Schluss mit Prokrastination - 5 praktische Tipps
Prokrastination beschreibt das krankhafte Aufschieben von ungeliebten Aufgaben. Eine Gewohnheit, die schlimme Folgen für die physische und psychische Gesundheit haben kann.
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Eigentlich ruft der Schreibtisch. Eigentlich muss das nächste Meeting dringend vorbereitet werden und eigentlich weiß man das auch schon seit Wochen. Eigentlich, denn irgendwie schafft man es doch immer wieder, unangenehme und ungeliebte Aufgaben vor sich her zu schieben. Um sich nicht mit dem Unvermeidlichen beschäftigen zu müssen, werden nicht nur die Ausreden, sondern vor allem die Ideen für alternative Beschäftigungen immer kreativer.
Was der Laie als „Aufschieberitis“ bezeichnet, hat natürlich auch eine sehr schlaue akademische Fachbezeichnung: Prokrastination. Und sind wir mal ganz ehrlich, ein bisschen kennen wir das doch alle. Ungeliebte Dinge immer wieder aufzuschieben ist schließlich vor allem eines: menschlich.
Solange man es aber schafft, seiner Verantwortung am Ende nachzukommen, ist das Aufschieben meistens kein Problem. Die sogenannten „Lifestyle-Aufschieber“ sind sogar davon überzeugt, dass sie nur unter zeitlichem Druck Leistung bringen können. „Sie lieben den Adrenalin-Kick, der durch das Hinauszögern entsteht", erklärt Personaltrainerin Susanne Watzke-Otte ihre Motive.
Aber warum schieben wir Dinge auf, und welche Möglichkeiten gibt es, das zu ändern? Dieser Artikel erklärt die Ursachen der Prokrastination, zeigt mögliche Folgen auf und gibt Tipps, wie sie erfolgreich überwunden werden kann.
Was ist Prokrastination? Eine Definition
💡 Prokrastinieren ist ein menschliches Verhalten, das sich dadurch kennzeichnet, dass unangenehme Aufgaben auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Die Psychologie von Prokrastination
Die Ursachen für Prokrastination sind oft tief im Inneren des Menschen verankert. Unser Gehirn neigt dazu, das "Jetzt" attraktiver erscheinen zu lassen als das "Später". Wenn wir eine schwierige oder unangenehme Aufgabe vor uns haben, greifen wir oft auf Aktivitäten zurück, die uns sofort belohnen, wie soziale Medien oder das Ansehen eines Films. Dieser Mechanismus basiert auf dem Belohnungssystem, das unmittelbare Zufriedenheit sucht und langfristige Ziele in den Hintergrund rücken lässt.
Prokrastination ist erlerntes Verhalten
Noch ist unklar, was eine echte Prokrastination auslöst. Der Psychotherapeut Stephan Förster geht aber davon aus, dass es sich um ein erlerntes Verhalten handelt. Das heißt zwar, dass theoretisch jede*r eine krankhafte Prokrastination bekommen kann. Es bedeutet aber zum Glück auch, dass Betroffene dieses Verhalten wieder verlernen können.
Ursachen der Prokrastination
⭐️ Perfektionismus
Perfektionist*innen schieben oft Aufgaben auf, weil sie Angst haben, dass das Ergebnis nicht ihren hohen Ansprüchen entspricht. Diese Angst vor Versagen führt oft dazu, dass sie gar nicht erst anfangen.
😱 Angst und Zweifel
Viele Menschen schieben Aufgaben auf, weil sie Angst vor dem Scheitern haben oder daran zweifeln, dass sie die Aufgabe bewältigen können. Diese Sorgen können lähmend wirken und dazu führen, dass man lieber gar nichts tut, als die Aufgabe möglicherweise unzureichend zu erledigen.
😵💫 Motivationsmangel
Manchmal fehlt einfach die intrinsische Motivation für eine Aufgabe, die man als langweilig oder wenig bedeutend empfindet. Ohne einen klaren Grund, die Aufgabe zu erledigen, fällt es schwer, sich dazu zu überwinden.
💭 Unrealistische Erwartungen
Wer sich zu viel auf einmal vornimmt oder eine Aufgabe als überwältigend empfindet, neigt dazu, diese aufzuschieben. Große Aufgaben wirken oft entmutigend und führen zur Prokrastination.
