Psychologie

Balsam für die Seele: Wie Selbstfürsorge Stress reduziert

Selbstfürsorge hilft, gesundheitlichen Folgen durch Doppelbelastungen im Arbeits- und Privatleben vorzubeugen und dient der Stressregulation.

Katharina Schuler

18.06.2020

Balsam für die Seele: Wie Selbstfürsorge Stress reduziert

© Vu Thu Giang via Unsplash

Vielzählige Belastungsfaktoren machen Selbstfürsorge wichtiger denn je. Sie hilft gesundheitlichen Folgen durch Doppelbelastungen im Arbeits- und Privatleben vorzubeugen und dient der Stressregulation. Selbstfürsorge ist also kein Luxus, sondern ein Muss, um den Anforderungen des Lebens zu begegnen.

Selbstfürsorge als Basis

Im privaten wie beruflichen Umfeld wird immer mehr über Selbstfürsorge gesprochen. Sie spaltet die Lager: von esoterisch angehaucht über funktional bis elementar. Was aber verbirgt sich hinter dem Konzept? Wie gelingt Selbstfürsorge? Und was bringt sie wirklich? Das Fazit vorweg: Sie ist das Fundament des gut mit sich und gut mit anderen Seins eines ausgeglichenen Lebens.

Positive Selbstzuwendung

Die Psychotherapeutinnen Luise Reddemann und Friederike Potreck-Rose definieren Selbstfürsorge anhand eines Dreiklangs: 
1. Sich selbst wertschätzend zu begegnen
2. Das eigene Befinden und die eigenen Bedürfnisse wahr- und ernst zu nehmen und 
3. Einen aktiven Beitrag zum eigenen Wohlergehen zu leisten. 
Demzufolge ist Selbstfürsorge also sowohl eine Haltung als auch ein Verhalten sich selbst gegenüber.

Was mir guttut

So individuell wie das Selbst ist, so sind auch die Möglichkeiten der Selbst-Zuwendung. Ähnlich wie bei Mutproben ist es schwierig – wie so oft im Leben – anderen Personen zu sagen, was für sie „das Richtige“ ist. Für den einen ist der Sprung vom Zehner der reinste Horror, für die andere ein angenehmer Nervenkitzel. Genauso ist es mit der Selbstfürsorge: Während eine Person Meditieren als selbstfürsorglich erlebt, steigert es bei einer anderen das Stresslevel vielleicht sogar noch. Daran wird deutlich, warum es so wichtig ist, sich mit den persönlichen Kraftquellen auseinanderzusetzen.

Das perfekte Match

Um herauszufinden, was uns guttut, ist es bedeutsam, die dahinter liegenden Bedürfnisse kennenzulernen. Nach Klaus Grawe wird zwischen vier psychischen Grundbedürfnissen unterschieden: Lustgewinn und Unlustvermeidung, Orientierung und Kontrolle, Bindung und Zugehörigkeit, Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz. Wenn wir eine persönliche Liste mit Selbstfürsorglichkeiten entwickeln, kann es daher hilfreich sein, zu überlegen, welches Bedürfnis durch welche Wohltat befriedigt wird. Uns wird klar, warum der Kaffee am Nachmittag nicht nur der Koffeinzufuhr, sondern auch dem Lustgewinn, dem Genuss dient. Wenn unser Selbstwert aufgepäppelt werden will, hilft der Kaffee weniger, ein Telefonat mit dem Großvater, der uns immer sagt, wie stolz er auf uns ist, hingegen schon. 

Stellschrauben kennen

Indem wir uns und unsere Bedürfnisse besser kennenlernen, verhindern wir Frust à la „Ich mache doch schon jeden Tag autogenes Training, warum bin ich immer noch gestresst?“ Vielleicht wäre der Feierabenddrink mit den Kolleg*innen wirkungsvoller, weil es nicht Ruhe ist, sondern ein Gefühl von Zugehörigkeit, das wir brauchen. Jedes Grundbedürfnis hat mehrere Stellschrauben, sodass wir die Strategie wechseln können, wenn der Großvater zum Beispiel nicht erreichbar ist. Dann haben wir die Möglichkeit etwas anderes zu tun, das wir gut können, das uns nicht viel Energie kostet und das uns selbstwirksam fühlen lässt.

Selbstfürsorge – für sich selbst sorgen

Die Etappen auf dem Weg zu geringerem Stresserleben heißen also: Selbstwertschätzung, Selbstwahrnehmung, Selbstkenntnis und Selbstverantwortung. Wenn ich mich selber für schützenswert halte, achtsam mein Befinden wahrnehme, um meine Bedürfnisse und Ressourcen weiß, Gestaltungsspielräume nutze und Wohltuendes integriere, sorge ich gut für mich selbst. Und wer könnte besser wissen, was ich brauche als ich selbst?

Selbstcoachingfragen

1. Wann habe ich mir zuletzt etwas Gutes getan? 

2. Was war es? Vielleicht ein Spaziergang, ein heißes Bad, ein Cappuccino mit Kakaopulver, ein Telefonat mit einem*r guten Freund*in oder ein Mittagsschlaf?

3. Wie oft mache ich etwas dieser Art?

4. Wie kann ich Wohltuendes regelmäßig in meinen Alltag integrieren?

5. Wie kann ich mich selbst daran erinnern?

6. Wie kann ich selbst dazu beitragen, dass er mir gut geht?

Impuls

Lege dir eine persönliche Selbstfürsorgeliste an. Wähle einen Titel, der dir passend erscheint: „Was mir guttut“, „Schatzkiste“, „Balsam für die Seele“ oder etwas anderes, was dir gefällt. Notiere auf deiner Liste nun zum Beispiel täglich eine Selbstfürsorglichkeit – egal ob klein oder groß. Erweitere sie nach und nach um Wohltaten, die dein Wohlbefinden steigern. Du wirst sehen, täglich entdeckst du neue Möglichkeiten der Selbstzuwendung und bald hast du einen großen Fundus, aus dem du schöpfen kannst, um aufzutanken.

Zum Weiterlesen

Muri, F. Selbstfürsorge. Die 7 Geheimnisse des liebevollen Umgangs mit dir selbst. (2019). Integral.
Neff, K. Selbstmitgefühl. Wie wir uns mit unseren Schwächen versöhnen und uns selbst der beste Freund werden. (2012). Kailash. 
Dahl, C. Ein Plädoyer für mehr Selbstfürsorge. Prävention und Gesundheitsförderung 13, 131–137 (2018).
Grawe, K. Psychologische Therapie. (2000). Göttingen: Hogrefe


Katharina Schuler arbeitet als Psychologin und Beraterin mit Klient*innen zu Themen der beruflichen Orientierung und persönlichen Entwicklung. Ihre Mission: Menschen auf dem Weg zu mehr Selbstkenntnis, mehr Wachstum und mehr Sinn zu begleiten. Sie liebt den Zauber von Veränderungen und Neuanfängen!