Diversität

Sagen statt meinen – Wie und warum wir gendern

Wir predigen gendergerechte Sprache, doch bei Jobtiteln nutzen wir das generische Maskulinum – bis jetzt. Warum wir das ändern und welche Effekte es hat.

Helena Rinke

21.05.2020

Sagen statt meinen – Wie und warum wir gendern

© Delia Giandeini via Unsplash

Vor Kurzem sorgte einer unserer Facebook Posts für große Aufregung. Es war ein Interview mit Friederike Kämpfe, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hannover, zum Thema gendergerechte Sprache. Es ging dabei unter anderem um die Frage, weshalb Menschen vor gendergerechter Sprache eigentlich so viel Angst haben. Der Gegenwind in unseren Kommentarspalten war enorm und es wimmelte von männlichen Kommentatoren, die uns viele denkwürdige Dinge an den Kopf warfen. Mit dabei war alles vom altbekannten Genderwahnsinns-Vorwurf bis hin zur “Vergewaltigung der Sprache”. Typische Totschlagargumente à la “Es gibt Wichtigeres” oder “So haben wir das schon immer gemacht” blieben auch nicht aus.
Was uns einerseits viel Traffic einbrachte, ließ uns mit einem mulmigen Gefühl zurück. Wer sind diese Menschen, weshalb haben sie eine solche Wut und wie trommeln sie sich in rasender Geschwindigkeit zum Trollen auf Facebook zusammen?
Außer der überirdischen Klickzahlen hatte das Ganze jedoch noch eine gute Seite: Wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon länger das Vorhaben die GoodJobs Webseite gendertechnisch aufzupolieren und das gab uns den letzten Schubs das Projekt nun umso schneller umzusetzen.

Gewohnheitssache oder unnötige Sprachakrobatik?

Viele Menschen halten gendergerechte Sprache für kompliziert, überflüssig und optisch nicht ansprechend. Es störe den Lesefluss, Frauen und andere Geschlechter seien sowieso immer mitgemeint und beim Anblick von Sternchen, Gaps und Doppelpunkten würden sich Goethe und Schiller im Grab umdrehen.
Gendergerechte Sprache als umständlich zu sehen, mag, wenn überhaupt, nur subjektiv stimmen. “Die Frage der Leserlichkeit wurde neulich in einer Studie untersucht. Demnach führen geschlechtergerechte Formulierungen nicht zu einem geringeren Verständnis.” berichtet Kämpfe im oben genannten Interview. Sie betont außerdem, ihr komme es “nicht so kompliziert vor, diese Art der Formulierungen umzusetzen. Ich glaube, das unterscheidet mich von den Leuten, die das Ganze kritisch sehen.” Der gute Lesefluss bei diskriminierungsfreier Sprache ist also vielleicht auch einfach, genauso wie der holperfreie Sprachfluss, simple Gewohnheitssache. Jede*r hat – entgegen der Meinung einiger Facebook-Kommentator*innen – doch nie ausgelernt. Irgendwann merkt man gar nicht mehr, dass man gendert und das geht schneller als gedacht. Ganz im Gegenteil, nach der Umgewöhnung fällt es viel mehr auf und schmerzt dem Grammatik-Herz, wenn nur das generische Maskulinum verwendet wird, besonders wenn sich auf das weibliche Geschlecht bezogen wird.

Warum mitmeinen ausschließt

Wissenschaftlich gesehen weiß man schon seit Jahrzehnten, dass gendern nicht überflüssig ist. Fragt man die Bevölkerung beispielsweise nach ihren Lieblingssportlern, so werden fast ausschließlich männliche Athleten genannt. Wird aber die weibliche Form hinzugenommen, so steigt die Anzahl der genannten Sportlerinnen deutlich. Durch das generische Maskulinum werden mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausgeschlossen, denn nicht nur Frauen werden sprachlich ignoriert, sondern auch inter*Personen und Menschen, die sich nicht in binäre Geschlechternormen einordnen. 

Warum Stellenanzeigen gegendert werden sollten

PROUT AT WORK ist eine selbstständige, gemeinnützige Stiftung, die sich für ein diskriminierungsfreies und offenes Arbeitsumfeld einsetzt, in dem Vielfalt wertgeschätzt und gefördert wird. In ihrem Leitfaden für gendergerechte Sprache im Unternehmen beziehen sie sich speziell auf Stellenanzeigen und weisen daraufhin, dass Studien zeigen, dass “Adressierung von Diversity und Vielfalt [...] auch auf NICHT-Betroffene attraktiver wirkt.” In einem weiteren Leitfaden für genderinklusive und -gerechte Sprache machen sie darauf aufmerksam, dass Sprache unsere Wahrnehmung prägt und Realität schafft: “Werden etwa in Stellenanzeigen ausschließlich die männlichen oder weiblichen Bezeichnungen (bspw. Ingenieur bzw. Krankenschwester) genannt, sind diese Berufsfelder weniger attraktiv für andere Geschlechter.” Wird nur das generische Maskulinum verwendet, so sind in unserem Kopf Frauen eben nicht mitgemeint. 
Das bedeutet, “mitmeinen” anhand des generischen Maskulinums verliert seine Bedeutung, erfüllt nicht die Mission der Inklusion und verfehlt daher leider völlig das Ziel. 

