Mentale Gesundheit im Beruf

Emotionale Intelligenz – Was ist das eigentlich?

Softskills in der Bewerbung? Was emotionale Intelligenz ausmacht und warum sie im Arbeitskontext als wichtigste Kompetenz der Zukunft gehandelt wird.

Insa Germerott | Ruth Rottwitt

16.04.2025

Nahaufnahme blaues Auge

Amanda Dalbjörn via Unsplash

Nicht nur in unserem Privatleben in Beziehungen zu anderen Menschen spielt sie eine große Rolle, auch im Arbeitsalltag steht sie bereits als wichtigste Kernkompetenz der Zukunft zur Debatte: Emotionale Intelligenz ist in den letzten Jahren vor allem in Bewerbungsgesprächen zu einer ausschlaggebenden Größe geworden. Laut einer Studie des Psychologen und Bestseller-Autors Daniel Goleman mache sie sogar 50 Prozent der Bewertung eines/ einer Bewerber*in aus – Fachwissen und Intelligenzquotient würden dagegen jeweils nur zu 25 Prozent einfließen. 

Im ersten Teil zu diesem Thema erfahrt ihr, was emotionale Intelligenz eigentlich genau ist und warum sie im Arbeitskontext mittlerweile so wichtig ist. In der Fortsetzung gehen wir der Frage nach, ob man emotionale Intellligenz trainieren kann. 

5 Komponenten emotionaler Intelligenz nach Daniel Goleman

So beliebt der Begriff inzwischen ist, so „neu" ist aber auch das Konzept der emotionalen Intelligenz: Erst 1990 benannten der Psychologe John D. Mayer und der Sozialpsychologe Peter Salovey die Fähigkeit, eigene Gefühle und die der Mitmenschen wahrnehmen, verstehen und angemessen darauf reagieren zu können. Richtig berühmt wurde der Begriff aber erst fünf Jahre später, als der Psychologe Daniel Goleman 1995 seinen Bestseller "EQ. Emotionale Intelligenz" veröffentlichte. Heute ist emotionale Intelligenz ein Trendbegriff und besonders in der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken.

Goleman hat in seinem Bestseller fünf Kompetenzen definiert, die einen emotional intelligenten Menschen ausmachen und auf die heute in Unternehmen viel Wert gelegt wird:

1. Selbstwahrnehmung 

Menschen, die eine gute Selbstwahrnehmung haben, sind imstande, ihre eigenen Fähigkeiten, Gefühle und daraus resultierende Bedürfnisse bewusst wahrzunehmen und einzuschätzen. Das bildet die Grundlage für einen achtsamen Umgang mit sich und den eigenen Gefühlen sowie für die Kommunikation mit anderen über die eigenen Bedürfnisse. Im Arbeitskontext werden Menschen mit einer guten Selbstwahrnehmung aufgrund ihrer realistischen Selbsteinschätzung und guten Selbstorganisation geschätzt. 

2. Selbstregulierung

Die Fähigkeit zur Selbstregulierung bezeichnet eine bewusste Impulskontrolle. Menschen, die diese Fähigkeit besitzen, sind sich nicht nur ihrer Gefühle bewusst, sondern können auch steuern, wie sehr sie diese in einem bestimmten Moment nach außen treten lassen. Wichtig ist hierbei: Die Kompetenz sollte – gerade in Unternehmen – auf keinen Fall missverstanden werden, indem du deine wahren Anliegen und Gefühle immer für dich behältst. Es geht eher darum, impulsiv aufkommende Emotionen wahrzunehmen und zuerst einen Umgang damit zu finden, bevor man sie anderen kommuniziert. Gerade in Führungspositionen ist diese Kompetenz besonders wichtig, denn: Selbstregulierung sorgt für eine notwendige Professionalität, gerade auf Führungsebene, aber auch für eine angenehme Feedbackkultur und Arbeitsatmosphäre. 

3. Empathie

Empathischen Menschen fällt es leichter, sich in ihre Mitmenschen hineinzuversetzen und deren Gefühle sowohl wahrzunehmen als auch auf sie einzugehen. Empathische Menschen legen mehr Wert darauf, zuzuhören, nachzufragen, zu versuchen Gefühle zu verstehen und zu akzeptieren – jedoch ist das natürlich kein abgeschlossener Prozess. In einem Team ist diese Kompetenz besonders wichtig, denn sie sorgt dafür, dass ein gutes Arbeitsklima und ein Vertrauensverhältnis untereinander entstehen kann. Menschen mit viel Empathie wissen, wie sie Mitarbeitende und Kolleg*innen motivieren können und wie man gemeinsam Lösungen für Probleme findet. Für Führungspersonen spielt Empathie eine wichtige Rolle, da sie mithilfe dieser Kompetenz besser einschätzen können, wie es um die Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden steht. So können Führungskräfte nicht nur angemessen Verantwortung übernehmen, sondern Mitarbeitenden auch das Vertrauen entgegenbringen, eigenverantwortlich an Projekten zu arbeiten. 

