So geht’s endlich raus aus der Kohle
Die sogenannten Umweltweisen haben einen detaillierten Plan vorgelegt, wie Deutschland den vollständigen Ausstieg aus der Kohle schaffen kann.
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Auf internationaler Ebene ist sich die Politik in wenigem einig. Bei einem Thema stimmen aber (fast) alle überein: Der Klimawandel ist eine reale Bedrohung und seine Folgen müssen mit gemeinsamen Anstrengungen minimal gehalten werden. Deutlich wurde diese Einstimmigkeit auf den Klimakonferenzen in Paris und zuletzt in Kairo. Die Dringlichkeit scheint angekommen zu sein: In China wird die Kohleverstromung langsam rückläufig und in Indien steigt sie deutlich langsamer als bisher.
Was global gesehen nett erscheint, sieht bei unseren ambitionierten nationalen Klimaschutzzielen für 2020, 2030 und 2050 ganz anders aus. Natürlich kann man sich selbst auf die Schulter klopfen und damit rühmen, schon frühzeitig in erneuerbare Energie investiert zu haben und damit mit an deren globalem Erfolg beteiligt gewesen zu sein. Tatsache ist aber, dass die Klimaschutzziele für 2020 und 2030 womöglich nicht erreicht werden können. Sie sehen vor, bis 2050 die bundesweiten Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu reduzieren.
In den letzten acht Jahren kann Deutschland allerdings keine signifikante Verminderung der Treibhausgasemissionen verzeichnen. Mehr als ein Viertel stammt dabei aus der Verbrennung von Kohle, die in den letzten Jahren ebenfalls fast gleich geblieben ist. In seiner aktuellen Stellungnahme zu einem möglichen Kohleausstieg geht der Umweltrat sogar soweit zu sagen, dass Deutschland seinen internationalen Pflichten nicht nachkommt. Mehr noch: Das Beratergremium der Bundesregierung – vergleichbar mit den bekannten „Wirtschaftsweisen“, nur für Umweltfragen – fordert, Deutschland müsse schnellstmöglich mit einem Kohleaustritt zu beginnen.
Für alle, die jetzt sagen „Unmöglich!“ oder fast rhetorisch fragen „Wie soll das gehen?“, liefert der Umweltrat in der gleichen Stellungnahme einen ausführlichen Drei-Punkte-Plan, wie dieser längst fällige Ausstieg aussehen könnte. Zuallererst sollen bis 2020 die ältesten Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Die 10 darauffolgenden Jahre sollen die verbliebenen Kohlekraftwerke zwar noch zur Versorgungssicherheit am Netz bleiben, aber nur unter stark eingeschränkter Auslastung betrieben werden.
Kohleausstieg bis 2030 möglich
Ab 2030 sollen dann nach und nach auch die letzten Meiler komplett vom Netz genommen werden. Außerdem sollte die Regierung – wie es auch schon im Klimaschutzplan 2050 vorgesehen ist – eine Kohlekommission einberufen. Diese soll mögliche Maßnahmen entwickeln, wie der anfallende Strukturwandel sozialverträglich und mit positiver wirtschaftlicher Entwicklung vereinbart ablaufen kann. Denn was nach einem simplen Plan klingt, ist gar nicht so einfach umzusetzen.
Zu den Hauptsorgen bei einem völligen Kohleausstieg zählen die drohende Arbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Gefährdung ganzer von der Kohlewirtschaft abhängiger Regionen. Die Altersstruktur der Arbeiter in der Kohlewirtschaft weist einige Besonderheiten auf. In der Braunkohlewirtschaft sind zwei Drittel der Beschäftigten momentan älter als 46 Jahre, in der Steinkohlewirtschaft sogar noch älter. 2030 – wenn es bis dahin zu einem völligen Ausstieg aus der Kohle kommt – könnte also ein Großteil bis zur Rente in den Betrieben bleiben.
Insbesondere da in den letzten Jahren für Mitarbeiter ab 55 Jahren einige Frührenteprogramme angeboten werden könnten. Die restlichen 5000 bis 7500 Arbeiter bräuchten allerdings Umschulungsmaßnahmen. Zusätzlich müssten jährlich 300 bis 400 Ausbildungsplätze angeboten werden. Diesen Strukturwandel muss die Politik allerdings ernst nehmen und insbesondere frühzeitig aktiv gestalten. In Braunkohleregionen könnten so neue nachhaltige Zukunftspläne entstehen, von erneuerbaren Energien bis hin zur Elektromobilität.
Langfristiger Plan für Strukturwandel nötig
Ein langfristiger Plan der Regierung zum Kohleausstieg kann dabei Planungssicherheit bieten, für Unternehmen, Investoren und alle Mitarbeiter. Klingt aufwendig und vor allem teuer. Investiert man jedoch nur ein Viertel der derzeitigen Steinkohlesubventionen, könnte man zum Beispiel einen Strukturfonds für die Kohleregionen mit etwa 250 Millionen Euro im Jahr füllen.
Interessant an den Ausführungen des Umweltrates ist zudem, dass es für den Klimaschutz keine Rolle spiele, wann das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet wird. Alles was zählt, sei die Gesamtmenge an CO2, die wir freisetzen. Allerdings hat Deutschland dieses „Emissionsbudget“ schon längst überschritten, selbst wenn man erst den Ausstoß von Treibhausgasen nach 2015 berücksichtigt. Ohne drastische Emissionsreduzierungen lässt sich das 2-Grad-Ziel also nicht erreichen.
Dabei gilt: Alles, was nicht heute getan wird, muss in Zukunft mit noch höherer Dringlichkeit nachgeholt werden. Je später Deutschland mit dem Kohleausstieg beginnt, desto drastischer werden die Maßnahmen. Ein klarer Fahrplan für einen Kohleausstieg bei dem kein Mensch und keine Region vergessen wird, muss daher jetzt verpflichtend entwickelt werden. Daran lässt der Umweltrat in seiner Stellungnahme, die gleichzeitig genau diesen Fahrplan liefert, keinen Zweifel.