Entfalte dein GoodWork Potenzial (5) – Sharing oder warum Teilen glücklich macht
Mehrfachnutzung und Gemeinschaftsleben liegen voll im Trend. GoodWork schließt die wachsende Sharing Economy mit ein und hört beim „sozialen Teilen" noch lange nicht auf
© Toa Heftiba via unsplash
„Teilen“ bekommt zunehmend eine gesellschaftliche Power. Mehrfachnutzung und Gemeinschaftsleben liegen voll im Trend. Aber da geht noch mehr. Denn die Welt des Teilens ist in Bewegung: Good Work schließt die wachsende Sharing Economy mit ein und hört beim „sozialen Teilen" noch lange nicht auf.
New Work ist ein Sammelbegriff, der Prinzipien wie Holocracy, Design Thinking oder flexible Arbeitszeitmodelle vereint und innovative Methoden oder ganze Zukunftsbilder entwirft. Neben den aktuellen Entwicklungen wie Automatisierung, Digitalisierung oder Globalisierung ist ein Aspekt dabei von besonderer Wichtigkeit: Das Streben nach Sinn im Job! Wir glauben, dass Sinnhaftigkeit der Arbeit viel mehr im Zentrum der New Work Bewegung stehen muss. So wird aus New Work das zeitlose „Good Work“. Wie ihr euer Good Work Potenzial entfaltet, erfahrt ihr in dieser Artikel-Reihe. Diesmal geht es unserer Gastautorin Rike Bucher um die verschiedenen Facetten von „teilen“.
Teilen ist das neue Haben
Teilen ist gut – das lernt man schon als Kind. Wenn die Geburtstagstorte in acht Teile zerlegt wurde, dann sollte jedes Kind ein gleichgroßes Stück erhalten. Später war das nicht mehr so einfach. Limitierte Studiengänge und begrenzte Stückzahlen unseres Lieblings-Smartphones entlockten uns schon mal den Kampfgeist. In den vergangenen 25 Jahren hat sich einiges verändert. Ideen für eine bessere und nachhaltige Zukunft wachsen wie Pilze aus dem Boden. Geschichten von Menschen, Initiativen und Unternehmen, die den Schritt vom Denken zum Handeln schon gewagt haben, werden erzählt und prämiert.
Wie Veränderungsprozesse grundsätzlich ablaufen und wie sich sozialer Wandel vollzieht, interessiert Forscher aller wissenschaftlichen Disziplinen. Zum Beispiel Luise Tremel, Transformationsforscherin an der Europa-Universität Flensburg, die sich für Gegenentwürfe zum Konsum interessiert und das „Teilen“ erforscht. In einem bemerkenswerten Interview erklärt sie im November letzten Jahres, dass Teilen nicht gleich sharing sei.
Die Sharing Economy profitiere von dem Willen zu teilen, aber sie habe „mehr mit Kapitalismus als mit echtem Teilen zu tun“, sagt Tremel. Von ihr stammt auch der Begriff des „transformativen Teilens“, den ich im Folgenden noch erklären werde.
Teilen ist das gemeinsame Nutzen einer Ressource.
Im Falle materieller Güter muss das Gut oder die
Nutzungszeit zwischen den Nutzer*innen aufgeteilt werden.
Teilen gegen Geld
Sharing Economy bezeichnet das Ausleihen von Gegenständen und gegenseitige Bereitstellen von Räumen und Flächen, durch Privatpersonen oder Interessengruppen. Im Mittelpunkt steht der Gemeinschaftskonsum. Sharing kann ein großes Geschäft sein, mit viel Potenzial. Denn aus der Professionalisierung des Tauschhandels erwächst seit Jahren schon ein eigener Wirtschaftszweig.
Der Trend zum Sharing gehört zu einem Lebensstil des intelligenten Verzichts, der immer mehr Befürworter findet. Die Studie „Sharity: Die Zukunft des Teilens“ (GDI – Gottlieb Duttweiler Institut, 2013) erteilt Carsharing und Homesharing die stärksten Wachstumsraten. Seit 2008 entstanden mit Airbnb, 9flats und Wimdu ernsthafte Konkurrenten für Hotels und Ferienwohnungen. Zu Anfang waren es noch kleine Start-ups. Doch auch große Unternehmen mischen bereits mit. Die Autobauer BMW und Daimler betreiben seit diesem Jahr ihre Carsharing-Angebot gemeinsam, ShareNow dominiert damit schon jetzt den Markt.
