Warum du den Job nicht bekommen hast – Aus Absagen lernen
Wir haben mit Personaler Philip Lehmann von SCC Events darüber gesprochen, worauf er in Bewerbungsprozessen besonders achtet und was Bewerber*innen aus Absagen lernen können.
Aleksandra Sapozhnikova via Unsplash
Wir haben mit Personaler Philip Lehmann von SCC Events darüber gesprochen, worauf er in Bewerbungsprozessen besonders achtet und was Bewerber*innen von Absagen lernen können.
Philip, mit welcher Grundeinstellung gehst du als Personaler in einen Bewerbungsprozess?
Jeder Bewerbungsprozess ist ein neues Abenteuer. Eine Reise auf die man sich begibt, ohne zu wissen, wo man landen wird. Ich gehe mit viel Freude und auch einer Portion Nervosität in den Prozess: Wen lernen wir kennen? Wie präsentieren wir uns? Wie präsentiert sich der*die Bewerber*in und können wir die gegenseitigen Erwartungshaltungen matchen?
Welche drei Aspekte sind dir bei Bewerber*innen am wichtigsten?
Gute Frage, denn Bewerber*innen bringen einen bunten Blumenstrauß an Erfahrungen, Qualitäten und Persönlichkeit mit. Ich glaube für mich, dass Ehrlichkeit, Natürlichkeit und ein offener Geist die Aspekte sind, auf die ich neben den anderen wichtigen Punkten am meisten achte.
Welche Fragen sollten sich Jobsuchende vor der Bewerbung stellen?
Ich bin davon überzeugt, dass die einzige Frage lauten sollte: Warum bewerbe ich mich? Denn oftmals ist das der Grund, der einen bewegt, eine neue Herausforderung anzugehen. Und dabei spielt es für mich keine Rolle, ob es das Gehalt, die Aufgaben, der Arbeitsort, das Arbeitsmodell, die Herausforderungen, die Veränderbarkeit oder etwas anderes ist. Denn alle diese Faktoren münden in einer ganz individuellen und ehrlichen Art in dem Menschen, der sich bewirbt. Diesen Menschen möchte ich kennenlernen, denn eine Stellenausschreibung kann nur begrenzt darüber Auskunft geben, was wir als Unternehmen in unserer Spezialität suchen.
Wie viel Gehalt kann ich verlangen? Wie und wann kommuniziere ich meine Bedürfnisse und Wünsche?
Transparenz und eine ganz ehrliche Aussage ist immer gut. Wichtig ist, dass man im Vorfeld gut recherchiert, mal den Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit befragt, einen Gehaltsvergleich über die Branche und die Region aufstellt, sich mit einem klaren Kopf Gedanken macht und nicht zu hoch pokert.
Hier lebe ich immer den Grundsatz, je höher man einsteigt, desto höher sind die Erwartungshaltungen an einen selbst und dies kann zu unnötigem Stress führen. Wichtig ist, dass man dem Unternehmen vertrauen sollte.
Wir stellen im Rahmen des Prozesses immer die Frage, wo denn die persönlichen Bedürfnisse liegen. Hier kann ich nur raten, ehrlich und offen zu sein, das ist meist eine bessere Basis als nach 5 Runden festzustellen, dass man zwar so gut zueinander passt, aber das Gehalt weit auseinander liegt. Das ist für beide Seiten frustrierend und muss nicht sein. Auch hier der Tipp: einfach mal ansprechen und keine Scheu haben, Gehalt ist ein Thema und sollte auch seinen Platz finden.
Mein Wunschunternehmen kann mir nicht das Gehalt zahlen, dass ich möchte – wie gehe ich damit um?
Hier kann ich nur empfehlen, neue Wege zu denken und gemeinsam zu überlegen, wie ihr euch annähern könnt. Vielleicht könnt ihr Vereinbarungen treffen – zum Beispiel eine vorab definierte Gehaltsanpassung nach der Probezeit oder einer Weiterbildung. Auch hier gilt das Prinzip der Offenheit – denn nur dann können gemeinsame Wege gefunden und von vornherein auch eine gute und verlässliche Basis geschaffen werden. Wenn du trotz dessen nicht zu deinem Ziel kommst: Schau weiter und gib auch anderen Unternehmen eine Chance. Denn nicht immer ist das Wunschunternehmen auch das Unternehmen, was zu dir passt.
Gibt es für dich No-Go’s im Bewerbungsprozess oder Herangehensweisen von Jobsuchenden, die dich sofort abholen?
Ich finde Bewerbungen toll, die die Kreativität der*s Bewerbenden wiederspiegeln. Es darf laut und bunt sein, chaotisch oder strukturiert, es muss einfach zur Person passen. Es kann ein Video sein, ein Link zum Social Media Profil, egal in welcher Form - ich möchte den Menschen dahinter sehen und die Qualifikationen.
