Sexism sells – wie Unternehmen Empowerment als Werbestrategie nutzen
Unternehmen versuchen, Produkte mit vermeintlichem Empowerment zu vermarkten. Aber der Grat zwischen Geschlechterklischee und Lebensrealität ist schmal.
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Es herrscht mal wieder Unruhe in den Gefilden der digitalen Gemeinde genannt Internet. Die Sau, die dieses Mal durchs Dorf gejagt wird: Edeka. Grund für die hochkochenden Emotionen ist ein Werbespot zum Muttertag. Kritiker finden, der Spot sei sexistisch, gar männerfeindlich. Andere finden ihn lustig.
Es stimmt, Edeka bedient sich in seinem Spot ganz bewusst Rollenklischees von Mann und Frau – nein, schlimmer, Müttern und Vätern. Ein heißes Eisen in Zeiten von #metoo und #Aufschrei. Aber auch ein starkes Stück in Zeiten von doppelter Arbeitsbelastung und Gender Pay Gap.
Eines ist klar: mit diesem Werbespot hat Edeka sein Ziel erreicht. Der Hashtag #Edeka rangiert auf Twitter derzeit ganz oben, der Supermarkt ist in aller Munde und spaltet die Geister. Dabei ist Edeka ganz sicher nicht das einzige Unternehmen, das mit Geschlechterstereotypen Aufmerksamkeit erregt. Der Sexismus muss einem dabei nicht immer direkt mit dem Zaunpfahl entgegenwinken, denn immer mehr Unternehmen verstecken ihn bewusst unter dem Deckmantel der Geschlechtergerechtigkeit.
Pink Painting statt Green Washing
Selbstverständlich darf Werbung auch Frauen beim Ausleben ihrer Sexualität zeigen – oder eben auch beim Kochen mit Schürze. Der Grat ist schmal zwischen Werbung, die ein Geschlechterklischee zementiert und einer, die die Lebensrealität ihrer Konsument*innen ehrlich aufgreift. Und dann gibt es noch diejenigen Unternehmen, die ihre Produkte ganz bewusst mit Empowerment verkaufen wollen. Sexismus ist ein Thema, das Aufmerksamkeit erregt und Feminismus ist in Mode. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Das vermeintliche soziale Engagement wird genutzt, um die eigenen Produkte zu verkaufen und das ursprüngliche Anliegen wird zum Mainstream bis T-Shirts mit Slogans erscheinen, wie „Girls just wanna have fun-damental rights“ oder „Smashing the patriarchy is my cardio“. Eine Strategie, die in der Nachhaltigkeitsszene schon lange verpönt ist, wird auch im gesellschaftlichen Bereich immer mehr en vogue. Konsumfördernde Gesellschaftskritik, Pink Painting statt Green Washing eben.
Dieser Versuch geht nur selten gut. Marketing ist kein Empowerment und die tatsächliche Stärkung von Frauen wird nur selten die Umsatzzahlen eines Unternehmens in die Höhe schnellen lassen. Denn die vielfältige Lebensrealität echter Menschen ist meist alles andere als perfekt, kein bisschen instagramable. Stattdessen setzen solche Kampagnen Frauen häufig noch mehr unter Druck, makellos schön und unvergleichbar erfolgreich zu sein. Ein Beispiel hierfür ist der Run von Mara Martin auf der Miami Swim Week für die Sports Illustrated. Für die hauseigene Bademodenkollektion engagierte das Unternehmen das Model, um sich auf dem Laufsteg mit ihrem Baby zu präsentieren – und es öffentlich zu stillen. Was im ersten Moment wie eine Errungenschaft für Mütter wirkt um mehr Akzeptanz für das Stillen in der Öffentlichkeit zu erreichen, ist in Wahrheit doch nur ein ausgefeilter Marketinggag eines Unternehmens, das nicht zuletzt ein sexistisches Frauenbild und ungesunde Schönheitsideale verfestigt. Was am Ende bleibt, ist wieder einmal ein Appell an die Selbstoptimierung der Frau: „Girls can do anything“ (noch so ein T-Shirt Slogan), auch mit einem Säugling an der Brust.
