Diversität

Wie können wir diverser werden?

Unser Ziel von mehr gelebter Diversität im Team steht schon länger. Wir analysierten den Status Quo und legten erste Maßnahmen fest. Verfolgt unsere Schritte transparent mit.

Sarah Brunner

06.11.2020

Wie können wir diverser werden?

© Dstudio Bcn via Unsplash

“Wie können wir diverser werden?” – mit dieser Frage haben wir uns intensiv in den letzten zwei Monaten beschäftigt. Von unserem nüchternen Status Quo haben wir euch bereits hier berichtet. Ein bisschen Werbung auf unseren Social Media Kanälen und ein buntes Logo würde da zum einen nicht ausreichen und hat zum anderen nichts mit gelebter Diversität zu tun. Aber wo sollen wir anfangen? Welche umsetzbaren Maßnahmen gibt es überhaupt? Schnell wurde klar: Wir brauchen Hilfe! 

Auf unserer Suche nach Unterstützung stießen wir auf die ACI Organisation: eine Diversity Beratung für Unternehmen von Tijen Onaran mitgegründet, die bereits in unserem Geil Montag Podcast zu Besuch war und in unserem Magazin interviewt wurde.

Aller Anfang ist leichter mit einem Workshop

Zu Beginn zeigte uns unsere Workshopleiterin Linda Portraits von verschiedenen Menschen. Wir sollten aus einer Gruppe von jeweils drei Fotos intuitiv entscheiden, neben wem wir uns in einem Flugzeug setzen würden. Mithilfe einer anonymen Abstimmung kamen wir zu folgenden Tendenzen in unserem Team: eine lachende Person konnte die meisten überzeugen, dunkle Hintergründe und ernste Blicke hingegen schreckten ab und altersferne Menschen schienen für einen Großteil zu “uninteressant”.

Vermutlich sind diese Ergebnisse für die meisten von euch nicht besonders überraschend. Dennoch machen sie nochmal deutlich, dass wir unbewusst Personen in unserer Umgebung vorziehen, die uns auf den ersten Blick ähnlich sind. Im Freundeskreis mag das durchaus Sinn ergeben, wie sieht es dann aber beim Recruiting aus? Geben wir nicht unbewusst denjenigen Abzug, die uns zu alt, zu jung oder zu ungewöhnlich erscheinen?

Was bedeutet Diversität im Unternehmen?

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf schauten wir uns nochmal kurz an, was Diversität eigentlich bedeutet und warum selbst Unternehmen ohne jegliches gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein davon profitieren. 

Diversität bedeutet nicht einfach nur, dass Frauen und Männer gleichermaßen berücksichtigt werden, sondern kann in sechs Dimensionen aufgeteilt werden: 

• Geschlecht & geschlechtliche Identität
• Sexuelle Orientierung 
• Behinderung & Beeinträchtigung
• Religion & Weltanschauung
• Ethnische Herkunft & Nationalität
• Alter

Unternehmen verbessern durch ein vielfältiges Team unter anderem die Qualität ihrer Entscheidungen und erzielen eine höhere Innovationskraft. Dafür sorgen unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen, die durch eine breite Streuung innerhalb der sechs Dimensionen wahrscheinlicher sind. Trotzdem gibt es in Deutschland, dem Land das sich Innovation auf die Stirn geschrieben hat, immer noch große Defizite in der Arbeitswelt bis hin zu alltäglichen Diskriminierungen. Das geschieht schon durch mehrstöckige Büros ohne Aufzug oder dem sogenannten Mansplaining (wenn ein Mann einer Frau etwas innerhalb ihres Fachbereiches erklärt). Auch kommt es immer wieder vor, dass Bewerber*innen aufgrund ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung abgelehnt werden. Und nicht zu vergessen ist die vorherrschende ungleiche Bezahlung zwischen Männern und Frauen.

Niemand ist diskriminierungsfrei

Zudem gibt es einige diskriminierende Verhaltensweisen, die jede*r von uns unbewusst in sich trägt. Beim “First Impression Effect” bestimmt der erste Eindruck unserer Kommunikationspartner*innen den weiteren Verlauf – ob wir das wollen oder nicht. Noch gravierender ist es, wenn unterschwellige Vorurteile einer Person das Verhalten einer anderen Person beeinflussen. Expert*innen sprechen hier vom “Rosenthal-Effekt”.
Ein klassisches Beispiel dazu ist das Bewerbungsgespräch: geringe Erwartungen des*der Personaler*in wirken sich automatisch auf die Performance des Gegenübers aus. Quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung, die von anderen Personen mitgetragen wird. 
Manch einer mag sich vielleicht wundern, warum einige Menschen so stark unter unbeabsichtigten Fehlverhalten, wie die Frage nach der Herkunft, leiden. Dabei vergessen wir, dass insbesondere marginalisierte Personen diese sogenannten Mikroaggressionen beinahe täglich zu spüren bekommen. Eine einzelne diskriminierende Aussage schmerzt vielleicht nur kurz, wie ein Nadelstich. Ein immer wiederkehrendes Pieksen führt aber zu einem vergleichsweise hohem Leid. 

