Warum engagierst du dich bei der Klimaliste Kaja?
Sinnvolles Tun ist mehr als nur Lohnarbeit - deshalb sprechen wir in dieser Serie mit Aktivist*innen über ihre Beweggründe, Wünsche und Ängste.
Sinnvolles Tun ist mehr als nur Lohnarbeit - deshalb sprechen wir in dieser Serie mit Aktivist*innen über ihre Beweggründe. Diesmal mit der 25-jährigen Kaja Rahne, die sich spontan dazu entschieden hat, für die Klimaliste in der Berliner Landtagswahl zu kandidieren.
Hi Kaja, wann hast du zum ersten Mal vom Klimawandel gehört?
Ich habe als Kind mal einen Film auf KIKA gesehen, in dem ein Roboter-Alien auf die Erde gefallen ist und nur zurück konnte, wenn es genügend Energie geladen hat. Die Energie kam durch Früchte oder Gemüse, wobei die Kiwi sehr schlecht war und die Äpfel aus dem Garten ein wahrer Energie-Boost. Außerdem habe ich als Teenie mal das Buch “Euer schönes Leben kotzt mich an.” gelesen. Das beschrieb damals das zukünftige London von 2015, wo alle Menschen CO2-Budgets haben und Karten einlösen müssen. Das hat mich schon sehr für das Thema geöffnet.
Seit wann engagierst du dich fürs Klima?
So richtig angefangen hat das 2016. Da habe ich ganz bewusst auf meinen Plastikkonsum geachtet. Zero-Waste-Aktivistin und Original Unverpackt Gründerin Milena Glimbovski hat viele Informationen geteilt, dadurch kam dann das Bewusstsein. Ich war ziemlich schnell bei meinen ersten Demos und habe immer fleißig bei Campact alle Petitionen unterschrieben. Ich habe auch mit meiner Mutter mal beim Umweltministerium Unterschriften übergeben, um Glyphosat verbieten zu lassen.
Was treibt dich an, weiterzumachen?
Aktivismus ist kein Hobby, es ist super anstrengend. Es gibt Zeiten, in denen ich merke, ich schaffe gar nichts mehr, ich brauche einfach mal zwei Wochen, um in meinem Bett zu liegen. Einerseits habe ich Angst - ich fühle, dass wir ganz dringend was machen müssen und frage mich dann, ob die anderen aktiv werden, wenn ich nichts mache - das ist kein sehr schönes Gefühl. Wenn ich dann aber auf Aktionen bin, ist dieses Gemeinschaftsgefühl und der Austausch mit anderen Menschen super schön.
Wovor hast du Angst?
Ganz konkret davor, dass wir Krieg um Ressourcen haben. Wir bekommen gerade die katastrophale Situation in Afghanistan mit. Da geht es zwar nicht um Ressourcen, ich kann mir das aber sehr gut vorstellen. Ich habe eine vierjährige Stieftochter - wenn ich mir überlege, was die jetzt schon miterleben muss, macht mich das sehr traurig.
Du engagierst dich für die Klimaliste. Wie sieht das aus?
Ich kandidiere für die Bezirksversammlung im September für Tempelhof-Schöneberg. Ich stehe auch auf der Liste für das Abgeordnetenhaus, aber sehr weit unten. Das hat sich alles relativ spontan ergeben. Ich weiß noch, wie ich vor zwei Jahren bei einer Aktion das Gefühl hatte: “Mensch da bewegt sich richtig was!” Eine Woche später war (gefühlt) nichts mehr davon in den Nachrichten. Und dann habe ich darüber nachgedacht, dass ich eigentlich selbst Politik machen müsste - das war aber eher ein Hirngespinst. Nach einem sehr kritischen Gespräch in der Familie ist mir bewusst geworden, dass wir noch lange nicht alle Menschen erreicht haben, vor allem diejenigen nicht, die die nächste Wahl bestimmen. Dann habe ich der Klimaliste geschrieben und gesagt, dass ich kandidieren will, um ganz aktiv was zu tun. Jetzt all die Ängste und Sorgen der anderen in der Partei zu sehen und konkrete Lösungen mit dem Maßnahmenplan anzubieten macht es mir unverständlich, wie so viele Politiker*innen jahrelang quasi nichts bezüglich des Klimas gemacht haben.
Warum sollte eine kleine Partei wie die Klimaliste gewählt werden?
Die Grünen haben sich zwar dem Umweltthema verschrieben, sind aber schon seit geraumer Zeit an der Macht. Sie haben in ihrem Wahlprogramm keine konkreten Maßnahmen für die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels und haben das auch trotz der Dringlichkeit des Themas nicht geändert. Die Klimaliste macht ihnen Druck, konkreter zu werden. Ich denke, dass das Klimaministerium ein Ergebnis dessen ist. Das ist schon ein großer Gewinn!