Sexistische Werbung abstrafen
Fakt ist also, sexistische Werbung ist nicht erst seit Edeka für viele ein Problem. Andere Unternehmen sind in der Vergangenheit nur weit besser davongekommen, ja, wurden sogar für ihre kreative Werbung gefeiert. Wer erinnert sich beispielsweise noch an WWW, die „Witzigsten Werbespots der Welt“? Was früher noch Samstagabendunterhaltung für die ganze Familie war, hätte heute weitreichende Imageverluste bis hin zu Aktieneinbrüchen und eine Entlassungswelle leitender Angestellten zur Folge. Aber sind wir wirklich einfach ein Haufen dauerempörter Humorverächter oder ist was dran an unserer Kritik? Und wie sollte man eigentlich mit sexistischer Werbung umgehen?
Die Plattform Werbemelder*In der Protestorganisation Pinkstinks hat hierfür einen ersten Vorstoß gewagt. Hier können User Bilder von Werbung einreichen, die ihnen aufstößt. Die eingesendeten Bilder werden anschließend bewertet und an den deutschen Werberat weitergeleitet. Zudem werden die gemeldeten Anzeigen auf einer Landkarte verortet, um zu verdeutlichen, wie verbreitet Sexismus und die Reproduktion von Stereotypen in Deutschlands Werbelandschaft sind. Und da liegt ein Kernproblem, denn durch die Festschreibung von geschlechtertypischen Eigenschaften werden Frau UND Mann in eine Rolle gedrängt, die entweder nicht zeitgemäß („Frauen an den Herd“) oder unrealistisch (Stichwort Schönheitsideale) ist. Und das omnipräsent von Briefmarken-kleinen Anzeigen bis hin zum Fünfstockwerk-hohen Werbeplakat. Dabei geht es keinesfalls um Erotik, es geht um die Reduzierung eines Geschlechts, die Objektivierung von Frauen, aber auch von Männern. Dazu braucht es nicht immer Nacktheit, vielmehr geht es um die Äußerung eines Wertekonzepts, einer Festschreibung, wie Mann und Frau zu sein haben und wie sie auf keinen Fall sein dürfen.
Diskriminierung versus Verbotskultur
Entwürfe für das Verbot geschlechterdiskriminierender Werbung gab es bereits. Das Echo war verheerend! Politiker – und auch Politikerinnen – sowie die Medienlandschaft waren empört. Spießig, kleinbürgerlich, im Mittelalter hängen geblieben sei man. Christian Lindner zog sogar Vergleiche zu islamistischen Fundamentalisten, und fragte, ob sich westliche Frauen jetzt auch verhüllen sollten. Geworden ist aus diesem Gesetzvorschlag bis heute nichts. Die Deutschen scheinen weiterhin mehr empört darüber zu sein, auf ihrer Pizzawerbung künftig keine Brüste mehr sehen zu können als dass sie sich für respektvolle Darstellung von Menschen einsetzen. Vielleicht ist der Aufschrei bei Edeka auch genau deswegen so groß, da es diesmal die Männer sind, die im Kreuzfeuer stehen. Das vermeintlich männliche Unvermögen ein Kind zu erziehen. Feminist*innen finden den Spot per se sexistisch, Anti-Feminist*innen können endlich „Männerfeindlichkeit!!!1elf!“ brüllen ohne zu erkennen, dass Frauen gleichermaßen in eine unliebsame Rolle gedrängt werden und diese die Aufgaben der unfähigen Väter aus dem Spot am Ende (unbezahlt) übernehmen müssen.
Zum Glück gibt es bereits viele Unternehmen, die den Weg der Gleichberechtigung ehrlich gehen – zum Beispiel jene, die sich aktiv für Frauenrechte einsetzen oder sich durch ihre Arbeitskultur offen gegen Sexismus bekennen. Wenn du sie aktiv unterstützen möchtest, schau doch mal in unserem Joblisting vorbei. Vielleicht suchen sie genau DICH, um gesellschaftlich und politisch noch mehr bewegen zu können.