Unser Weg zum Sternchen

Generell verwenden wir bei GoodJobs um zu gendern das Sternchen. Dafür haben wir uns entschieden, da seine in alle Richtungen zeigenden Zacken die zahlreichen Geschlechtsidentitäten repräsentiert. Die einzige Ausnahme war der Titel unserer Stellenanzeigen. Dort haben wir bisher aus SEO (Search Enginge Optimization) Gründen mit dem generischen Maskulinum und dem Nachschub (w/m/d) gegendert. Seit einiger Zeit ist uns das allerdings ein Dorn im Auge. Zwar sind wir durch den in Klammern stehenden Nachtrag rechtlich abgesichert, langfristig wollten wir dennoch auf eine sprachlich inklusive Lösung hinarbeiten. Als Jobplattform für nachhaltige Jobs mit Sinn fühlen wir uns in der Verantwortung, unser Weltbild nicht nur zu predigen, sondern es auch vorzuleben.
Für die Entscheidung und unseren Weg zu mehr sprachlicher Inklusion waren uns außerdem folgende Punkte wichtig:
 
1. Die Einheitlichkeit der Jobplattform sollte gewahrt bleiben, d.h all in or nothing. Entweder werden alle Jobtitel mit Sternchen gegendert oder keiner
2. SEO Aspekte sollten dennoch beachtet werden und in die Entscheidung mit einfließen
3. Die Interne Mitsprache, Einigkeit und Kenntnis über die neue Formulierung
4. Das Kund*innen Feedback zu Herzen nehmen
5. Die rechtliche Absicherung

Wir wollten sicherstellen, dass wir in Suchanfragen auch gefunden werden, denn leider ist der Google Algorithmus frauenfeindlich. Gibt man bei der Suchmaschine das generische Maskulinum ein, so erscheinen weibliche Formen erst ganz weit unten in den Ergebnissen. Das heißt, dass es inklusiv gegenderten Stellenanzeigen droht, durch die Suchfunktion schlechter gerankt und damit schwerer gefunden zu werden. Allerdings ranken einzelne Jobanzeigen ohnehin nur gering und temporär. Das kommt daher, dass Seiten Zeit brauchen, um bei Google überhaupt erst zu ranken. Jobs sind aber immer nach ein paar Wochen schon wieder offline und verschwinden dann aus dem Index. Daher war dieser Faktor bei unserer Entscheidung nicht bedeutend genug, um an Inklusion einzusparen. Außerdem werden Jobs auf unserer Seite zum größten Teil ohnehin durch den aktiven Besuch auf unserer Website geklickt und nicht durch die Google Suchfunktion.

Nach einer Umfrage innerhalb des Teams, wurde sehr deutlich, dass auch intern der Wunsch nach einer inklusiveren Gender Variante herrscht. Auch Kund*innen hatten uns teilweise zuvor den Anstoß gegeben und (zurecht) auf ihre personalisierte Form bestanden. 

Unsere Allround Gender Formulierung sollte also von nun an die diskriminierungsfreie Variante mit dem Sternchen sein. Ohne Zusatz, denn der Stern schließt bereits alle Geschlechter mit ein. Um den Zusatz aber besten Wissens und Gewissens weglassen zu können, wollten wir uns rechtlich absichern. Dazu haben wir bei PROUT AT WORK angerufen, die dazu ein rechtliches Gutachten in Auftrag gegeben haben, und unsere gewählte Form als rechtlich diskriminierungsfrei bestätigt haben. Hier wurde uns versichert, dass das Gender-Sternchen wie der Gender_Gap wirkt und somit diskriminierungsfrei ist. “Beide Formen lösen das generische Maskulinum ab – und beenden die Unsichtbarkeit weiblicher und inter* Personen
sowie aller weiteren Personen, die sich nicht in binäre Geschlechternormen einordnen lassen wollen.”

Die entscheidende Stelle aus dem rechtlichen Gutachten hat PROUT AT WORK veröffentlicht. Darin wird bestätigt, dass es zulässig ist „in Texten zu Stellenausschreibungen und Arbeitsverträgen vollständig auf den sog. “Gender_Gap” umzustellen.“

So gendern wir die Jobtitel

Im besten Fall nutzen wir neutrale Formen wie Führungskraft, Head of Sales, Leitung, etc. oder den Gender_Gap in Form eines Sternchens (Mitarbeiter*in, Spezialist*in,...), der alle Geschlechter beinhaltet (andere Formen des Gender_Gaps sind beispielsweise Unterstrich, Doppelpunkt, Leerzeichen). Bei englischen Jobtiteln unterscheiden wir unter einer englischen Stellenanzeige und einer deutschen Stellenanzeige. Im Englischen sind fast alle Stellenbezeichnung per se geschlechtsneutral (Ausnahmen: Actor, Actress,...), deshalb handelt es sich bei englischen Stellenanzeigen stets um eine diskriminierungsfreie Variante. Dasselbe gilt bei deutschen Stellenanzeigen mit englischen Titeln, es sei denn es handelt sich um eingedeutschte Wörter wie Manager*in. Bei eingedeutschten Titeln verwenden wir die Sternchen Form. Falls nach alledem trotzdem noch Unsicherheiten unsererseits bestehen, dann verwenden wir das Kürzel (gn) für “geschlechtsneutral” hinter den Jobtiteln. Das kann vorkommen, wenn sich ein englischer Jobtitel in einer deutschen Stellenanzeige stark nach der männlichen deutschen Version anhört, zum Beispiel: Business Owner (gn).

Bei den auf GoodJobs ausgeschriebenen Stellenanzeigen werden also fortan nicht nur alle Geschlechter mitgemeint, sondern auch mitgesagt, denn wir stehen für die Gleichberechtigung zwischen Mann, Frau und allen dazwischen und außenherum. Das war kein Sinneswandel, sondern eine Anpassung unserer Kommunikation an unsere Mission die Welt zu einem besseren Ort für jede*n zu machen!
Zögert nicht mit Feedback, Hinweisen auf Fehler und Ideen – wir freuen uns über euer Mitwirken!