4. Motivation

Die Motivation beschreibt bei Goleman den Umgang mit Stress und die Bereitschaft, erforderliche Handlungen umzusetzen. Dieser Begriff taucht heute auch oft als „Resilienz" auf und steht mittlerweile in der Kritik: Es ist wichtig, zu wissen, mit welchen Entspannungstechniken du Stress bewältigen kannst, um deinen Aufgaben nachgehen zu können, ohne dabei dauerhaft überfordert zu sein. Allerdings solltest du unpassende Rahmenbedingungen – gerade im Arbeitskontext – nicht langfristig mit den richtigen Bewältigungsmethoden hinnehmen, sondern eher etwas an den Arbeitsbedingungen ändern. 

5. Soziale Kompetenz

Die soziale Kompetenz bezieht sich darauf, sich selbst in verschiedenen Beziehungen zu anderen, als Teil einer Gesellschaft zu verstehen und sich dementsprechend rücksichtsvoll zu verhalten. In Unternehmen ist dieser Faktor speziell in Teams wichtig, um die eigene Rolle zu finden, mit allen Beteiligten respektvoll umzugehen, Belange der Kolleg*innen zu berücksichtigen und gemeinschaftlich Kompromisse finden zu können. 

Die vier Säulen emotionaler Intelligenz (nach Mayer & Salovey):

Während Daniel Goleman emotionale Intelligenz eher aus einer praxisnahen, anwendungsorientierten Perspektive betrachtet – mit Fokus auf Kompetenzen wie Selbstregulation, Empathie und soziale Fähigkeiten –, gehen John Mayer und Peter Salovey stärker auf die psychologischen Grundlagen ein. Ihre Definition umfasst vier Kernbereiche, die als kognitive Fähigkeiten verstanden werden können. Sie bilden gewissermaßen das Fundament, auf dem Golemans Modelle aufbauen.

  1. Wahrnehmung von Emotionen
    Die Fähigkeit, Emotionen bei sich selbst und anderen präzise zu erkennen – sei es durch Körpersprache, Stimme oder Ausdruck. Selbstwahrnehmung ist hier der erste Schritt.

  2. Verwendung von Emotionen
    Emotionen gezielt einsetzen, um Denkprozesse, Kreativität oder Entscheidungsfindung zu unterstützen. Gefühle werden dabei nicht als Störfaktor gesehen, sondern als Ressource.

  3. Verstehen von Emotionen
    Wer emotionale Zusammenhänge erkennt – z. B. wie Frustration in Rückzug oder Wut umschlagen kann – versteht besser, was Menschen antreibt oder hemmt. Das erweitert das Handlungsrepertoire im sozialen Miteinander.

  4. Umgang mit Emotionen
    Die Fähigkeit, eigene Emotionen zu regulieren und konstruktiv mit denen anderer umzugehen. Das bedeutet nicht, Gefühle zu unterdrücken – sondern sie bewusst zu steuern, um Situationen aktiv zu gestalten.

Vorteile emotionaler Intelligenz

Emotionale Intelligenz ist mehr als ein Buzzword – sie ist ein echter Gamechanger im Berufsleben. Studien zeigen, dass ein hoher EQ für die Teamarbeit oft entscheidender ist als ein hoher IQ. Wer seine eigenen Emotionen versteht und gleichzeitig empathisch auf andere reagieren kann, schafft nicht nur ein besseres Miteinander, sondern auch eine konstruktive, lösungsorientierte Arbeitsatmosphäre. Menschen mit ausgeprägter emotionaler Intelligenz agieren reflektierter, kommunizieren klarer, lösen Konflikte souveräner und bauen tragfähige Beziehungen auf – Qualitäten, die in modernen Arbeitswelten zunehmend an Bedeutung gewinnen. Besonders in Zeiten, in denen Diversität, psychische Gesundheit und zwischenmenschliche Dynamiken im Job zentraler werden, ist emotionale Intelligenz ein Schlüssel zu echter Zusammenarbeit.