Sharingdienste verleihen temporär: Online-Communities wie Frents oder Leihdirwas haben sich auf Bohrmaschinen, Objektive oder Bücher verlegt – kostenlos oder gegen Gebühr. Über BlaBlaCar finden sich Mitfahrgelegenheiten, hier wird Gemeinschaft mit Geld verbunden. Auch das eigene Fahrzeug lässt sich vermieten. Parkplätze werden geteilt, Lagerraum, Arbeitsplätze, Gärten. Via Couchsurfing lassen sich Sofa oder Gästebett zur Verfügung stellen und man findet ein neues Zuhause am Sehnsuchtsort. Auch Essen und Kleider können geteilt werden, indem verkauft, getauscht oder verschenkt wird. Gefühlt täglich kommen neue Plattformen mit Angeboten zum Teilen hinzu.
Hier geht es meistens ums Teilen gegen Geld. Damit lässt sich zwar das eigene Gewissen beruhigen, der Geldbeutel wird geschont, aber das Konsumieren droht tiefer verankert zu werden. Was ist eigentlich mit dem „echten Teilen“?
Transformatives Teilen
Laut Tremel ist das „transformative Teilen“ ein Teilen auf Gegenseitigkeit. Transformativ, weil hier abgestimmt und kommuniziert werden muss. Wann, wieviel, wieviel bekommt jede*r. Teilen sollte eine Begegnung sein, ressourcensparend und sozial. Als Beispiel nennt Tremel die Teilstube, in der alle Dinge gelistet werden, die im Viertel verleihbar sind und die vielleicht dann auch nur einmal vorhanden sein müssen. Das verringert den Konsum. Die Teilstube organisiert Verleih und Rücknahme. Teilen führt hier unter den Teilenden zum Austausch, vielleicht sogar zum Straßenfest.
In Studien mit Affen und Kleinstkindern haben Wissenschaftler*innen herausgefunden: Alle geben ab und leisten anderen unaufgefordert Hilfe, wenn sie merken, dass jemand Hilfe benötigt. Selbst, wenn dafür keine unmittelbare Gegenleistung erwartet werden kann. Oder verzichtet werden muss. Altruismusforscher*innen bezeichnen sharing daher als einen sozialen Akt, als Teil unserer Beziehungspflege und als Bedingung für das Bestehen einer Gemeinschaft. Teilen liegt in unserer Natur. Es ist ein Wesenszug von uns.
Das hat das schon erwähnte GDI Gottlieb Duttweiler Institut, bewogen, eine Befragung durchzuführen, an der 1100 Personen teilgenommen haben. Die Probanden wurden gebeten, auf einer Skala von 1 bis 5 (1: gar nicht, 5: gerne) Ihre Prioritäten und Abneigungen in Bezug auf das Teilen einzutragen. So sah das (Teil-)Ergebnis aus:
Was verleihen Sie gern
1. Erfahrungen: Reisetipps, Empfehlungen (4,7)
2. Ideen: Rezepte, Bastelvorlagen (4,4)
3. Bücher (4,2)
4. Essen (4,2)
5. Musik auf CD (4,1)
… und was weniger
34. Jemandem mehr als 1000.- leihen (2,2)
35. Bankkonto (1,7)
36. Passwörter: für Computer oder E-Mail (1,6)
37. Zahnbürste (1,4)
Zum Teilen gehört Sicherheit
Wie können wir das Teilen fördern? Das hat Amy Edmonson in ihrem lesenswerten Buch „Fearless Organization“ (2018) untersucht. Die Professorin an der Harvard Business School, fand heraus, dass psychologischen Sicherheit für Teams und Organisationen der Kernpunkt für Vertrauen und Wachstum ist. Nur wer sich sicher fühlt, öffnet sich, teilt seine Ideen, kann Feedback aufnehmen, sagt Edmonson. Google hat diese Erkenntnisse gleich in sein neues Führungskonzept einfließen lassen. Es ist kein Geheimnis, dass eine angstfreie Umgebung kreativer macht, aber wenn ich mir viele Unternehmen, mit denen ich arbeite, anschaue, dann kann sich keine Sicherheit entfalten, weil mit Machtmissbrauch eher Angst gefördert wird. Es bleibt also noch einiges zu tun. Werte, Wertschätzung, das Teilen von Emotionen und Visionen…
Vom Ich zum Du – Von der Gesellschaft ins Unternehmen
Schauen wir auf dich und mich. Freundschaften werden getragen von dem Wunsch, dass es dem anderen gutgehen möge. Großzügigkeit, Mitgefühl und Vertrauen geben Freundschaft Tiefe. In Freundschaften lernt man das Teilen. Über Resonanz. Wenn wir unsere Erfahrungen, Freuden und Ängste teilen, tun wir das nur bei Personen, denen wir vertrauen. In ihnen erkennen wir Eigenschaften und Qualitäten, die uns zutiefst vertraut sind. Weil sich in ihnen etwas verkörpert, was mit uns in Resonanz steht. Seelenverwandte vielleicht. Man sagt ja auch, „sie oder er ist ein Teil von mir“. