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Macht, was ihr wollt! Wie eine Firma Hierarchien mit einem Handbuch ersetzt

Valve hat eine ganz besondere Struktur, in der Mitarbeiter arbeiten dürfen, woran sie wollen. Es gibt keine Vorgesetzten – dafür aber ein ziemlich witziges Handbuch

Vincent Halang

11.05.2018

Macht, was ihr wollt! Wie eine Firma Hierarchien mit einem Handbuch ersetzt

© Jerry Kiesewetter via unsplash.com

Kurzer Nostalgie-Ausflug, Thema Computerspiele. Was war das früher für ein Erlebnis, CD ins Laufwerk, Installation gestartet, maximale Vorfreude – und dann erst einmal zwei Stunden warten. Und wie überbrückte man damals (vor 10, 15 Jahren) diese Zeit? Mit dem beigelegten Handbuch. Liebevolle Grafiken, detaillierte Erklärungen und faszinierende Hintergrundinfos. Kurzum: die perfekte Vorbereitung auf das, was da gleich kommt.

Mit digitalen Pre-Downloads, blitzschnellem Internet und aufwendigen In-Game-Tutorials sind gute Handbücher eine Seltenheit geworden in der Welt der Computerspiele. Aber eines zumindest dürfte so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden: das Handbuch für neue Mitarbeiter von Valve, der Firma hinter einflussreichen Spielen wie Counter Strike, Half Life oder Portal.

Bei Valve gibt’s maximal flache Hierarchien

Der US-amerikanische Spieleentwickler  hat sich nämlich die Zeit genommen, auf 56 Seiten eine detaillierte und extrem witzige Hilfestellung für alle neuen Kollegen zu geben. Und die ist bitter nötig. Denn bei Valve gibt es keine Chefs und jeder darf machen, was er will.

Das ist nicht einmal verkürzt oder grob gesagt, sondern steht genauso im Handbuch. Niemand bei Valve hat eine offizielle Berufsbezeichnung, es gibt zwar einen CEO – aber das wohl eher aus juristischen Gründen, ähnlich wie beim deutschen Unternehmen Premium Cola.

Einfach gesagt sucht man sich selbst aus, woran man arbeiten möchte. Hast du eine neue, eigene Idee? Dann, sagt Valve, rühr dafür die Trommel und such dir Mitstreiter, die das Projekt mit dir umsetzen. Ansonsten: Frag deine Kollegen, woran sie so arbeiten, und häng’ dich da dran, wo du gebraucht wirst oder wo du gerne arbeiten möchtest. Bei Valve haben auch alle Schreibtische Rollen an den Füßen, also ist das auch rein räumlich gar kein Problem.

Das System funktioniert – auch dank des Handbuchs

So absurd und absolut widersprüchlich zu jeder kapitalistisch-optimierten  Logik dieses System klingt, funktioniert es, auch 22 Jahre nach der Gründung von Valve. Mehr noch: Jedes Jahr wächst die Belegschaft um 10 bis 20 Prozent, das Unternehmen musste noch nie von Investoren Geld einsammeln und ist – vor allem dank seiner Steam-Plattform – zu einem der einflussreichsten Player auf dem Games-Markt geworden.

Doch gerade weil die Mitarbeiter bei Valve so vollständig eigenverantwortlich sind, ist das Handbuch umso wichtiger. Es schafft die dringend notwendige Orientierung, in einem Unternehmen, das auf den ersten Blick etwas chaotisch wirkt.  Und das Beste: Es macht das auf eine entspannte, ehrliche, witzige und komplett zur Firma passende Art und Weise.

Denn das Handbuch erinnert nicht nur im Aufbau an seine Kollegen, die Computerspielen beiliegen, sondern vor allem durch seine Gestaltung – handgezeichnete Charaktere inklusive.

„Let’s make great things“

Worum es in dem Handbuch geht, wird beispielsweise so beschrieben: „Mainly, it’s about how not to freak out now that you’re here.“ Gespickt mit dieser feinen Prise Humor, macht das gesamte Handbuch einen riesigen Spaß, bis zum Schluss, wo es in einem Glossar beispielsweise heißt: „WFH—Working From Home. What to do if a single snowflake falls out of the sky.“.

Daneben ist das Valve-Handbuch aber auch extrem hilfreich und vor allem ehrlich. Insbesonderedie ersten Seiten drehen sich detailliert um Fragen wie „Wie entscheide ich, woran ich arbeite?“, „Was ist mit all den Dingen, die ich nicht schaffe?“ oder wie projektinterne Strukturen aussehen. Es gibt auch ein ganzes Kapitel, was sich mit der Frage beschäftigt, worin Valve alles nicht gut ist, beispielsweise langfristige Planung oder interne Kommunikation.

Und warum macht Valve das alles? Um großartige Spiele und Produkte zu schaffen. Doch dafür, so steht es im Handbuch, brauche es einen Ort und eine Struktur, in der Großartigkeit auch wirklich gedeihen könne – und das gehe mit Hierarchien nun einmal nicht. Man wolle den Mitarbeitern so wenige Hürden wie möglich in den Weg stellen, damit diese sich selbst verwirklichen können – und genau dadurch auch tolle Produkte auf den Markt werfen.

Oder, um es mit dem Handbuch zu sagen: „Although the goals in this book are important, it’s really your ideas, talent, and energy that will keep Valve shining in the years ahead. Thanks for being here. Let’s make great things.“

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