In diesen Branchen hat die Automatisierung schon zugeschlagen
Automatisierung trifft immer die anderen, oder? Falsch. Es gibt praktisch keinen Beruf, den Maschinen nicht bald übernehmen könnten. Teil 5 unserer Serie zur Automatisierung
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Uns bei GoodJobs geht es nicht nur darum, wie schon jetzt möglichst viele Menschen Erfüllung in ihrer Arbeit finden und damit die Welt verbessern. Wir machen uns genauso Gedanken zur Zukunft der Arbeit – und dazu gehört unserer Meinung auch das Thema Automatisierung. Das hier ist Teil fünf einer Serie zu den Ausprägungen und Auswirkungen von Automatisierung.
Wir haben ja schon darüber geschrieben, dass Maschinen über kurz oder lang sehr viele Jobs übernehmen können – oder zumindest sehr, sehr viele Aufgaben. Auch haben wir schon eine Idee davon, welche Branchen von der Automatisierung in drei Wellen betroffen sein werden.
Aber jetzt wollen wir einmal konkret werden und haben uns deshalb auf die Suche nach Jobs begeben, die schon heute von Maschinen erledigt werden – oder sehr bald könnten.
Anwalt
Anwaltsserien vermitteln ein völlig falsches Bild von der Arbeit als Jurist – zum Glück. Denn so eine Verhandlung mit Einspruch und Kreuzverhör reizt dann doch mehr als das stundenlange Wälzen von Akten, Büchern und Gesetzen, das einen Großteil der alltäglichen Arbeit wirklich ausmacht.
In Bereichen wie Asyl- oder Scheidungsrecht sind die Verfahren außerdem schon heute stark standardisiert und es gibt Beispielverfahren – Urteile ohne Ende inklusive. Die perfekten Voraussetzungen also, um künstliche Intelligenzen zu trainieren. In London, New York und Seattle hat der englischsprachige Chatbot DoNotPay beispieslweise bereits über 200.000 Menschen geholfen, sich gegen unrechtmäßige Strafzettel zu wehren.
Bauer
Landwirtschaft ist immer noch mit einem stark romantischen Image verknüpft. Man stellt sich vor, wie der Bauer jeden Tag um 5 Uhr aufsteht, die Eier seiner glücklichen Hühner einsammelt, die Kühe melkt und sich dann auf seinen Traktor schwingt. Wer sich allerdings einmal auch nur oberflächlich mit Jobs in der ökologischen Landwirtschaft beschäftigt hat, weiß, dass gerade in den Ställen – von der Fütterung bis zum Melken – fast alles automatisiert abläuft, menschlicher Hilfe bedarf es dabei fast gar nicht mehr.
Und Start-ups und große Konzerne arbeiten auch schon mit einigem Erfolg daran, die Feldarbeit zu automatisieren. Mittels GPS und selbstfahrenden Traktoren lassen sich Felder sowohl effizienter bepflanzen, als auch genauer abernten.
Börsenmakler
Das Parkett der Börsen weltweit ist berühmt-berüchtigt. Nur, dass es dort heute viel ruhiger zugeht als noch vor zehn Jahren. Statt Menschen, die sich anschreien und hektisch Order um Order entgegennehmen, schweigen sich heute nur noch Computer gegenseitig an. Der digitale Hochfrequenzhandel ist zum neuen Boss auf dem Parkett geworden.
Es lässt sich problemlos programmieren, ab welchem Preis welches Wertpapier in welchem Umfang gekauft oder verkauft werden soll. Das macht den Börsenhandel zwar irgendwie planbarer – sorgt aber auch regelmäßig für sogenannte Flash Crashs. Dabei setzen genau solche automatischen Orders eine Abwärtsspirale in Gang, die nur wenige Minuten dauert, aber Milliarden an Werten vernichten kann.
Call-Center-Agent
Zugegeben, wenn man heute mit automatischen Systemen am Telefon zu tun hat, ist das mehr Qual als Freude: Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie die Eingabe. DSL oder Handy? Handy. Wie bitte? Handy. Wie bitte? HANDY! Okay, ich verbinde Sie mit einem Kollegen aus dem Bereich DSL.