Es geht nicht darum, sich selbst von diesen Effekten befreien zu wollen; das wäre utopisch und würde letztendlich zum “Blind Spot Bias” führen (die falsche Annahme, selbst frei von Vorurteilen zu sein). Stattdessen sollten wir uns diese fast schon mechanischen Abläufe immer wieder bewusst machen und gegebenenfalls auch unsere Kolleg*innen freundlich darauf hinweisen. Einiges davon können wir sogar aktiv für uns nutzen, indem wir beispielsweise positive Erwartungshaltungen an unser Team herantragen.

Unser Diversitäts Status Quo

Nach diesem aufschlussreichen Exkurs ging es ans Eingemachte: wir sollten unseren eigenen Status Quo bei GoodJobs bewerten. Linda ließ uns dazu wieder anonym abstimmen. Auf einer Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 5 (voll vorhanden) sollten wir die Erfüllung verschiedener Diversitätsmerkmale bei GoodJobs einschätzen. Herausgekommen ist dabei ein eher unbequemes Ergebnis:

Im nächsten Schritt analysierten wir die einzelnen Punkte und identifizierten konkrete Mängel. Die Offensichtlichsten befinden sich auf der Ebene “Behinderung & Beeinträchtigung”. Zwischen unseren fünf Etagen verläuft nur eine steile Treppe. Behindertengerechte Toiletten? Leider noch Fehlanzeige! Unser Max Mustermann könnte auch eine Erika sein, ist vermutlich um die 30, deutsch und Hochschulabsolvent*in. Und da wir alle nur wenig von Max und Erika abweichen, erhalten wir nur wenige Punkte auf den Ebenen “Alter”, “Fachliche Hintergründe & Ausbildung” sowie “Ethnische Herkunft & Nationalität”.

Dafür glänzen wir in den Bereichen “Geschlecht & geschlechtliche Identität” und “Sexuelle Orientierung”. Hierzu können wir unsere geballte Frauenpower im Team zählen, aber auch die konsequente Durchführung einer gendergerechten Sprache auf unser Seite und den Social Media Kanälen. 

Mit Sicherheit sind wir bei der Bewertung sehr kritisch mit uns selbst ins Gericht gegangen, denn beim Rückblick auf unsere bisherigen Fortschritte fiel uns doch schon allerhand ein: die meisten unserer Texte und Inhalte sind inzwischen für Menschen mit Sehbehinderung zugänglich. Wir haben uns ein Feedback System aufgebaut, das auf Augenhöhe beruht und durch regelmäßige Feedback Momente neben gewaltfreier Kommunikation auch Wertschätzung fördert. Last but not least waren wir uns alle einig, dass wir bereits einen sehr offenen Umgang miteinander pflegen, der viel Raum für Veränderungen bietet.

Mit klaren Zielen zu einem diversen Unternehmen

Ein Workshop und das wars? Damit es nicht bei der bloßen Aufzählung von guten und schlechten Dingen bleibt, sammelte Linda mit uns Ideen für konkrete Maßnahmen. Hier durfte erstmal alles eingebracht werden, was uns in den Sinn kam. Wir stellten unter anderem fest, dass wir bereits mit kleinen Schritten wie mobilen Rampen unser Büro barrierefreier machen können. Mehrere Teilnehmende äußerten außerdem den Wunsch nach einer stärkeren Einbindung und Schulung der strategischen Führung – schließlich gehört das Thema zur Unternehmenskultur. Um unsere interne Kommunikation diskriminierungsfreier zu gestalten, kam der Vorschlag einer internen und anonymen Fallbeispielsammlung von Mikroaggressionen und wie man sie vermeidet, sowie die Erstellung visueller Plakate mit dem Gelernten. Zu guter Letzt wurde ein Kernteam mit fünf Freiwilligen zusammengestellt, dass sich in Zukunft intensiv um die Umsetzung kümmern soll, damit unsere gemeinsam erarbeiteten Ideen nicht im Sande verlaufen. Was uns vor allem nach dem Workshop klar ist: Diversity und Inclusion sind Themen, die eine Organisation “ein Leben lang” begleiten: sie erscheinen zu Beginn wie ein unbewältigbarer Berg an Arbeit, doch wenn der Anfang gemacht ist, stellt man schnell fest wie kleine Veränderungen schon viel bewirken können! 

Ihr wollt das Thema endlich auch bei euch angehen, wisst aber nicht wie? Dann meldet euch für das Workshop Angebot von ACI an und lasst euch gerne vorher beraten. Denn gerade bei den ersten Schritten empfiehlt sich eine professionelle Unterstützung von außen, die das ganze Team mitnimmt. 

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    Inklusion