Equal Pay Day: Warum Frauen nicht schlechter verhandeln
Frauen können nicht verhandeln? Stimmt nicht. Warum glauben wir durch individuelle Verhandlungen gesellschaftliche Gerechtigkeit zu erreichen?
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Frauen können nicht verhandeln? Stimmt nicht. Und: Angesichts der Lohnlücke stellt sich in Zeiten von New Work eine neue Frage: Warum glauben wir durch individuelle Verhandlungen gesellschaftliche Gerechtigkeit herstellen zu können? Müssen sich nicht die Strukturen ändern?
Am 17. März ist Equal Pay Day. Der Tag markiert symbolisch die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes liegt sie bei 21 Prozent. Damit ist Deutschland eines der Schlusslichter in Europa.
21 Prozent? 21 Prozent!
Sprechen wir über die Zahl. Frauen arbeiten eben häufiger in Teilzeit oder in sozialen Berufen, heißt es oft. Die sind eben schlechter bezahlt. So ließen sich Unterschiede erklären. Nur, weil Unterschiede erklärbar sind, sind sie nicht gerecht. In den 21 Prozent Lohnlücke, die eine ganze Bandbreite an Ursachen abbilden, liegen wichtige Fragen an unsere Arbeits- und Lebenswelt verborgen. Wieviel ist uns welche Arbeit wert, wenn mittlerweile statistische Verfahren zeigen, dass die körperlichen Belastungen einer Pflegekraft denen eines Industriearbeiters gleichen? Wieso sind Berufe, die traditionell überwiegend Frauen ausüben, schlechter bezahlt? Warum verbringen selbst in Paarhaushalten ohne Kinder Frauen doppelt so viel Zeit mit dem „bisschen Haushalt“ wie ihre Partner?
Alles individuelle freiwillige Entscheidungen, winken manche ab. Sollen die Frauen doch Programmierinnen werden. (Wer erzieht und pflegt dann eigentlich?) Der Mythos von den individuellen Entscheidungen verkennt die Komplexität des Problems der gerechten Bezahlung. Nicht nur, weil Berufe abgewertet werden je höher ihr Frauenanteil steigt. Der Sekretär und die Sekretärin sind ein schönes historisches Beispiel. Der Beruf war zunächst männlich dominiert, auch weil Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts kaum Berufschancen hatten. Als er mehr und mehr von Frauen ausgeübt wurde, sank das Lohnniveau. Fazit: Die Lohnlücke lässt sich nicht erklären oder schließen, ohne gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Rollenbilder mitzudenken.
Durchsetzungsstarker Mann, zickige Frau
Eines dieser Stereotype lautet: Frauen wollen und können nicht verhandeln. Der Verdienstunterschied? Vermutlich darin begründet, dass sie ungern Gehaltsgespräche initiieren und zu wenig fordern. Studien, die Geschlechtsunterschiede in der Verhandlungsführung zeigen, gibt es tatsächlich. Bereits als Berufsanfängerinnen verlangen Frauen weniger, zeigen einen defensiveren Verhandlungsstil. Die Verhandlungsforschung zeigt aber auch: Frauen fragen öfter aktiv nach einer Gehaltsverhandlung, Männer hingegen werden öfter gefragt. Personalverantwortliche steigen bei jungen Frauen niedriger ein, um das angenommene Ausfallrisiko auszugleichen. Frauen wiederum verhandeln mehr über Teilzeit und Homeoffice als Männer – und tatsächlich seltener über Geld. Wenn sie es tun, treten sie zurückhaltender auf. Mit der gleichen Konsequenz wie Männer fordern Frauen Geldbeträge nur ein, wenn sie für andere verhandeln. Die These der Forscher*innen: Dieses Stellvertreterverhandeln erlaubt den Frauen, aus dem Rollenbild ausbrechen. Wenn sie für andere verhandeln, können sie sozial und fordernd zugleich sein und müssen keine Angst haben, für ihr Verhalten sanktioniert zu werden. Diese Sanktionen gibt es durchaus: Was bei Männern als durchsetzungsstark gilt, wird bei Frauen gern als Grenzüberschreitung wahrgenommen – und hat Einfluss auf den eigenen Verhandlungserfolg. Frauen zu coachen, mehr „wie Männer aufzutreten“, macht also wenig Sinn.
Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit
Statt nur auf das Verhalten der Frauen zu blicken, sollten wir lieber auf die Forschung schauen. Sie hat bereits ausgemacht hat, welche Strukturen es braucht, um fair zu verhandeln. Wenn Gehaltsbreiten, Bewertungskriterien und Gesprächsablauf bekannt sind, verhandeln Frauen beinahe genauso erfolgreich wie Männer. Dafür müssen Verhandlungen von beiden Seiten als natürlicher Prozess wahrgenommen werden. Klingt gut, oder? Verhandlungsgespräche als bloße Darstellung von Macht und Buddysysteme, in denen nur Thomas Thomas fördert, sollten sowieso ausgedient haben. Gleichbehandlung ohne Kompromisse heißt: Selbst wenn Frauen in Verhandlungen weniger fordern, haben sie das Recht auf gleiche Bezahlung. Dem Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche und gleichwertige Arbeit“ sollten sich alle verpflichtet fühlen: verantwortliche Personalabteilungen, Mitarbeiter*innen und Führungskräfte. So profitieren am Ende auch alle von fairen Strukturen. Und die Lohnlücke gehört bald der Vergangenheit an.
Der Equal Pay Day wurde 2008 auf Initiative des Business and Professional Women (BPW) Germany e.V. erstmals in Deutschland durchgeführt. Entstanden ist der Tag für gleiche Bezahlung in den USA. Dort schufen 1988 Frauen mit der Red Purse Campaign ein Sinnbild für die roten Zahlen in den Geldbörsen. Weitere Informationen: www.equalpayday.de