Parteien sind in den ersten zehn Jahren, in denen sie gewählt werden, am produktivsten und am effektivsten, vertritt unser Gründer Antonio Rohrßen. Also kann es super sinnvoll sein, eine kleine Partei zu wählen. So stand bei uns auch mal im Gespräch, ob wir in unsere Satzung schreiben, dass wir nur zehn Jahre existieren. Ich meine, wie lange sind die großen Parteien jetzt schon an der Macht und es passiert quasi nichts. Im Bezirk muss auch nur eine Hürde von drei Prozent erreicht werden, was für uns mehr als realistisch ist. Jetzt gerade finanzieren wir uns komplett aus der eigenen Tasche und durch Spenden. Ab einem Prozent der Stimmen erhalten wir finanzielle Unterstützung - 0,83 cent pro gültiger Stimme jährlich bis zur nächsten Wahl vom Staat. Für die ersten vier Millionen Stimmen erhöht sich der Beitrag auf 1 Euro.
Was sagst du zu Kompromissen in der Politik?
Es ist Quatsch, schon mit sanften Forderungen in die Wahl zu starten, weil “ja eh Kompromisse gemacht werden”. Gerade weil es eh nicht so umgesetzt wird, wie gefordert, weil eine Einigung nötig ist, sollten wir doch noch viel härter etwas fordern. Wir würden gern auch mit allen “nicht-rechten” Parteien eine Koalition bilden - also ist uns natürlich bewusst, dass wir gemeinsam ins Gespräch kommen müssen. Viele Parteien haben gute Ansätze, wir müssen uns einfach zusammenraufen und die besten Lösungen ausgestalten. Politik ist kein Wettbewerb, wir gestalten zusammen, wie wir leben wollen. Das wird so oft vergessen.
Wir wollen Berlin bis 2030 klimapositiv machen. Um das zu erreichen, brauchen wir eben radikale Maßnahmen. Für mich ist es eher Verzicht, nicht zu handeln, statt Klimamaßnahmen umzusetzen. Es wäre toll, ganz entspannt mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren zu können, ohne auf die Straße oder vor dem großen Verkehr ausweichen zu müssen.
Wie kann mit Menschen über den Klimawandel gesprochen werden?
Offen über Ängste und Wünsche reden. Kein Mensch kann behaupten, dass es schön ist, an einer riesigen, befahrenen Straße in einem Café zu sitzen. Bedürfnisse sind wichtig, wie können wir alle abholen? Braucht der Mensch Unterstützung, um von A nach B zu gelangen und kann deshalb nicht aufs Fahrrad umsteigen, wie sieht es mit dem Verkehr auf dem Land aus? Sich gegenseitig zuzuhören, ist der wichtigste Schritt, auch wenn das von beiden Gesprächsparteien kommen muss. Manchmal weiß ich da auch nicht weiter. Vorleben ist aber immer das einfachste, um andere zu inspirieren, aber das reicht in der Politik natürlich nicht.
Ihr seid eine aktivistische Partei, was bedeutet das für euch?
Die meisten Mitglieder sind genauso Teil anderer Umweltorganisationen. Als Privatpersonen nehmen wir auch regelmäßig an Zivilem Ungehorsam teil. Extinction Rebellion fordert ja im Prinzip “nur”, dass sich an das Pariser Klimaabkommen gehalten wird. Da hat sich Deutschland zu verpflichtet, es passiert aber nichts. In einer Demokratie ist es unser gutes Recht, friedlich aufzuzeigen, wenn etwas falsch läuft - besonders wenn Demos und Unterschriften nicht mehr reichen, bieten sich andere Aktionsformen an. Die Angst und Friedlichkeit rechtfertigt das meiner Meinung nach.
Was würdest du als Bezirksverordnete als Erstes ändern?
Ich würde versuchen, den Berliner Ring autofrei zu gestalten und den ÖPNV auszubauen. Das ist so das Erste, was umsetzbar ist und schnell viele positive Auswirkungen für uns und die Umwelt hätte. Pflanzliche Ernährungsangebote in allen öffentlichen Einrichtungen würde ich auch einführen.
Wie sieht dein Alltag momentan aus?
Ich versuche relativ früh aufzustehen, um direkt etwas Arbeit für meinen Job in einer Kanzlei, den ich noch 30 Stunden in der Woche mache, zu erledigen. Ich schaue, dass ich eine gute Balance zwischen Priorisierungen in meinem Job und Klimalisten-Tätigkeiten finde. Oft gehen wir raus, um Plakate nachzuhängen, auf Veranstaltungen zu gehen oder zu flyern. Ich bin viel am telefonieren und aktivistische Arbeit läuft auch zum Großteil über Social Media: Dinge posten und mit Menschen in Kontakt treten. Aktivismus nimmt bei mir jetzt im Wahlkampf 20-25 Stunden wöchentlich ein. Jeden Tag ist irgendwas, da muss ich auch manchmal an mich denken und mir einfach Zeit für ein Buch, Animal Crossing oder Freund*innen nehmen.
Was sind deine Top-Tipps, um das Klima zu retten?
Wählen, Vernetzen und auf dich selbst achten - denn wenn wir uns selbst nicht schützen, ist dem Klima auch nicht geholfen.
Danke für das Gespräch Kaja!