Wie du mit psychischen Krankheiten am Arbeitsplatz umgehen kannst
Wir fangen an, immer mehr über mentale Gesundheit zu sprechen. Das ist gut, aber noch nicht genug. Wie du mit psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz umgehst, liest du hier.
Dan Meyers via Unsplash
Obwohl einer von vier Menschen mindestens einmal im Leben mit einer psychischen Erkrankung kämpft, behandeln wir Burnout, Depressionen, Angststörungen und Co. nach wie vor als Probleme, um die sich Betroffene selbst kümmern müssen. Dabei haben Studien nicht nur längst bewiesen, wie verbreitet psychische Belastungen und Erkrankungen sind. Sie zeigen auch, dass die Art und Weise, wie unser soziales Umfeld – also sowohl der Freundeskreis, als auch Führungskräfte und Kolleg*innen – mit diesen umgeht, eine entscheidende Rolle spielt.
Dass das Thema mentale Gesundheit immer mehr in den öffentlichen Diskurs gerückt wird, wird bei den unzähligen Studien zu psychischen Erkrankungen oder Belastungen klar. Die drei am häufigsten diagnostizierten Erkrankungen in Deutschland sind Depressionen, Angststörungen und Alkoholmissbrauch. Dadurch, dass mehr über das Thema gesprochen wird, wirkt es so, als seien die Zahlen von psychischen Erkrankungen gestiegen. Was als Anstieg wahrgenommen wird, ist in Wahrheit jedoch eher eine Zunahme der Behandlungs- und Diagnosezahlen. Mehr Menschen trauen sich, über ihre Beschwerden zu sprechen und sich professionelle Hilfe zu suchen, genauso wie auch Ärzt*innen an Kompetenzen in der Diagnose und Behandlung dazugewonnen haben. Ein Erfolg auf dem wir uns nicht ausruhen sollten. Die Entstigmatisierung muss weiterhin erfolgen – deshalb haben wir dir hier einige Informationen zum Umgang mit psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz zusammengestellt.
Darf im Bewerbungsprozess nach meiner psychischen Erkrankung gefragt werden?
Die erste Frage, die von unserer Community zum Thema mentale Gesundheit und psychische Erkrankungen aufkommt, ist immer die, ob Arbeitgeber*innen im Bewerbungsprozess überhaupt nach Diagnosen fragen dürfen. Normalerweise darf im Vorstellungsgespräch nicht nach physischen oder psychischen Erkrankungen gefragt werden. Die Ausnahme: Die mögliche psychische Erkrankung könnte eine erhebliche Auswirkung auf die Ausführung des Jobs haben. Das ist leider sehr individuell verschieden – ein sehr verständliches Beispiel sind natürlich Berufsfelder, in denen möglicherweise Menschen durch die Tätigkeit gefährdet werden könnten – zum Beispiel als Zugführer*in. Wenn kein plausibler Grund zur Frage nach einer psychischen Erkrankung besteht, könnte es sich möglicherweise um eine unzulässige Diskriminierung handeln. Wenn allerdings das Fragerecht bestand und der*die Bewerber*in eine Falschaussage getroffen hat, kann es zu einem späteren Zeitpunkt aus Täuschungsgründen zu Schwierigkeiten kommen.
Das Arbeitsschutzgesetz in Aktion
Für Arbeitnehmer*innen gibt es drei Elemente, durch die die betriebliche Gesundheit sichergestellt werden kann:
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Die psychische Gefährdungsbeurteilung wird vom Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben – es muss eine Einschätzung am Arbeitsplatz stattfinden, welche Gefahren es gibt und welche Gegenmaßnahmen umgesetzt werden können (§ 5 ArbSchG). Leider setzen nur wenige Betriebe diese Vorschrift um. Wenn dein Betrieb dazu gehört, könntest du zum Beispiel beim Betriebsrat anfragen, woran das liegt und so ggf. das Recht einfordern. Die Beurteilung hat auch für den Betrieb Vorteile, zum Beispiel durch die Senkung der Krankheitskosten.
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Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) gehört genauso zum Pflichtprogramm für Unternehmen (§ 167 SGB IX) wie die Gefährdungsbeurteilung. Wenn Betroffene innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, haben sie Recht auf ein BEM. Dabei werden gemeinsam Hilfestellungen und Maßnahmen für die Rückkehr an den Arbeitsplatz erarbeitet. Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Rentenversicherungsträger sowie die Integrationsämter und die Agenturen für Arbeit stehen den Unternehmen für kostenlose Beratungs- und Unterstützungsangebote zur Verfügung. Trotz der Pflicht nach dem Arbeitsgesetz gibt es noch nicht in allen Unternehmen ein BEM.
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Zuletzt ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) eher daily business – wenn sich Unternehmen in diesem Bereich engagieren. Die Förderung der Gesundheit über die gesetzliche Vorgaben hinaus kann zum Beispiel in Form von Zuschüssen zu Sportangeboten, freie Mental-Health-Tage oder einem Raum für Power-Naps im Büro geschehen. Natürlich gibt es da eine Menge Spielraum und jedes Unternehmen muss für sich und seine Mitarbeiter*innen entscheiden, welche Maßnahmen zielführend sind.
Psychische Krankheiten müssen enttabuisiert werden!