⏳ Fehlendes Zeitmanagement
Ohne eine klare Struktur oder einen Zeitplan fällt es schwer, Aufgaben effizient zu erledigen. Eine schlechte Planung und das Fehlen von Prioritäten führen häufig dazu, dass Aufgaben vor sich hergeschoben werden.
Mögliche Folgen von Prokrastination
😫 Stress und mentale Belastung
Prokrastination erzeugt oft Stress, da man weiß, dass Aufgaben unerledigt sind. Dies führt zu einer ständigen mentalen Belastung und kann die Lebensqualität beeinträchtigen.
🛑 Beeinträchtigung von Karriere und Bildung
Wer regelmäßig Aufgaben aufschiebt, gefährdet seine berufliche oder akademische Entwicklung. Verpasste Fristen und unerledigte Aufgaben können zu Leistungsabfällen und verpassten Chancen führen.
😤 Beziehungskonflikte
Prokrastination kann auch das soziale Leben beeinträchtigen, da sie Spannungen in Beziehungen erzeugt. Wenn Aufgaben vernachlässigt werden, die andere betreffen, führt dies zu Konflikten und Missverständnissen.
🤒 Negative Auswirkungen auf die Gesundheit
Chronische Prokrastination steht in Zusammenhang mit Schlafproblemen, einem erhöhten Risiko für Depressionen und einer schlechteren allgemeinen Gesundheit. Die ständige Verschiebung von Aufgaben erzeugt oft ein schlechtes Gewissen, das sich auf das Wohlbefinden auswirkt.
Prokrastination kann krankhaft werden
Laut Watzke-Otto neigt fast jeder Zweite in Deutschland zum Aufschieben. Nimmt die „Aufschieberitis“ allerdings überhand, beeinträchtigt das nicht nur den Alltag, sondern kann sogar krankhaft werden.
Der Psychotherapeut Stephan Förster erforscht an der Universität Münster das Krankheitsbild Prokrastination. Im Interview mit der Zeit erklärt er, dass im schlimmsten Fall nicht nur das Privatleben leidet, wie zum Beispiel durch Beziehungsprobleme oder finanzielle Sorgen. Krankhaftes Aufschieben kann auch physisch krank machen.
So haben Studien gezeigt, dass Prokrastinierer*innen häufiger mit Erkältungen, Magenproblemen und Schlafstörungen zu kämpfen haben. Es gibt zwar unterschiedliche Angaben dazu, wie viele Menschen tatsächlich unter krankhaftem Aufschieben leiden, Förster hält aber einen Schnitt von zehn Prozent der gesamten Bevölkerung für realistisch. Besonders häufig betroffen sind junge Männer und Studierende.
Hilfe gibts in der Prokrastinationsambulanz
Noch ist Prokrastination international nicht als Krankheit anerkannt. Genau daran wollen Förster und seine Kolleg*innen etwas ändern. Seit 2006 gibt es an der Uni Münster daher die Prokrastinationsambulanz. Hier wird diagnostiziert, beraten und an neuen Therapiemethoden geforscht.
Und das Team ist erfolgreich. Die Münsteraner Forscher*innen haben ihren Therapieansatz in einem Behandlungsmanual auch anderen Forschern zur Verfügung gestellt und so dazu beigetragen, dass es mittlerweile auch Beratungseinrichtungen in anderen deutschen Städten gibt, wie zum Beispiel in Berlin.
7 praktische Strategien zur Überwindung von Prokrastination
1. Selbstreflexion und Ursachenanalyse 🪞
Der erste Schritt zur Überwindung von Prokrastination ist es, die eigenen Gründe zu erkennen. Ein Prokrastinations-Tagebuch oder eine kurze Selbstreflexion helfen, die Auslöser für das Aufschieben zu identifizieren.
2. SMART-Ziele setzen 🎯
Durch die Anwendung der SMART-Methode (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert) lassen sich Ziele definieren, die motivieren und umsetzbar sind. Klare Ziele machen es einfacher, den ersten Schritt zu machen und dranzubleiben.
3. Techniken des Zeitmanagements 🍅
Methoden wie die Pomodoro-Technik (25 Minuten konzentriert arbeiten, 5 Minuten Pause), das Eisenhower-Prinzip (Priorisieren nach Wichtigkeit und Dringlichkeit) oder die ABC-Analyse (Einordnung der Aufgaben nach Bedeutung) helfen, Zeit effektiver zu nutzen.