Ich würde es sogar richtig feiern, wenn mir mal ein Bote eine singende Bewerbung übermittelt. Was garnicht geht sind Bewerbungen, wo man schon im Vorfeld erkennt, das einem Schema gefolgt wird. Nur das Unternehmen wird ausgetauscht und ich lese genau das, was ich hören will und stelle dann aber fest, dass einfach kein Herz dahinter steckt.
Wie erlebst du verschiedene Menschen – zum Beispiel Altersgruppen in Bewerbungsprozessen? Was können wir daraus lernen?
Ich erlebe immer wieder eine bunte Mischung. Gerade bei den Bewerbenden meiner Generation (70er-Jahre) merke ich eine zögerliche Haltung, denn da schwingt oft Unsicherheit mit. Viele sind mehrere Jahre in Unternehmen gewachsen und sehen sich dann in einer für sie neuen Situation. Dabei müssen sie sich gar nicht verstecken, denn sie bringen unheimlich viel an Erfahrung mit, von denen wir profitieren können. Man merkt richtig, wenn man ihnen aus der eigenen Erfahrung erzählt und ihnen das Gefühl einer sicheren und für sie angenehmen Umgebung gibt, was für tolle Gespräche daraus entstehen.
Ich versuche auch, unser Unternehmen mit einer guten Mischung aus verschiedenen Menschen auszustatten. Die jungen Menschen sind wahnsinnig international ausgebildet, viele Stationen im Ausland, das finde ich gut. Hier merke ich aber manchmal noch den fehlenden Bezug zwischen Theorie und Praxis - klar, woher soll man das auch wissen, in den Hochschulen wird einem das auch nicht beigebracht. Aber ich finde es wahnsinnig erfrischend, in die Welt dieser Menschen einzutauchen. Und ich merke selbst, wir “Alten” können hier auch noch dazulernen. Generell sollten wir alle mit einem offenen Geist durch die Welt laufen, offen sein für Bewährtes und Neues.
Ich habe nach meinem Vorstellungsgespräch eine Absage erhalten. Wie gehe ich damit um?
Auf alle Fälle darfst du enttäuscht sein und auch Ärger empfinden - denn mal ehrlich, eine Abfuhr zu bekommen ist nie schön. Aber du kannst das auch ins Positive drehen. Daher empfehle ich immer, nach den Gründen zu fragen – oftmals sind diese nicht persönlich, sondern in der Natur der zu erfüllenden Aufgaben. Das Unternehmen hat es dann nicht geschafft, die Tätigkeiten gut zu transportieren und zu erläutern.
Aber auch sich selbst kritisch zu hinterfragen hilft: Habe ich den Ton getroffen, habe ich das was ich kann gut rübergebracht, war ich mit vollem Herzen am Start? Klar, ist alles einfacher gesagt und im Endeffekt sitzt das Unternehmen am längeren Hebel, weil es ja den Platz zur Verfügung stellt. Aber aus einer Absage entstehen Chancen und ich versuche immer, einen gute und verständliche Begründung zu liefern - auch hier ist Ehrlichkeit wichtig: warum nicht einfach direkt sagen, das der*die Bewerber*in nicht ins Team passt ohne dabei um den heißen Brei herumzureden?
Was gibst du abgelehnten Bewerber*innen mit auf den Weg, was sind Gründe für eine Absage?
In allererster Linie gebe ich ihnen ein “Danke” mit, denn sie haben sich Zeit genommen um sich bei uns vorzustellen. Wenn es sich anbietet und gewollt ist, gibt es ein Feedback zur Bewerbung, also wie war der Lebenslauf, wie haben wir das Gespräch empfunden, wo sehen wir absolute Pluspunkte aber auch Entwicklungspotenziale.
Oftmals gebe ich auch meinen Eindruck dahingehend mit, wenn ich merke, dass die Bewerbung auf einen anderen Themenschwerpunkt leidenschaftlicher abzielt. Oft bekomme ich da das Feedback, dass dieser Hinweis gebraucht wurde. Ich ermutige dazu, sich weiter zu bewerben, sich zu hinterfragen und sich kontinuierlich Feedback einzuholen. Und nur weil es bei uns nicht gepasst hat, passt es vielleicht woanders viel besser.
Kann ich mich guten Gewissens ein zweites Mal bei einem Unternehmen bewerben, bei dem ich abgelehnt wurde?
Warum denn nicht, du entwickelst dich ja weiter, veränderst dich und auch das Unternehmen durchläuft einen Prozess, in dem sich Anforderungen auch verändern. Wenn nachweislich Qualifikationen dazugekommen sind – egal welche – und diese dann zum Jobprofil und Unternehmen passen, ist das doch klasse. Voraussetzung ist aber, dass eine gewisse Zeit dazwischen liegt. Basis dessen sind ja auch immer die Gründe, die zu einer Ablehnung geführt haben. Ich persönlich schätze das sehr, wenn im Prozess eine eventuelle abgelehnte Erstbewerbung zum Gespräch kommt, da kann man wunderbar aufsetzen.
Danke für das Gespräch, Philip!
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