Diversität

Kein Pinkwashing – Daran erkennst du LGBTQIA+-freundliche Unternehmen

Wie ihr Pinkwashing erkennt und was Unternehmen tun sollten, um die queere Community wirklich zu unterstützen, erfahrt ihr im Interview mit der UHLALA Group.

Helena Rinke

19.11.2021

pinke Wäscheklammern auf weißem Untergrund

Jess Bailey via Unsplash

Zu speziellen Anlässen wie dem Christopher Street Day oder dem Pride Month schmücken sich Unternehmen gerne mal mit der Regenbogenflagge und sprechen sich für die Rechte und Gleichstellung von queeren Personen aus. So weit so gut. Allerdings bleibt das oft die einzige Anstrengung und intern verharrt das Thema dann gerne weit hinten in der Prioritätenliste. 

Wieso dabei nicht nur die Bedürfnisse eigener LGBTQIA+ Mitarbeitenden auf der Strecke bleiben, sondern auch ein riesen Haufen unausgeschöpfter Potenziale zurückgelassen wird, erklärt Stuart B. Cameron, Gründer – CEO und Senior Consultant der UHLALA Group im Interview. Das LGBTQIA+ Sozialunternehmen bietet unter anderem Weiterbildungen für Unternehmen an, um sie dabei zu beraten, die Diversität in ihrer Kommunikation aber auch intern aktiv zu fördern und Inclusion wirklich zu leben.    

Hallo, Stuart! Was genau ist euer Daily Business bei der UHLALA Group?            

Grundsätzlich kann man sagen, dass wir uns mit unseren zahlreichen Projekten und Marken über die Grenzen Deutschlands hinweg für LGBTQIA+ Menschen im Berufsleben einsetzen.

Wir tun dies zum Beispiel durch Events, Workshops, Trainings, Audits, Zertifizierung, Öffentlichkeitsarbeit und Consulting. Damit unterstützen wir nicht nur die LGBTQIA+ Mitarbeitenden selbst, sondern auch Arbeitgeber*innen. Ihnen helfen wir dabei, ihre Mitarbeitenden zu fördern, neue Angestellte zu gewinnen und ihre Arbeitgeber*innenmarke in und außerhalb der queeren Community glaubwürdig zu stärken und bekannt zu machen.                    

Welche Vorteile hat ein Unternehmen durch eine LGBTQIA+ freundliche Kommunikation und/oder Aufstellung? Welche Potenziale bleiben bisher noch oft unausgeschöpft liegen?                    

Eine LGBTQIA+ freundliche Kommunikation oder Aufstellung hat viele Potenziale, sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Unternehmens. Mit einer diversen und offenen Unternehmenskultur sind ganz konkret wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen verbunden. Sie sind nicht nur innovativer, sondern auch wirtschaftlich erfolgreicher, als nicht diverse Unternehmen. Die Diversity Management Studie  der PageGroup von 2018 zeigt genau das. Zu den Erfolgen eines Diversity Managements – also der Förderung von Vielfalt in einem Unternehmen – zählen die Studienteilnehmenden zum einen die Erschließung neuer Märkte (17,7%), eine stärkere Kund*innenbindung (16,1%) sowie eine Steigerung des Umsatzes (9,7%). Außerdem hat eine diverse Aufstellung weitere Vorteile im Bereich Employer Branding und verschafft Vorteile beim Gewinnen von neuen Mitarbeitenden und jungen Talenten. Eine Untersuchung der BCG zeigt das ganz deutlich: wichtiger als das Gehalt ist queeren Bewerbenden in Deutschland, ob ein Unternehmen LGBTQIA+ freundlich ist oder nicht.                

Jede*r dritte LGBTQIA+ Mitarbeitende wird am Arbeitsplatz diskriminiert: Was sind eurer Erfahrung nach die “typischen” Situationen, in denen Mitarbeitende und Führungskräfte sich falsch verhalten?                    

Da gibt es viele Situationen und oft sind sich die Kolleg*innen und Führungskräfte darüber gar nicht bewusst. Es fehlt häufig an Sensibilität für das Thema. Oft beginnt es schon beim Vorstellungsgespräch. LGBTQIA+ Bewerbende haben eine 50% geringere Wahrscheinlichkeit zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, als ihre heterosexuellen Mitbewerbenden. Werden sie doch eingeladen, stellt sich für viele die Frage: Soll und kann ich mich outen und wie antworte ich auf Fragen zu meinem Privatleben oder zu ehrenamtlichem Engagement?

Im Job sind Smalltalk-Situationen oft der Ort, an dem Diskriminierung stattfindet oder in denen sich LGBTQIA+ unwohl fühlen. Wenn homophobe Witze gemacht werden, eine lesbische Frau wiederholt nach ihrem „Partner“ gefragt wird oder Personen wiederholt mit dem falschen Pronomen angesprochen werden, entstehen für LGBTQIA+ Mitarbeitende schwierige und bedrückende Situationen. Eine offene Unternehmenskultur und sensibilisierte Mitarbeitende und Führungskräfte tragen dazu bei, dass solche Situationen seltener auftreten und für LGBTQIA+ Strukturen geschaffen werden, an die sich sich im Fall einer Diskriminierungserfahrung wenden können.                        

Ihr helft Arbeitgebern dabei Vielfalt nicht nur zu kommunizieren sondern auch zu leben. Wie schafft es ein homogenes Unternehmen, Diversität aktiv zu fördern und dadurch vielfältiger zu werden?                    

Das Wichtigste und der erste Schritt muss es immer sein, vor der eigenen Haustür zu kehren. Es macht absolut keinen Sinn, eine großangelegte LGBTQIA+ Werbekampagne zu starten, wenn man intern gar nichts für diese Community tut. Deswegen ist der Ausgangspunkt die Erfassung des Status Quo. Eine Ist-Analyse ist sehr wichtig, damit die Unternehmen wissen, wo sie im Bereich LGBTQIA+ Diversity stehen. Wir bieten dafür beispielsweise unser LGBTQIA+ Diversity Audit an. Daran anschließend ist der nächste Schritt die Erarbeitung einer Diversity-Strategie, von der einzelne konkrete Maßnahmen abgeleitet werden können, die dann im Unternehmen umgesetzt werden.                    

Könnt ihr 2-3 explizite Tipps verraten, die jedes Unternehmen direkt umsetzen kann?                

Ein Schritt ist zum Beispiel das Verfassen von Stellenausschreibungen in inklusiver Sprache. Damit signalisiert man als Unternehmen Offenheit und auch, dass man sich mit dem Thema auseinandersetzt. Des Weiteren ist ein unternehmensinternes Bekenntnis der Unternehmensleitung zu Diversity und der Wertschätzung von LGBTQIA+ eine Möglichkeit als Unternehmen Flagge zu zeigen. Damit positioniert sich ein Unternehmen gegen Diskriminierung und legt den Grundstein für weitere konkrete Schritte und Maßnahmen. Das Festlegen von Sanktionen für diskriminierendes Verhalten am Arbeitsplatz ist ein weiterer, ganz konkreter Schritt. Auch damit bezieht man als Unternehmen ganz klar Stellung und zeigt Haltung gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie.                    

Wie genau kann Vielfalt schon in der Stellenausschreibung aktiv gefördert werden?

Eine Art, schon in Stellenausschreibungen auf das Engagement für Diversity hinzuweisen, ist über die Sprache. Ist eine Stellenausschreibung gendersensibel und inklusiv formuliert, so ist für potentielle Bewerbende sichtbar, dass das Unternehmen sich an unterschiedliche Bewerbende richtet und auf individuelle Lebenssituationen eingeht und diese wahrnimmt. Zum anderen können in einer Stellenausschreibung deutliche Signale gesendet werden. Etwa, in dem man ein kleines Statement einschließt, oder LGBTQIA+ und andere marginalisiert Gruppen explizit zu einer Bewerbung auffordert und ermutigt. Zuletzt kann ein Unternehmen in Stellenausschreibungen auch direkt nennen, was es für Diversity tut. Das kann etwa ein Verweis auf ein firmeninternes LGBTQIA+ Mitarbeitenden Netzwerk sein, oder bestehende Schulungsangebote. Alle drei Punkte senden ein deutliches Signal an potentielle Bewerbende und erhöhen die Chance auf einen diversen und vielfältigen Bewerbendenkreis.                    

Gibt es so etwas wie ‘Greenwashing’ auch auf Diversitäts Ebene?

Leider gibt es so etwas in der Tat. Das nennt sich dann Pinkwashing. Ein Teil der Unternehmen nutzt den Regenbogen als reines Marketinginstrument, das pünktlich zur Pride-Season herausgeholt wird, um so die relevante Zielgruppe zu erreichen.

Pinkwashing ist die Bezeichnung für eine Strategie, durch Identifizierung mit der LGBTQIA+-Bewegung bestimmte Produkte, Personen, Länder oder Organisationen zu bewerben, ohne sich wirklich für die Community einzusetzen. Die Unternehmen wollen dadurch modern, fortschrittlich und tolerant wirken. Gleichzeitig werden intern queere Menschen aber oft weiterhin bewusst oder unbewusst benachteiligt und der wirtschaftliche Profit steht im Vordergrund.   

Hattet ihr schon hoffnungslose Fälle und/oder Unternehmen, die ihr ablehnen musstet? Oder bietet ihr eure Unterstützung grundsätzlich jedem Unternehmen an?                

Wir arbeiten nicht mit Unternehmen oder Organisationen zusammen, die sich offen homo-, bi-, trans- und interphob positionieren oder äußern. Hin und wieder kommt es allerdings vor, dass wir erst während einer Kooperation merken, dass die Zusammenarbeit nicht funktioniert. Es kam beispielsweise vor, dass sich während der Zusammenarbeit herausstellt, dass ein Unternehmen gar nicht ernsthaft an LGBTQIA+ Diversity interessiert ist oder nur einzelne Teile der queeren Community berücksichtigen möchte. Aus diesem Grund haben wir schon von Kooperationen abgesehen.

Was können Mitarbeiter*innen selbst tun, wenn sie merken, dass ihr Unternehmen Diversität nur halbherzig beachtet? Welche Schritte können Mitarbeiter*innen gehen, um Diversität in ihrem Unternehmen zu fördern?            

Der einfachste und zugleich drastischste Schritt ist es, seine Stelle zu kündigen. Grundsätzlich aber können die Mitarbeitenden selbst nur wenig tun. Diversity, und eben auch LGBTQIA+ Diversity, muss von der Unternehmensführung ausgehen und dort einen hohen Stellenwert bekommen. Ist das nicht der Fall, so wird das Thema in dem Unternehmen nicht ernst genommen und es wird auch nie divers werden. Denn Diversity ist ein permanenter Auftrag und braucht ein beständiges und fortlaufendes Engagement.                    

Eine Möglichkeit für LGBTQIA+ Mitarbeitende sich dennoch für LGBTQIA+ Diversity einzusetzen, ist die Vernetzung mit anderen LGBTQIA+ im Unternehmen. Möchte man im Unternehmen selbst als Gruppe etwas bewegen, so ist dies zum Beispiel mit Allies oder durch ein (inoffizielles) LGBTQIA+ Netzwerk möglich. Von den Mitarbeitenden, also “von unten” ausgehend über einen „bottom-up“-Ansatz, kann Druck ausgeübt und können beim Management Forderungen gestellt werden. Dieser Weg ist allerdings ein sehr anstrengender und oft langwierig. Häufig scheitern die Initiativen der Mitarbeitenden dann, wenn Geschäftsführungen das Thema einfach nicht angehen oder etablieren wollen. Wenn die LGBTQIA+ Mitarbeitenden ihr ehrenwertes und wichtiges Engagement für Diversity im Unternehmen unbezahlt und in ihrer Freizeit leisten, dann ist das kein Zeichen für ernstgemeintes Diversity von Seiten des Unternehmens!                    

Mit dem ‘We Stay PRIDE’ Programm unterstützt ihr Unternehmen dabei Vielfalt ganzjährig zu stärken. Wie sieht das Programm genau aus?        

We Stay PRIDE – Das LGBTQIA+ Employer Excellence Programme bietet Unternehmen einen ganzheitlichen und ganzjährigen Ansatz dafür, Vielfalt auch wirklich zu leben. Es zeigt Mitgliedern auf, wo Potenziale im Unternehmen liegen und was sie konkret tun können.                    

Mitgliedsunternehmen bietet das Programm individuell angepasste Audits, Consulting und Schulungen. Über zahlreiche Events bringen wir die Arbeitgeber miteinander in Kontakt und ermöglichen so Networking. Mit der LGBTQIA+ Diversity Collection stellen wir Unternehmen aktuelle Studien und Fakten zur Verfügung. Ein weiterer Fokus des unseres Programms liegt auf den LGBTQIA+ Mitarbeitenden selbst. In spannenden Masterclasses, Führungskräfteschulungen und inspirierenden Role Model Events stärken wir die Kernkompetenzen und Fähigkeiten der Teilnehmenden und machen sie fit für Führungspositionen innerhalb der Unternehmen. Über Cross-Company Mentoring stärken wir die berufliche und persönliche Entwicklung der LGBTQIA+ Mitarbeitenden über das eigene Unternehmen hinaus und erreichen damit das, was wir uns als Ziel setzen: queere Menschen am Arbeitsplatz zu empowern! 

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    Inklusion Refresh