen Details. Das Datum und der Ausstellungszeitpunkt sollten immer mit deinem tatsächlichen Austrittsdatum übereinstimmen – ein abweichendes Datum kann sonst Fragen aufwerfen. Auch die Unterschrift spielt eine Rolle: Sie muss von einer zeichnungsberechtigten Person stammen, also in der Regel von deinem/deiner direkten Vorgesetzten oder der Geschäftsführung.
Schau dir außerdem an, ob dein Zeugnis vollständig ist. Fehlen zentrale Aufgaben, Projekte oder Verantwortlichkeiten, kannst du eine Ergänzung verlangen – schließlich soll dein Zeugnis ein realistisches Bild deiner Tätigkeit zeigen. Bei den Formulierungen gilt: Du hast keinen Anspruch auf ein „sehr gut“, aber sehr wohl auf eine faire, wahrheitsgemäße und wohlwollende Bewertung.
Wenn du unsicher bist, ob dein Zeugnis diese Kriterien erfüllt, kann sich eine externe Prüfung lohnen. Gewerkschaften, Fachanwälte und Fachanwältinnen oder spezialisierte Beratungsstellen bieten professionelle Zeugnis-Checks an. Auch Online-Generatoren können einen ersten Eindruck vermitteln – ersetzen aber keine individuelle Einschätzung durch Experten und Expertinnen.
FAQ – die häufigsten Fragen rund ums Arbeitszeugnis
❓ Was bedeutet „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“?
Das ist die beste Bewertung – vergleichbar mit der Schulnote 1.
❓ Muss ein Arbeitszeugnis immer positiv klingen?
Ja. Es muss wohlwollend formuliert sein, darf aber keine falschen Tatsachen enthalten.
❓ Was tun, wenn ich mit meinem Zeugnis nicht einverstanden bin?
Du kannst eine Korrektur verlangen oder notfalls rechtlich vorgehen.
❓ Sind Arbeitszeugnis-Formulierungen rechtlich verbindlich?
Es gibt keinen offiziellen Code, aber gängige Formulierungen haben sich etabliert und werden in der Praxis wie ein „Geheimcode“ verstanden.
Dein Arbeitszeugnis ist dein Aushängeschild
Ein Arbeitszeugnis ist kein nettes Extra, sondern ein zentrales Dokument für deine Karriere. Es sollte deine Leistung fair widerspiegeln und gleichzeitig deine Chancen auf dem Arbeitsmarkt stärken. Wenn du ein Zeugnis erhältst, lies es deshalb immer genau, prüfe die Formulierungen und scheue dich nicht, nachzufragen oder Korrekturen einzufordern.
Denn: Ein gutes Zeugnis öffnet Türen, ein schlechtes kann sie schließen.
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