Karriere

Vegan als Beruf(ung)

Buchautorin und Aktivistin Anna-Lena Klapp erzählt, wie sie bei einer internationalen Ernährungsorganisation gelandet ist und gibt Tipps, wie Veganismus zur Berufung werden kann

Anna-Lena Klapp

28.07.2020

Vegan als Beruf(ung)

© Gemma Chua-Tran via Unsplash

Wenn das Herz für die vegane Bewegung schlägt, kommt nicht selten der Wunsch auf, auch in diesem Bereich zu arbeiten. Die Buchautorin und Aktivistin Anna-Lena Klapp erzählt, wie sie bei einer internationalen Ernährungsorganisation gelandet ist und gibt Tipps, wie Veganismus zur Berufung werden kann  

Wie funktioniert eigentlich Veganismus im Berufsleben? Ich meine damit nicht die Pflanzenmilchoptionen in der Büroküche oder deine Lieblingskollegin, die immer Gummibärchen ohne Gelatine kauft. Wenn dein Herz für die vegane Bewegung schlägt, kommt nicht selten der Wunsch auf, auch in diesem Bereich zu arbeiten. So bin ich jedenfalls bei einer internationalen Ernährungsorganisation gelandet, die sich für eine nachhaltige, pflanzenbasierte Ernährung einsetzt. Doch der Weg dorthin führte mich noch über ein paar lehrreiche Abzweigungen und holprige Gassen. 

Berufswunsch “irgendwas mit Medien”

Mein Berufswunsch nach dem Fachabi? Irgendwas mit Medien. Der Wunsch vieler planloser Jugendlicher erfüllte sich bei mir und ich absolvierte eine Ausbildung zur Medienkauffrau Digital und Print bei einem Zeitungsverlag in Kassel. Ich wurde übernommen und arbeitete dort noch eine Weile als Mediaberaterin. Zu dieser Zeit lebte ich bereits vegetarisch und stellte allmählich auf vegan um. Das ist jetzt 12 Jahre her. Neben meiner Tätigkeit als Mediaberaterin legte ich noch eine zweijährige Weiterbildung zur staatlich geprüften Kommunikationswirtin ab und hielt es irgendwann für eine gute Idee, in die schillernde Welt der Werbeagenturen einzutauchen. Ich fand eine Stelle als Marketingmitarbeiterin bei einer Agentur, die sich auf die Automotive-Branche spezialisiert hatte. Absolut nicht mein Thema, aber ich dachte mir, es sei ein guter Einstieg. Die innovativ wirkende Agentur stellte sich jedoch schnell als eingefahren und äußerst repressiv heraus, was mich sehr unglücklich machte. Das einzige, was mich zu dieser Zeit erfüllte, war mein veganer Blog und die regelmäßigen Informationsstände zum Thema Veganismus und Tierrechte, die ich mit anderen Aktivist*innen in der Innenstadt organisierte.  

Der Einstieg zum Ausstieg

Wir verteilten an zahlreichen Wochenenden kostenlos selbstgemachte vegane Snacks mit den dazugehörigen Rezepten und plauderten mit den Passant*innen über die Probleme, die der hohe Konsum tierischer Produkte verursacht. Die Kombination kam gut an. Allerdings merkte ich, dass ich bei Fragen zum Thema Gesundheit an meine Grenzen stieß. Was also tun, mit einem ungeliebten Job auf der einen Seite und einer Leidenschaft, die noch mehr Wissen benötigt, auf der anderen? Studieren gehen! Ich kündigte meinen Job und schrieb mich für den Bachelorstudiengang Ökotrophologie ein. Zurückblickend war die Agentur also mein Einstieg zum Ausstieg, worüber ich heute mehr als froh bin. Es gab zwar auch Vorlesungen und Seminare, durch die ich mich ganz schön quälen musste, aber im Großen und Ganzen fühlte ich mich genau richtig. Im vorletzten Semester stand ein Pflichtpraktikum an und meine erste Wahl fiel auf ProVeg, damals noch bekannt unter dem Namen Vegetarierbund. ProVeg ist heute eine der führenden internationalen Ernährungsorganisationen, die sich für eine nachhaltige pflanzenbasierte Ernährung einsetzen. Das Ziel ist es den weltweiten Konsum tierischer Produkte bis 2040 um 50% zu reduzieren. Ich bekam die Praktikumsstelle und zog nach Berlin, wo der Hauptsitz von ProVeg ist. 

