Social Impact

Mein GoodJob als Freiwilliger in der Humanitären Hilfe

Die Arbeitsbereiche von Freiwilligen sind vielfältig. Unser Kollege Finn berichtet von seinen Erfahrungen in der humanitären Hilfe im Großraum Thessaloniki in Nordgriechenland

Finn Hausdorf

30.08.2019

Mein GoodJob als Freiwilliger in der Humanitären Hilfe

© Finn Hausdorf

Die Arbeitsbereiche von Freiwilligen sind vielfältig und nicht immer miteinander zu vergleichen. Unser Kollege Finn berichtet von seinen Erfahrungen in der humanitären Hilfe im Großraum Thessaloniki in Nordgriechenland.

Wer bist du?

Hi, ich bin Finn. Als Mitglied der Good Impact Familie möchte ich die Gunst der Stunde nutzen, um euch aus der Realität von Freiwilligen in der humanitären Hilfe zu erzählen. Ob vor der eigenen Haustür oder im Ausland, die Nachfrage nach Freiwilligen ist hoch und das Angebot entsprechender Dienste auch. Aber wo anfangen?

Auf der Suche nach der passenden NGO

Die Suche nach einer geeigneten Organisation entpuppte sich als größere Herausforderung als zunächst gedacht. Nach einiger Zeit wurde ich auf die kleine NGO Intereuropean Human Aid Association aus dem Bereich der Graswurzelbewegung (Engl.: grassroots movement) aufmerksam. Es folgten meine Bewerbung und einige Kennenlerngespräche mit (ehemaligen) Freiwilligen und dann war mir klar: Die IHA und ich – das passt! Mit Hilfe der Freiwilligen von der Partnerorganisation Brückenwind wurden wir - also das Team neuer Freiwilliger – vorab für die Situation vor Ort sensibilisiert. Neben Theorie und Praxis lernten wir die Menschen, die uns für die kommenden Wochen und Monate begleiten würden, kennen. Danach machten wir uns auf nach Griechenland und fanden uns direkt in unserem neuen Hilfs- und Arbeitsumfeld wieder.

Der Alltag als Freiwillige*r 

Vor Ort glich keine Woche der anderen. Einen typischen Arbeitsablauf für die Freiwilligen gab es insofern nicht, als dass darauf geachtet wurde, uns Abwechslung zu schaffen und Erholung von Tätigkeiten zu ermöglichen. Wer sechs bis acht Stunden Klamotten sortiert oder 12 Stunden lang bei Projekten mit Geflüchteten hilft, weiß, dass Abwechslung und Erholung entscheidend für die physische und psychische Gesundheit sein können. Grundsätzlich konnten wir uns für Aufgaben in drei Projekten melden: Hilfe im Lagerhaus, Lieferfahrten und Geflüchtetenhilfe in einem von der Organisation gemieteten Haus in der Nähe eines Camps im Großraum Thessaloniki.

Das Lagerhaus

Im Lagerhaus werden hauptsächlich Nahrungsmittel, Klamotten und Hygieneartikel sortiert und gepackt, Bestellungen der IHA und anderer NGOs bearbeitet und für die Abholung beziehungsweise zur Lieferung vorbereitet. Ein Haufen Arbeit – denn Sach- oder Geldspenden werden von vielen verschiedenen Menschen aus unterschiedlichsten Teilen Europas versendet und treffen selten feinsäuberlich und kategorisiert ein. An dieser Stelle muss betont werden, dass Organisationen für fast alle Spenden dankbar sind, sofern diese angemessen sind, was beispielsweise die Sauberkeit von Klamotten angeht. Dass die Extravaganz von High Heels für Geflüchtete aus Camps, in denen viele Personen gemäßigt-konservativen Glaubens sind, keine Priorität haben, liegt anscheinend nicht ganz auf der Hand. Grundsätzlich gibt es aber auch für eher unpassende Spenden Verwendung, indem diese zum Beispiel in einem Secondhandladen getauscht werden können. Ja, und dann war da noch das Lagerhaus an sich: Ein schlechter Zustand der Bausubstanz, ein zwischenzeitlicher Brand und Schädlinge, wie Bettwanzen, erschwerten die Arbeit oder verursachten zusätzliche. Eine Tischtennisplatte sorgte hier immer mal wieder für Abwechslung und bot dem Team die Möglichkeit, ein bisschen Dampf abzulassen. Wir hatten viel Spaß, sodass unsere Lachfalten nach dem Freiwilligendienst bestimmt etwas tiefer geworden sind, auch wenn manches fordernd und negativ klingt.

