Warum engagierst du dich für Feminismus Julia?
Sinnvolles Tun ist mehr als nur Lohnarbeit - deshalb sprechen wir mit Aktivist*innen über ihre Beweggründe. Diesmal mit Julia, die sich auf Instagram für Feminismus und gegen sexualisierte Gewalt engagiert.
Julia (@trinksaufmich auf Instagram)
Hi Julia! Stell dich doch mal vor.
Ich habe gerade mein Bachelorstudium (Lehramt Deutsch und Psychologie) in Wien abgeschlossen und beschäftige mich nebenbei seit circa vier Jahren auf meinem Instagramaccount @trinksaufmich mit politischen Themen wie Feminismus, sexualisierte Gewalt, Veganismus, LGBTQ-Rechte und Nachhaltigkeit.
Wie bist du zu deinem Instagramnamen gekommen?
Der Name ist eine Anspielung auf die Liedzeile: “Komm wir feiern uns selbst.” aus einem Song von UFO361. Ich fand das damals so cool, dass ich meinen Account danach benannt habe. Ich habe früher gern Deutschrap gehört, als ich jedoch begonnen habe, mich damit kritisch auseinanderzusetzen, habe ich auch hier patriarchale Strukturen und Gewalt gegen Frauen erkannt. Klar muss man sich fragen, ob solche Texte gefeiert und geteilt werden sollten. Mittlerweile ist der name aber auch ein Wiedererkennungsmerkmal für mich.
Was bedeutet Aktivismus für dich? Würdest du dich als Aktivistin bezeichnen?
Ich verstehe unter Aktivismus nicht nur Engagement auf Social Media, sondern auch auf Demonstrationen zu gehen und offline ganz viele Dinge zu organisieren und zu verändern. Die Selbstbezeichnung als Aktivist*in bringt häufig sehr viel Druck von außen mit sich, sich zu quasi allen Themen zu positionieren. Ich bezeichne mich selbst gern als Polit-Influencerin, weil ich mittlerweile Geld mit meiner Arbeit auf Social Media verdiene, mir aber der politische Aspekt meiner Arbeit sehr wichtig ist.
Wie bist du dazu gekommen?
Vor Jahren wurde ich beim Feiern angesprochen, dass meine Freundin und ich so süß zusammen seien und sich die Person selbst nicht traut, sich zu outen und nicht weiß, was sie machen soll. Ich habe ganz lange mit ihr gesprochen und ein paar Tage später hat sie sich tatsächlich geoutet - mit einem Dankeschön für meine Hilfe. Das war der Auslöser, dass ich solche Themen öfter ansprechen wollte, auch online, um mehr Menschen zu erreichen.
Wie hast du zum Feminismus gefunden?
Früher in der Schule hatte ich eine Mitschülerin, die sich als Feministin bezeichnete - ich habe sie immer belächelt. Mit 18/19 habe ich regelmäßiger auf Social Media über die Diskriminierungen weiblich gelesener Personen mitbekommen und mich dann mehr damit auseinandergesetzt. Ich habe Bücher zu dem Thema gelesen, zum Beispiel “Untenrum frei” von Margarete Stokowski. Seitdem sehe ich auch überall die vorherrschenden patriarchalen Strukturen.
Was treibt dich an?
Ich bekomme täglich viel Zuspruch zu den diversen Themen, über die ich berichte. Ich sehe, dass man Dinge durch Social Media verändern kann. Wenn mir Menschen schreiben, dass sie früher Feminismus für voll unnötig hielten, jetzt aber viel mehr Bewusstsein dafür entwickelt haben und sich vielleicht trauen, etwas Kurzes anzuziehen oder feiern zu gehen, dann motiviert mich das sehr. Ich bekomme viele Nachrichten von Frauen, die lernen, dass sie an einem sexualisierten Übergriff nicht Schuld sind oder sogar den Mut gefunden haben, ihren Täter anzuzeigen - das sind für mich die schönsten Nachrichten, die ich bekommen kann.
Was sind für dich Vor- und Nachteile der Plattform Instagram?
Man kann so viele verschiedene Menschen erreichen: Ein großer Teil meiner Community kommt aus Deutschland, die würde ich ohne Social Media von Österreich aus gar nicht erreichen. Ich habe mal eine Hashtag-Aktion gestartet, in der es darum ging, zu veröffentlichen, in welchem Alter man sexualisierte Übergriffe erlebt hat - ohne konkrete Erklärungen natürlich. Da haben in kürzester Zeit wahnsinnig viele Menschen mitgemacht.
Was mich an Instagram sehr stört und demotiviert ist, dass sich der Algorithmus sehr stark gegen politische Inhalte stellt. Meistens sehen meine politischen Stories nur halb so viele Menschen als bei anderen Themen. Regelmäßig werden auch einfach Inhalte gelöscht - das fühlt sich gegenüber meiner Arbeit und dem investierten Aufwand nicht wertschätzend an.
Du bekommst auch sehr viele Hassnachrichten auf Instagram. Wie schaffst du es, dass dich das nicht psychisch auslaugt?
Ich konnte mich immer gut distanzieren. Ich habe gelernt, dass diese anonymen Reaktionen so nur online stattfinden und denke mir immer wieder, dass ich die App auch einfach löschen könnte. Das sind ‘nur’ Menschen aus dem Internet, die keinen Einfluss auf mein privates Leben haben. Wenn mich Nachrichten doch verunsichern, versuche ich mich immer wieder daran zu erinnern. Eine Art, mit respektlosen Nachrichten umzugehen, ist für mich, diese zu veröffentlichen und in meine Posts einzubinden, um die Alltäglichkeit dieser Diskriminierungen zu verbreiten. Neuerdings habe ich auch angefangen, auf solche Nachrichten mit Sätzen wie “oha bist du hübsch” zu reagieren. Das verunsichert die meisten und die Antworten sind ziemlich witzig.
Wie kommunizierst du mit Menschen, die dir konstruktive Kritik zu deiner Arbeit geben?
Ich bin ein geduldiger Mensch, ich halte sehr viel Kritik aus, wenn sie respektvoll ist. Im Internet ist es schwieriger als offline, gemeinsam auf einen Nenner zu kommen. Generell ist es mir wichtig, ruhig über Themen zu reden, meinen Standpunkt zu erklären und Bücher und Dokumentarfilme zu empfehlen.
Was ist etwas, das deiner Meinung nach Menschen (ver)lernen sollten?
Wir sollten in der Schule mehr von weiblichen Wissenschaftlerinnen und Schriftstellerinnen lernen. Das hat mich in meinem Lehramtsstudium echt schockiert, wie sehr das Bildungssystem in der Hinsicht männlich dominiert ist. Mädchen trauen sich nach der Schule viel weniger zu, weil sie hauptsächlich von Männern lernen.
Genauso sollte auch in der Schule, beziehungsweise auch einfach in diesem Alter, mehr über Menstruation und sexuelle Themen gesprochen und aufgeklärt werden.
Was wünschst du dir von unserer Community?
Hört weiblich gelesenen Menschen, beziehungsweise allgemein marginalisierten Personengruppen mehr zu und nehmt sie ernst. Häufig kommen Reaktionen wie: “Ich kann mir das nicht vorstellen”, “Ich meine das nicht so” oder “Für mich ist das nicht so, deshalb kann es für andere auch nicht so sein”. Ich finde, dass wir da alle offener sein und betroffenen Personen eher zuhören sollten, denn ihre Perspektive ist wichtig und richtig. Man muss nicht alles verstehen, aber alles akzeptieren.