Auch wenn du in Bewerbungsgesprächen nicht über deine Beschwerden und Diagnosen sprechen musst, kann es doch sehr hilfreich sein, das Gespräch mit Führungskräften oder Kolleg*innen zu suchen wenn du dich damit wohlfühlst. Was es dafür definitiv braucht ist eine Vertrauensbasis und eine interne Entstigmatisierung von psychischen Beschwerden. Damit ein Vertrauen in die Führungskräfte entstehen kann, muss teamübergreifend bewiesen werden, dass es okay ist, über Konditionen zu sprechen und gegebenenfalls gemeinsam über Bedürfnisse zu sprechen. Wie das funktionieren kann? Offene Runden in Teammeetings in denen Führungskräfte ein Grundverständnis kommunizieren, Workshops für das ganze Team, anonyme Befragungen oder die Einführung besagter Mental-Health-Tage. Auch eine wertschätzende Feedbackkultur, in der auch über mentale Belastungen gesprochen werden kann, ist unterstützend. Eine Maßnahme, die das Wissen des gesamten Teams zum Thema Umgang mit psychischen Erkrankungen vertieft und in praktische Fähigkeiten umwandelt, ist zum Beispiel die Mini-Ausbildung zum*r Ersthelfer*in für psychische Gesundheit. Dabei lernen Teilnehmende, rechtzeitig Probleme zu erkennen, Zugang zu Betroffenen zu finden und anderen dabei zu helfen, erfolgreich eine psychische Krise zu bewältigen.
Tipps, wie du mit psychischen Erkrankungen umgehen kannst
Psychische Erkrankungen sind so individuell wie die Betroffenen selbst. Was für die eine Kollegin gut funktioniert, könnte den anderen Kollegen stark triggern. Weder Vorgesetzte, noch Kolleg*innen ersetzen professionelle Hilfeleistungen und nicht jede*r Betroffene möchte private Probleme offenlegen. Jedoch gibt es ein paar Grundgedanken, die helfen können, trotz der eigenen Erkrankung den eigenen Arbeitsweg zu meistern.
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Schaff dir ein wohlwollendes Arbeitsumfeld
Der Tipp ist ziemlich eindeutig. In einem Team, das empathisch und auf Augenhöhe miteinander kommuniziert, lässt sich eher ein Grundverständnis für die Bedürfnisse der Kolleg*innen entwickeln. Sei also ehrlich zu dir – geht es dir in deinem sozialen Arbeitsumfeld gut, fühlst du dich wohl? Natürlich solltest du dich nicht gezwungen fühlen, dein Privatleben zu teilen – sich gehört und gesehen zu fühlen ist aber ein wichtiger Schritt im Umgang mit der Krankheit. GoodJobberin Nana hat auf LinkedIn ihre Erfahrungen in Gedichtform geteilt – klickt euch gern rein und tauscht euch mit ihr aus!
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Welche Arbeitsbedingungen passen zu dir?
Je nachdem, welche Kondition du hast, kann es hilfreich sein, flexible oder feste Arbeitszeiten zu haben und remote, hybrid oder im Büro zu arbeiten. Werde dir bewusst, welche Konditionen du für dein Wohlbefinden brauchst und kommuniziere diese mit deinem*r Arbeitgeber*in.
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Melde dich krank, wenn es dir nicht gut geht.
Kommt dir das bekannt vor, dass du dich, obwohl es dir nicht gut geht, nicht krank meldest, weil du das Gefühl hast, es ginge dir nicht ‘schlecht genug’? Schluss damit. Psychische Erkrankungen halten oft über einen sehr langen Zeitraum an und kommen in Schüben. Sorgen um deinen Job brauchst du dir nicht zu machen, wenn du dir immer wieder Zeit für deine mentale Gesundheit nimmst. Denn als Arbeitnehmer*in kannst du bis zu sechs Wochen im Jahr krankgeschrieben werden, ohne dass dir direkt eine Kündigung droht. Dann bist du auch nicht dazu verpflichtet, den wahren Grund deiner Krankschreibung mitzuteilen, nur wenn die Erkrankung durch betriebliche Gründe verursacht wurde. Wirst du als langzeiterkrankt eingestuft, bist du gemäß des deutschen Arbeitsrechts für eineinhalb Jahre durch die Lohnfortzahlung und dein Krankengeld abgesichert.
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Achte auf deine Pausenzeiten!
Sobald wir mitten im Arbeitsflow sind, kann es passieren, dass wir vergessen, uns die Pausen zu gönnen, die unser Körper so dringend braucht. Stelle dir zum Beispiel einen Timer, der dich stündlich an eine kurze Bildschirmpause erinnert. Wenn du eine Pause einlegst, solltest du das auch ohne Ablenkung tun. Kein Mittagessen vor dem Laptop, sondern vielleicht eher eine Runde an der frischen Luft und/oder ein kurzer Power Nap.
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Schließe vor deiner Krankheit eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab!
Viele Arbeitgeber*innen ermöglichen ihren Mitarbeiter*innen den Abschluss einer solchen Versicherung und wir empfehlen: nutze die Möglichkeit! Eine*r von vier kämpft im Leben mit einer psychischen Krankheit – es gibt also kein Patentrezept, wen es erwischt und wen nicht. Sobald du in Therapie bist und die Versicherung noch nicht abgeschlossen hast, ist das Thema meist abgeschlossen, weil du Schwierigkeiten haben wirst, aufgenommen zu werden.
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Nimm professionelle Hilfe in Anspruch
Die Psychotherapie stellt bei nahezu allen psychischen Erkrankungen einen zentralen Behandlungsansatz dar, deren Erfolg gut belegt ist. Zu den gängigen, von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Therapieformen zählen dabei die Verhaltenstherapie, die Psychoanalyse sowie die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Auch wenn du das Gefühl hast, dich nicht verstecken zu müssen und transparent über deine Probleme sprechen zu können, ersetzt diese Kommunikation keine Therapie. Wir gehen auch zum*r Ärzt*in, wenn wir eine physische Krankheit haben oder sie vermeiden wollen, falls du also noch nicht in Therapie bist und das Gefühl hast, du müsstest dich dafür schämen, nutze die Chance, besser mit deinen Konditionen umzugehen und/oder Schlimmeres zu vermeiden!
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