Die Lieferfahrten

Waren die Bestellungen gepackt, belieferten wir andere Organisationen und kleinere Wohnprojekte in Thessaloniki. Bei dem Verkehr in der nordgriechischen Großstadt können Lieferfahrten schon mal zur Herausforderung werden. Aktuell gibt es in der 325.000-Einwohner-Stadt nur ein öffentliches Verkehrsnetz mit Bussen und noch keine entlastenden Bahnsysteme. Die 2000-jährige Geschichte der Stadt erschwert entsprechende Arbeiten an U-Bahnstrecken – denn wo gegraben wird, stoßen Arbeitende oft auf archäologisch Wertvolles mit der Folge, dass die Bauarbeiten über den anstehenden Grabungszeitraum gestoppt werden müssen. Verrückt, dass der Reichtum an Schätzen aus der Vergangenheit die Probleme moderner Städte verschärft.  
Auch deshalb waren Lieferungen außerhalb der Stadt stets eine willkommene Abwechslung, denn Nordgriechenland bietet in seiner natürlichen Vielfalt atemberaubende Panoramen. Klar, im Anschluss an diese Eindrücke während der Fahrt musste häufig schwer geschleppt werden, da beispielsweise ein Gabelstapler einzigartiger Luxus war. Besondere Erlebnisse an diesen Tagen waren Dankbarkeit und Unterstützung anderer Organisationen und Engagierter. Ein Austausch über Neuigkeiten, Herausforderungen und Lösungen machten diesen Teil der Arbeit ebenso hilfreich wie informativ. Es ist wunderbar, wenn Menschen einander helfen. 

Das Community Center

In der Region nordöstlich der Stadt Thessaloniki wurden mehrere Camps eingerichtet. Eines davon versorgten wir mit dem Nötigsten, wie Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln, Schlafsäcken und Zelten. Nichtregistrierte Flüchtende wurden hier mit einer Grundausstattung versorgt. Für die, die dann länger blieben, etablierten wir in einem Gebäude eine Art Einkaufssystem mit kostenlosen Wertmarken. Die Ausgabe dieser war an der Anzahl und dem Familienstand der Geflüchteten orientiert. So konnten wir trotz stark limitierter Quadratmeterzahl eine faire Ausgabe mit dem Gefühl des Bezahlens organisieren. In ähnlicher Form gaben wir Klamotten für die entsprechenden Jahreszeiten aus. Die Verständigung dabei erfolgte zumeist mit Händen und Füßen, denn nur mit den wenigsten Geflüchteten teilten wir eine gemeinsame Sprache. Und weil Sprache für die Integration in Gesellschaften eine entscheidende Hürde ist, organisierten wir zusätzliche Sprachkurse – zunächst in Englisch – angepasst an das Sprachniveau der Geflüchteten. Um die Konzentration der Teilnehmenden mit Familien nicht zu stören, hatten wir eine kinderfreundliche Umgebung mit Spielzeug und Aktivitäten geschaffen. Für den tristen Alltag der Geflüchteten überlegten wir uns weitere gemeinsame Projekte und Events, wie das Herstellen von Möbeln und organisierten Fußballturniere. Auch wenn ein professioneller Abstand entscheidend für die Hilfe von Geflüchteten ist (keine leeren Versprechen, keine Besuche in den Camps), braucht es doch gewisse Gemeinsamkeiten, um Akzeptanz und Vertrauen zu fördern. In diesem Sinne ist das Handeln der Freiwilligen geprägt durch das Motto „Dignity First“, denn die Würde des Menschen ist unantastbar, in Ankunftsstaaten häufig vergessen und politischen Interessen untergeordnet, aber eigentlich Maxime fortschrittlicher Zivilisationen. 