Die Vorteile emotionaler Intelligenz im Überblick: 

✅ Bessere Kommunikation: Klarer, empathischer Austausch – auch in stressigen Situationen.

✅  Stärkere Teamdynamik: Vertrauen, Verständnis und Zusammenarbeit wachsen spürbar.

✅  Effektives Konfliktmanagement: Emotionale Spannungen werden früh erkannt und deeskaliert.

✅  Höhere Führungskompetenz: Authentische, reflektierte Führung schafft Sicherheit und Motivation.

✅  Mehr Resilienz: Der bewusste Umgang mit Emotionen schützt vor Überforderung und Burnout.

✅  Innovationsförderung: Psychologische Sicherheit regt zu kreativen Ideen und Offenheit an.

✅  Stärkere Bindung: Mitarbeitende fühlen sich gesehen, wertgeschätzt – und bleiben eher im Unternehmen.

9 Tipps, um emotionale Intelligenz im Alltag zu stärken:

💡 Lerne dich selbst besser kennen
Führe ein Journal, kläre deine Werte und finde heraus, was dich wirklich antreibt.

💡 Übe dich in Achtsamkeit
Beobachte deine Gefühle bewusst, ohne sie sofort zu bewerten oder zu unterdrücken.

💡 Stärke deine Empathie
Versuche, andere wirklich zu verstehen – besonders dann, wenn du ihre Entscheidungen nicht teilst.

💡 Hör aktiv zu
Sei voll präsent, wenn jemand mit dir spricht. Denk nicht an deine Antwort – hör einfach zu.

💡 Bleib flexibel
Passe dich an neue Situationen an, ohne deine Ziele aus den Augen zu verlieren.

💡 Verbessere deine sozialen Skills
Achte auf Gruppendynamiken und kommuniziere klar, offen und respektvoll.

💡 Nimm Feedback an – und fordere es ein
Sieh Kritik als Geschenk. Frage aktiv nach Rückmeldungen, um dazuzulernen.

💡 Löse Konflikte mit Köpfchen
Bleib ruhig, offen und lösungsorientiert – gerade in schwierigen Gesprächen.

💡 Reflektiere regelmäßig
Schau zurück: Was hat dich emotional bewegt? Und was kannst du daraus mitnehmen?

👉 Wir haben noch mehr Tipps, um emotionale Intelligenz zu trainieren

Wie du siehst, hat emotionale Intelligenz nicht nur viel mit deinem Einfühlungsvermögen und sozialen Kompetenzen zu tun, sondern vor allem auch mit dir und deiner Selbstwahrnehmung. Sei dir bewusst, dass alle deine Wahrnehmungen durch deine eigenen Erfahrungen geprägt sind und somit niemals objektiv sein können. Im Arbeitskontext werden Soft Skills und damit auch emotionale Intelligenz immer wichtiger: Höchste Zeit, an ihr zu arbeiten und bestmöglich vorbereitet ins nächste Teammeeting oder Bewerbungsgespräch zu gehen! 

 

Häufige Fragen zu emotionaler Intelligenz

Was ist emotionale Intelligenz?

Emotionale Intelligenz beschreibt die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen, zu beeinflussen und in sozialen Kontexten angemessen damit umzugehen.

Lässt sich emotionale Intelligenz trainieren?

Ja, emotionale Intelligenz lässt sich durch gezielte Übungen wie Selbstreflexion, Achtsamkeit, aktives Zuhören oder Feedbackkultur aktiv weiterentwickeln.

Warum ist emotionale Intelligenz im Arbeitsalltag so wichtig?

Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz kommunizieren klarer, lösen Konflikte souveräner, führen empathischer und stärken das Miteinander – zentrale Kompetenzen in modernen Arbeitswelten.

Was ist das Modell emotionaler Intelligenz nach Goleman?

Daniel Goleman unterscheidet fünf Hauptkompetenzen der emotionalen Intelligenz: Selbstwahrnehmung, Selbstregulation, Motivation, Empathie und soziale Fähigkeiten.

Welche Säulen bilden emotionale Intelligenz?

Nach Mayer & Salovey basiert emotionale Intelligenz auf vier Säulen: Wahrnehmung von Emotionen, Verwendung von Emotionen, Verstehen von Emotionen und Umgang mit Emotionen.

Was sind Beispiele emotionaler Intelligenz?

Beispiele sind: bewusstes Reagieren statt impulsives Handeln, empathisches Verhalten im Team, aktives Zuhören, respektvoller Umgang mit Kritik oder souveräne Konfliktlösung.