4. Die 2-Minuten-Regel 🚀
Diese Regel besagt, dass man alle Aufgaben, die in zwei Minuten oder weniger erledigt werden können, sofort erledigen sollte. Das hilft, kleine To-dos aus dem Weg zu räumen und größere Aufgaben zu strukturieren.
5. Belohnungssysteme schaffen 🎁
Sich selbst für erledigte Aufgaben zu belohnen, stärkt die Motivation. Dabei kann es sich um eine kleine Belohnung (z. B. eine kurze Pause oder eine Tasse Kaffee) oder eine größere Belohnung (z. B. ein freier Nachmittag) handeln.
6. Umfeld optimieren 🏡
Ein aufgeräumtes und ablenkungsfreies Umfeld fördert die Konzentration. Ablenkungen wie Handy und soziale Medien sollten während der Arbeitsphasen minimiert werden.
7. Professionelle Hilfe 🛟
Wenn Prokrastination trotz aller Bemühungen weiterhin ein Problem darstellt, kann es hilfreich sein, sich an einen Coach oder Therapeuten zu wenden. Dieser unterstützt dabei, tief verwurzelte Muster zu erkennen und zu durchbrechen.
5 Tipps gegen Prokrastination
✅ Mach’ dir einen Plan
Prokrastination ist wie gesagt eine Gewohnheit. Und wir Menschen sind bekanntermaßen absolute Gewohnheitstiere. Überliste dich also selbst und breche ganz bewusst mit deinem Rhythmus. Am besten schreibst du dir schon am Abend vorher einen Plan mit den Aufgaben und der Reihenfolge in der du am nächsten Tag alles bearbeitest.
✅ Portioniere unangenehme Aufgaben
Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Auch die längste Reise beginnt mit einem einzelnen Schritt.“ Zerlege dir große Aufgaben oder Projekte immer in kleine Teilaufgaben. So kannst du sie Stück für Stück abarbeiten und hast immer wieder ein kleines Erfolgserlebnis.
✅ Sei nicht zu streng mit dir selbst
Perfektionismus und übertriebener Ehrgeiz sind absolute Motivationskiller. Es muss nicht alles perfekt laufen und auch Rückschläge oder Durststrecken sind ganz normal. Setze dir also möglichst realistische Ziele und erwarte nicht zu viel.
✅ Belohne dich selbst
Um die Aufschieberitis in den Griff zu bekommen, bedarf es sehr viel Selbstdisziplin. Du darfst also stolz auf dich sein, wenn du deinen inneren Schweinehund besiegt hast. Um die Motivation nicht zu verlieren, solltest du dich nach vollbrachter Arbeit also ordentlich belohnen.
✅ Finde einen Anfang
Theorie und gute Vorsätze bringen leider nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden. Die 72-Stunden-Regel etwa besagt, dass die Wahrscheinlichkeit eine Aufgabe zu erledigen auf unter ein Prozent sinkt, beginnt man nicht binnen 72 Stunden damit. Also warte keine drei Tage mehr, sondern starte durch – jetzt!
Fazit: Prokrastination erkennen und gezielt angehen
Prokrastination ist ein weit verbreitetes Phänomen, das sowohl kurzfristige Erleichterung als auch langfristige negative Konsequenzen bringen kann. Durch das Verständnis der Ursachen und das Anwenden gezielter Strategien lässt sich das Aufschieben jedoch erfolgreich bekämpfen. Wer die ersten Schritte zur Veränderung wagt und motiviert bleibt, kann langfristig von einem strukturierten und produktiven Leben profitieren.
Prokrastination - häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der Unterschied zwischen Prokrastination und Faulheit?
Prokrastination ist meist das Ergebnis eines inneren Konflikts oder anderer psychologischer Faktoren, während Faulheit eher als Gleichgültigkeit gegenüber der Aufgabe verstanden wird.
Warum ist es so schwer, Prokrastination zu überwinden?
Weil sie oft tief verwurzelte Verhaltensmuster und Ängste anspricht, die schwer zu durchbrechen sind.
Können bestimmte Persönlichkeitsmerkmale Prokrastination fördern?
Ja, Menschen mit hoher Selbstkritik oder Perfektionismus-Tendenzen neigen eher dazu, Dinge aufzuschieben.
Gibt es eine „gute“ Form der Prokrastination?
Manchmal kann Prokrastination auch zu neuen Ideen führen oder helfen, eine Aufgabe mit einem frischen Blick anzugehen. Dies sollte jedoch nicht zur Gewohnheit werden.
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