Mit Blick auf Sprachassistenten wie Siri oder Alexa fragt man sich da schon, ob das denn sein muss. Google hat für seinen Assistant kürzlich sogar ein Feature vorgestellt, mit dem der digitale Helfer ganz allein und telefonisch einen Tisch im Restaurant buchen kann. Dass also auch auf der anderen Seite, im Kundenservice, die Maschinen übernehmen, ist nur noch eine Frage von wenigen Jahren.
Katastrophenrettung
Es ist das, was sich niemand wünscht: Wenn Menschen durch Naturkatastrophen in Höhlen eingesperrt oder unter Trümmern begraben werden, zählt jede Minute. Nicht selten begeben sich die Helfer bei Jobs in der Katastrophenhilfe selbst in ernsthafte Gefahr. Zum Glück gibt es inzwischen viele maschinelle Helfer, die bei der Rettung helfen.
Dabei sind natürlich Roboter an vorderster Front – auch welche, die man zuerst gar nicht als solche erkennt, da sie eher an Schlangen und Fische erinnern. Ebenso spielen Drohnen eine immer größere Rolle, gerade wenn es um die Einschätzung von Schäden geht.
Kassierer
Amazon hat mit der Idee eines kassenlosen Ladens – Amazon Go – für einiges Aufsehen gesorgt. Nach einigen Problemen am Anfang ist Amazon mittlerweile so weit, dass der Konzern eine Reihe von Läden nach dem Konzept plant, vorerst allerdings nur in den USA.
Amazon Go steht allerdings stellvertretend für viele andere Bereiche, in denen automatisiert wird: Denn in den kassenlosen Supermärkten arbeiten tatsächlich mehr Menschen als beim herkömmlichen Konkurrenten um die Ecke. Die Arbeitsplätze haben sich einfach verlagert: Weg von der Kasse, hin dazu, beispielsweise Lebensmittel wie Salate oder Sandwiches vorzubereiten, frisch und direkt vor Ort.
Koch
Es gilt im Internet als zynisches Bonmot: Wenn die Angestellten bei McDonald’s für höhere Löhne demonstrieren, werden sie einfach durch Automaten ersetzt, an denen man bestellen kann. Bisher blieb aber immer noch die Arbeit in der Küche, wo das Essen zubereitet wird.
Doch auch das wird wohl schon bald von Maschinen erledigt werden. Moley Robotics hat auf der Hannover Messe beispielsweise einen Roboter vorgestellt, der schon in wenigen Jahren 2000 verschiedene Speisen zubereiten können soll. Und die sollen auch noch richtig gut schmecken, denn ihre Bewegungen bekommt die Maschine von einem Starkoch beigebracht.
Professoren
Bildung gilt bei vielen Experten als eine der letzten Domänen, die den Menschen erhalten bleiben – die eben nicht von Maschinen übernommen werden können. Das Problem: Natürlich arbeiten auch hier schon Vordenker an Roboter-Lösungen.
Einer davon ist Jürgen Handke, Linguistik-Professor an der Uni Marburg. Er nutzt den humanoiden Roboter Pepper in seinen Tutorien. Derzeit agiert Pepper vor allem als Quizmaster. Langfristig soll er aber Zugriff bekommen auf die individuellen Lernfortschritte der Studierenden – und ihnen so auch eine individuelle und somit deutlich bessere Bildung ermöglichen.
Pfleger
Schon seit Jahren versucht die Politik, mehr Menschen für Pflegeberufe zu begeistern. „Es muss cool werden, Pflegekraft zu sein“, fordert Familienministerin Franziska Giffey (SPD). Es tut sich aber nicht wirklich etwas in einer Bevölkerung, die stetig älter wird und einfach mehr Pflege braucht. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis uns das kaputte Pflegesystem um die Ohren fliegen wird.
Doch nicht nur den Pflegenotstand können Roboter und digitale Assistenten helfen zu beseitigen. Auch hier ist Pepper ganz vorne mit dabei. Der humanoide Roboter dient mehr als Plattform, auf die sich unzählige verschiedene Anwendungen packen lassen. Pepper kann mit Patienten reden, Übungen anleiten oder Gänge und Räume überwachen. Gleichzeitig lassen sich Roboter, beispielsweise in Form von Haustieren, auch als emotionale Helfer einsetzen – etwas, wofür heute schon viel zu wenig Zeit bleibt.