Barrieren & Herausforderungen 

Politische Interessen, kulturelle Unterschiede, Folgen ökonomischer Ungleichgewichte und die Unberechenbarkeiten der Natur stellen das Spektrum an Herausforderungen für erfolgreiche Hilfe dar. Diese Gebiete lassen sich nicht trennscharf voneinander unterscheiden, vielmehr bedingen sie sich stark. Aber wie äußerten sich diese Ursachen konkret?
Drogenhandel, Prostitution (auch Minderjähriger) und kriminelle Vereinigungen wie Schleuserbanden etablierten sich. Diese organisieren Schmuggelfahrten an Zielorte. Um das Strafrecht auszutricksen, werden Jugendliche ans Steuer der Fluchtfahrzeuge gesetzt. Alkohol mindert ihre eigene Angst erwischt zu werden. Betrunken, ohne Führerschein und Fahrerfahrung können und wurden diese Fahrten auch während meines Aufenthaltes zu regelrechten Himmelfahrtskommandos.
Auch Rassismus folgender Ausprägung äußerte sich gegen Flüchtende. So wurden während meiner Zeit Schweineköpfe auf Masten an Essensausgabeorten gespießt: Ein Ausfluss nationalistischen Gedankengutes, der durch wirtschaftliche Schieflagen und populistische Interessensgruppen befeuert wird.
Herausforderungen hält zudem die Natur bereit. Als der plötzliche Wetterumschwung im November letzten Jahres den Norden Griechenlands traf, waren zuständige Behörden – trotz den Erfahrungen der vergangenen Jahre – nicht vorbereitet. Nicht nur der Staat war überfordert. Die hinzukommende schwindende Spendenbereitschaft erhöhte das Risikopotenzial bei kleinen NGOs wie der IHA, Flüchtende nicht mehr versorgen zu können.

Erfolge während meiner Zeit

Unter anderem deshalb sind eine angemessene Vorbereitung und Organisation besonders bedeutend und ermöglichen auch trotz großer Herausforderungen Überblick, Planungssicherheit und Zielorientierung. Nicht nur die Sensibilisierung vorab, sondern fortlaufend professionelles und operatives Projektmanagement stellen die Grundpfeiler wertvoller humanitärer Hilfe dar.
Dafür relevant sind der Zusammenhalt und der Glaube an das gemeinsame Ziel des Teams. Ob gemeinsame Ausflüge ins Olymp Gebirge oder Abende in der Stadt – Aktivitäten abseits der Herlfer*innenrolle fördern Gesundheit und Motivation. Übergeordnet wurde das Team in Nordgriechenland von Engagierten in Deutschland ergänzt, die stets einen Blick auf das große Ganze (nämlich der Entwicklung und Ausrichtung der NGO) haben. Ich möchte die Bedeutung von Fundraiser*innen und Spender*innen aus verschiedenen Winkeln dieser Erde hervorheben, die für materielle und immaterielle Sicherheit sorgten. Es ist allen Beteiligten gelungen, diese Aufgaben zu meistern.
Nur so war es uns möglich die Ankommenden bestmöglich zu versorgen, Sprachkurse zu bieten, einen „kinderfreundlichen Hort“ und ein Lagerhaus zu betreiben, Organisationen in Nordgriechenland das Nötigste bereitzustellen und Menschen ein offenes Ohr zu schenken. 

Und jetzt?

Mittlerweile bekomme ich vieles unter einen Hut. Derzeit arbeite ich an einem Vortrag zu europäischer Grenzpolitik und der Realität von Helfer*innen am Beispiel von Nordgriechenland. Außerdem bietet mir die Arbeit bei GoodJobs die Chance, Menschen auf der Suche nach ihrem persönlichen GoodJob zu helfen und potenzielle Bewerber*innen mit unseren GoodCompanies zusammenzubringen.

Also Leute, engagiert euch und checkt doch mal die Stellenausschreibungen im Bereich humanitäre Hilfe, Integrationsarbeit und Geflüchtetenhilfe, Nothilfe und Krisenmanagement, Pflege und soziale Arbeit oder schaut euch das Berufsfeld Fundraising an.

Ob freiwillig oder im tatsächlichen Beruf, die Möglichkeiten Menschen zu helfen sind zahlreich!