Ungerechte Bezahlung macht krank – doch Arbeitgeber können vorsorgen
Wer dauerhaft das Gefühl hat, im Job zu wenig zu verdienen, spielt mit seiner Gesundheit. Das bekommen vor allem Frauen zu spüren
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Mit den Worten „Die Last der Ungerechtigkeit“, beschreiben die Wissenschaftler der Hochschule Ravensburg-Weingarten die Ergebnisse ihrer Studie über den Einfluss subjektiver wahrgenommener Einkommensungerechtigkeit – und treffen damit wohl genau ins Schwarze.
Dass Geldsorgen das Risiko einer stressbedingten Krankheit erhöhen, ist schon länger bekannt. Die Ravensburger Forscher*innen haben aber jetzt herausgefunden, dass sich auch schon das bloße Gefühl, zu wenig Gehalt zu bekommen, negativ auf die Gesundheit auswirkt.
Gefühlte Ungerechtigkeit mit Folgen
Die Ergebnisse der Studie sind alarmierend. Das Risiko, an Diabetes, Depressionen oder Herzproblemen zu erkranken, erhöht sich um bis zu 70 Prozent bei Arbeitnehmern, die über einen längeren Zeitraum das Gefühl haben ungerecht bezahlt zu werden.
Die Langzeitstudie beruht auf den Aussagen von rund 5700 Erwerbstätigen in Deutschland. Nur knapp die Hälfte der Befragten empfindet ihr Gehalt demnach als gerecht. Alle anderen fühlen sich, entweder dauerhaft oder zumindest über einen gewissen Zeitraum hinweg, unterbezahlt.
Zudem steigt die Gefahr aufgrund der eigenen Unzufriedenheit über das Gehalt zu erkranken, mit dem Beschäftigungsumfang. Mit zunehmendem Zeitaufwand nimmt demnach auch der Stellenwert des Einkommens zu.
Frauen stärker betroffen als Männer
Besonders gefährdet sind vollzeitbeschäftigte Frauen. Ihr Risiko, aufgrund von ungerecht wahrgenommener Bezahlung zu erkranken, ist deutlich höher als bei ihren männlichen Kollegen.
Warum sich der Effekt bei Frauen so viel deutlicher auswirkt, hat laut den Forscher*innen mehrere Gründe. Zum einen gehen sie davon aus, dass Männer hauptsächlich auf akute Stressoren reagieren. Frauen sind hingegen besonders sensibel für chronische Stressoren – wie etwa das als ungerecht wahrgenommene Einkommen. Frauen scheinen zudem grundsätzlich mehr Wert auf gerechte Verfahren zu legen, wodurch sie Ungerechtigkeiten stärker belasten.
Doch auch strukturelle Ursachen scheinen einen Einfluss zu haben. Die seit Jahren geführte Diskussion über die Gender Pay Gap erinnert viele Frauen immer wieder an bestehende Einkommensbenachteiligungen. Das intensiviert die Ungerechtigkeitswahrnehmung und kann sich als zusätzlicher Stressor negativ auf die Gesundheit auswirken.
Chef*in, jetzt bist du dran!
Doch was tun gegen subjektiv wahrgenommene Ungerechtigkeit? Bei dieser Frage sind vor allem die Arbeitgeber*innen in der Pflicht. Sie müssen innerbetriebliche Möglichkeiten, die Ungerechtigkeitswahrnehmung zu verringern, stärker nutzen, um so ihren Angestellten die „Last der Ungerechtigkeit“ von den Schultern zu nehmen.
Ein erster Schritt ist es, die Angestellten stärker in den Lohnfindungsprozess einzubinden. Das fördert die Gerechtigkeitswahrnehmung und wirkt sich in Folge dessen auch positiv auf die Gesundheit aus. Außerdem führen transparente Verfahren bei der Gehaltsfindung dazu, dass die Lohnhöhe als weniger ungerecht empfunden wird.
Doch auch die Arbeitnehmer*innen selbst sind gefragt. Sich dauerhaft mit dem Stressor „unfaire Bezahlung“ zu arrangieren und dafür auch noch die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen, lohnt sich in keinem Fall. Wer das Gefühl hat, nicht gerecht behandelt zu werden, sollte daher nicht warten, sondern schnellstmöglich das Gespräch mit dem*r Chef*in und den Kolleg*innen suchen.