Lieferanten
Wieso machen sich die Chefs von Ford in letzter Zeit viele Gedanken um Pizza? Nicht etwa, weil ihre Meetings so lange dauern und sie Verpflegung brauchen. Sondern weil der Autokonzern sich mit Domino’s Pizza zusammengetan hat, um mit selbstfahrenden Autos die runden Köstlichkeiten noch schneller und effizienter auszuliefern.
Dass die Kunden über ihren Hunger ihren Anstand nicht vergessen und auch zu dem fahrerlosen Pizza-Auto Danke sagen, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie bald sich fast jede Lieferanten-Tätigkeit automatisieren lässt. Nicht umsonst experimentieren auch Firmen wie Amazon mit Lieferungen per Drohne.
Psychologen
Die menschliche Psyche ist seit jeher eines der faszinierendsten Gebiete der Forschung. Und es ist durchaus verbreitete Meinung, dass man ein menschliches Gehirn braucht, um andere menschliche Gehirne analysieren und auch therapieren zu können.
Nur: Irgendwie erinnert das Gehirn ja auch an einen Computer. Ein unfassbar komplexer, aber trotzdem. Deswegen gibt es inzwischen allerlei Chatbots wie Woebot oder Replica, die zwar ausdrücklich noch keine klassische Therapie ersetzen, doch die Betonung liegt hier wohl eindeutig auf „noch“. Hinzu kommt, dass sich mit modernen bildgebenden Verfahren ein ziemlich detaillierter Blick in das möglich ist, was wir menschliche Psyche nennen. Und um aus diesen Bildern Schlüsse und Diagnosen zu ziehen, muss man dann auch nicht zwingend ein Mensch sein.
Sexarbeit
Der Mensch ist und bleibt ein Tier mit sehr simplen Bedürfnissen, Sex ist eines davon. Und vor allem eines, das sich – gerade bei den männlichen Vertretern – meist auch recht simpel befriedigen lässt. Inzwischen gibt es Roboter und Puppen für jedes erdenkliche Bedürfnis. Es gibt ganze Bordelle voll mit ihnen und auch männliche Sexroboter sind in Planung.
Dabei stellt sich aber zunehmend eine entscheidende Frage, in Bezug auf Sex besonders, aber auch in einigen anderen Bereichen: Wird bislang unethisches oder moralisch geächtetes Verhalten plötzlich akzeptabel, nur weil Roboter und Maschinen Ziel dieses Verhaltens sind?
Soldat
Boston Dynamics, das ist die Firma mit den coolen Roboter-Videos, die regelmäßig zu viralen Hits werden. Doch so spaßig das mitunter aussieht, ist ein elementares Forschungs- und Geschäftsgebiet der Firma Maschinen für den militärischen Einsatz. Egal, ob sie menschlich oder wie Hunde anmuten: Fast immer steckt eine Eignung für das Schlachtfeld dahinter.
Man erhofft sich davon und auch von künstlichen Intelligenzen einen in irgendeiner Art und Weise „besseren“ oder „menschlicheren“ Krieg, obwohl der Drohnenkrieg der USA im mittleren Osten gezeigt hat, dass genau das ein Trugschluss ist. Einen Hoffnungsschimmer liefert aber das Silicon Valley selbst: Denn innerhalb der großen Konzerne wird der Widerstand von Mitarbeitern gegen militärische Programme immer größer.
Übersetzer
Es ist der Traum eines jeden Reisefreundes, jedes Kosmopolits: Sich ohne Sprachbarriere, ohne Dolmetscher und auch noch fließend mit jedem Menschen auf der Welt unterhalten können. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und cleverer Technik könnte das tatsächlich Realität werden.
Es gibt inzwischen eine Reihe von Kopfhörern, die damit werben, die besseren Simultanübersetzer zu sein. Zwar funktionieren die wenigsten schon einwandfrei, doch sieht man am Beispiel von Deepl, wie gut Übersetzung dank intelligenter Technik inzwischen funktionieren kann. Diese letzten Kinderkrankheiten gehören somit wohl schon sehr bald der Vergangenheit an.
Und hier geht es zu den bisherigen Artikeln, die in unserer Reihe zur Automatisierung erschienen sind:
Teil 1 – Wie viele unserer Jobs vernichten die Roboter?
Teil 2 – Automatisierung: Drei Wellen, die unser Leben verändern
Teil 3 – Warum wir mehr Jobs mit Sinn brauchen
Teil 4 – 5 Wege, wie die Automatisierung uns in eine ungerechtere Welt führen könnte