Mir wurde klar: Hier gehör ich hin

Nach dem sechsmonatigen Praktikum war für mich klar: Hier gehör ich hin. Nicht nur die Arbeit war erfüllend und sinnstiftend, auch die Arbeitsatmosphäre war völlig anders als das, was ich zuvor kennengelernt hatte. Gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen ineinander waren plötzlich ebenso Teil meines Arbeitsalltags, wie die Anerkennung neuer Ideen und Denkansätze. Doch auf meiner Bucket List stand noch ein Masterabschluss. Also verließ ich Berlin vorerst wieder. ProVeg blieb ich während dieser Zeit als freie Mitarbeiterin in der Online-Redaktion erhalten. Zwei Jahre später, mit meinem Masterabschluss in der Hand, klopfte ich wieder bei ProVeg an die Tür und – als hätte es so sein sollen – genau zu dieser Zeit war eine Stelle als Fachreferentin für Ernährung und Gesundheit ausgeschrieben. Ich durchlief den Bewerbungsprozess und der Rest ist Geschichte. Seit 2018 wohne und arbeite ich wieder in Berlin. Außerdem bin ich weiterhin als freie Referentin und Autorin tätig. Im kommenden Herbst wird mein Buch “Food Revolte – ein vegan-feministisches Manifest” im GrünerSinn Verlag erscheinen. 

Viele Menschen, viele Inspirationen 

Doch meine Geschichte ist nur eine von vielen, die dazu inspirieren kann, wie vegan als Beruf(ung) möglich ist. Mein guter Freund Lars Walther, der Schauspieler und Synchronsprecher ist, hat zum Beispiel neben seiner Arbeit einen veganen Podcast gestartet. Mittlerweile zählt sein VeggieWorld-Podcast zu den größten und erfolgreichsten Podcasts zum Thema Veganismus im deutschprachigen Raum und stellt für Lars einen weiteren echten Job dar. Oder meine Freundin Jessica Wolf. Jessica war Angestellte in einer städtischen Behörde und reduzierte die Stunden, um ihrer Leidenschaft für die vegane Gastronomie nachzugehen. Was mit einer Stelle als Aushilfskraft begann, entwickelte sich dazu, dass sie mit ihrer Geschäftspartnerin Kristina Mohr das vegane Restaurant “Die Fette Beete” in Krefeld eröffnete und die beiden nun sogar Gewinnerinnen des deutschen Gastro-Gründerpreises 2020 sind. 

Vegane Leidenschaft mit fachlichen Kompetenzen verbinden 

Die Arbeit bei einer NGO wird meist mit den Bereichen Fundraising oder Campaigning assoziiert. Aber auch Umweltschutzorganisationen benötigen IT-Expert*innen, genauso wie Tierschutzverbände Buchhalter*innen suchen. Die Bandbreite an Berufen ist so divers wie die Organisationen selbst. Daneben bieten auch immer mehr Unternehmen vegane Jobs an. Egal ob Lebensmittelherstellung, Kosmetikvertrieb oder Startup-Bereich – wer seine vegane Leidenschaft mit fachlichen Kompetenzen verbinden kann, wird dank des steigenden Interesses am Thema Nachhaltigkeit und Veganismus sicher schnell fündig. In Berlin und Köln ist es seit 2016 sogar möglich vegan zu studieren. Die Fachhochschule des Mittelstands FHM bietet dort den Bachelorstudiengang “Vegan Food Management” an. 

Sei ein grünes Trojanisches Pferd

Dabei muss es nicht immer ein rein veganes Unternehmen sein. Du arbeitest in einer Bäckerei? Setz dich dafür ein, dass in eurem Gebäck Allergene wie Kuhmilch und Eier durch pflanzliche Alternativen ersetzt werden. Du bist Inhaber*in eines Friseursalons? Stell auf vegane, tierversuchsfreie Produkte um und erzähl auch deinen Kund*innen davon. Du planst Events? Integriere beim Essen vegane Optionen, das ist bei Großveranstaltungen ohnehin viel inklusiver und nachhaltiger. Sei ein grünes Trojanisches Pferd! Die sind für die Bewegung mindestens genauso wichtig wie die Aktivist*innen auf der Straße und in den NGOs. Egal für was du dich entscheidest, es gibt viele Wege, wie du deine vegane Berufung finden kannst.  

 

 

Artikel_Portrait Anna-Lena Klapp ist Ernährungswissenschaftlerin und arbeitet als Fachreferentin für Ernährung und Gesundheit bei ProVeg International in Berlin. Ernährung ist für sie politisch. Darüber schreibt die vegane Aktivistin auf ihrem Blog und in ihrem gleichnamigen Buch “Food Revolte”.