Diversität

Gender-Gap in MINT-Berufen – Woher kommt sie und wie lässt sie sich schließen?

Die MINT-Fächer sind in der Arbeitswelt weiterhin stark männlich dominiert. Insbesondere in der IT stagniert der Frauenanteil um 16 Prozent. Warum und wie lässt sich das ändern?

Julia Dillan

29.03.2022

Frau sitzt am Computer und programmiert, Informatik, Naturwissenschaften, Gender Gap

Kelly Sikkema via Unsplash

Zukunftsbranche Naturwissenschaften

Wenn wir darüber nachdenken, in welchen Jobs wir in Zukunft arbeiten werden, lässt sich ein klarer Trend erkennen. Die vier großen, zukunftsweisenden Branchen in der Arbeitswelt sind die Biotechnologie, die Erneuerbaren Energien, der Pflege- und Gesundheitssektor und die Informatik. Dem Zukunftsinstitut zufolge werden bis 2030 möglicherweise viele Jobs verschwinden, aber auch andere entstehen – insbesondere in technischen und naturwissenschaftlichen Bereichen. Sind die Nachwuchskräfte auf diesen Wandel vorbereitet? Eher weniger. Das benötigte technische Verständnis und Soft Skills werden Schulabgänger*innen nicht zur Genüge mitgegeben, insbesondere weiblich gelesenen Menschen nicht.

Im MINT-Bereich fehlen immernoch die Frauen!

Die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sind in der Arbeitswelt weiterhin stark männlich dominiert. Laut der Bundesagentur für Arbeit stagniert zum Beispiel der Frauenanteil in der IT-Branche bei um die 16 Prozent – seit knapp zehn Jahren. 2020 Lag der Anteil bei 16,8 Prozent. Vor allem in der IT-Branche werden händeringend Fachkräfte gesucht, und auch wir bei GoodJobs bemerken auf unserer Plattform die Schwierigkeit für Unternehmen, IT-Stellen zu besetzen. Trotz dieses Bedarfes steigt der Anteil von weiblichen Studierenden im Fach Informatik beispielsweise nur langsam. Im Wintersemester 2020/21 waren nur knapp 22 Prozent der Studierenden weiblich.

Was das “Gender Equality Paradox” damit zu tun hat

Eine logische Schlussfolgerung könnte sein, dass in Ländern, die ein augenscheinlich gleichberechtigteres Geschlechterverhältnis haben, mehr Frauen “typische Männerberufe” ausüben. Eine Studie der Leeds Becket Universität aus dem Jahr 2018 konnte dies nicht bestätigen, zeigte sogar eher das Gegenteil. Eine These: In wirtschaftlich schlechter gestellten Ländern würde ein IT-Job bessere Aufstiegschancen bieten und Frauen sich deshalb tendenziell eher für einen solchen Karriereweg entscheiden als in Ländern, in denen ein gewisser Lebensstandard auch mit weiblich konnotierten Berufsfeldern möglich sei. Journalistin Hedda Nier drückt es treffend aus: “Diese These untermauert das Stereotyp, dass Frauen, wenn sie die Wahl haben, nicht in techniklastigen Berufen arbeiten – und genau dieses Vorurteil ist viel eher das Problem, wie auch Folgestudien kritisierten.“ 

Statistiken richtig lesen: Unterschied ist nicht gleich Unterschied

Es gibt unzählige Statistiken, die augenscheinlich ‘beweisen’, dass es geschlechtsbedingte Unterschiede in den Wesensmerkmalen, Entscheidungen und Neigungen gibt. Quarks hat in einem YouTube-Video allerdings verdeutlicht: Unterschied ist nicht gleich Unterschied. Schaut man sich verschiedene Merkmale, die weiblich oder männlich konnotiert sind, an, überlappen sich die jeweils weiblichen und männlichen Statistiken sehr stark – der Unterschied ist also sehr gering. Die Unterschiede sind dementsprechend innerhalb einer Gruppe von Befragten, unabhängig vom Geschlecht, viel größer. Für dennoch existierende Unterschiede sind die Hormone wie Testosteron und Östrogen (dessen Verteilung bei jedem Menschen ganz verschieden ist) genauso wie die erwähnten gesellschaftlichen Prägungen, verantwortlich. Denn wenn Kinder Klischees immer und immer wieder vermittelt bekommen, bekommen sie auch das Gefühl, dass sie diesen eh entsprechen und verhalten sich auch dementsprechend.

Was tatsächlich für den Geschlechterunterschied in den Naturwissenschaften sorgt

Die eigentlichen Gründe: fehlende weibliche Vorbilder bzw. eine stark männlich dominierte IT-Kultur, vermittelte Geschlechter-Stereotype (zum Beispiel der des männlichen Nerds), Informatik als kein Pflichtfach in der Schule, die mangelnde Unterstützung in frühen Jahren durch die Eltern, sowie sogar historische Gründe. In den Ländern mit einem heute höheren Frauenanteil in der IT wurde beispielsweise zur Entstehungszeit der Branche ein anderes wirtschaftliches und politisches System gelebt – mehr Frauen waren berufstätig und konnten so in den Bereichen als Vorbilder für die folgenden Generationen agieren.

Tech4Girls – eine GoodCompany, die sich für Veränderung einsetzt

Eine Lösung, die das Start-up Tech4Girls umsetzt, liegt darin, Mädchen so früh wie möglich – schon ab der zweiten Klasse – in der Grundschule zu supporten und zu empowern. Der Zeitpunkt ist dabei so wichtig, weil wir insbesondere in den ersten Schuljahren unbewusst von Geschlechterstereotypen geprägt werden und unsere Sicht auf die Gesellschaft ausbilden. Mädchen mögen nicht automatisch weiblich konnotierte Aktivitäten, genauso wenig wie Jungs männlich konnotierte Dinge bevorzugen. Viel mehr werden wir alle von klein auf von unserem Umfeld geprägt und wollen einer bestimmten Gruppe zugehörig sein. Schon ab 11 Jahren nimmt bei Mädchen das Interesse an den MINT-Fächern ab und erreicht mit 19 Jahren einen Tiefpunkt. Fast jedes 4. Mädchen glaubt, dass es in MINT-Fächern nie so gut sein kann wie Jungen. “Allerdings bedeutet das nicht, dass dies Interessen sind, die von Anfang festgelegt waren, oder dass Kinder nur die Hälfte des Angebots nutzen wollen. Sie zeigen nur, welcher Gruppe sich ein Kind zugehörig fühlt. Deren Merkmale, Farbcodes oder oft stereotypes Verhalten bestimmen Kinder nicht selbst, sondern sie reproduzieren ein Bild, das von außen an sie herangetragen wurde. Kinder wachsen in die Regelwelt der Erwachsenen hinein und übernehmen deren Zuordnungen”, so das Zukunftsinstitut.

Da greift das Projekt der NGO TechEducation mit einem ausgefeilten, auf die Mädchen angepassten Lehrplan, weiblichen Vorbildern, die sie unterrichten und einem Gemeinschaftsgefühl, das Selbstvertrauen und Unabhängigkeit fördert, ein. Momentan erreicht die GoodCompany schon circa 600 Mädchen im Halbjahr, ihr Ziel ist es, bis Februar 2025 circa 5.070 Mädchen pro Halbjahr zu erreichen und sie durch die gesamte Bildungslaufbahn zu begleiten.

„Wir kämpfen für eine chancengleiche Zukunft, nicht dafür, dass in den Hörsälen nur noch Frauen sitzen, sondern dafür, dass sie könnten; wenn sie wollten.“ - so Geschäftsführerin Katharina Wohlrab.

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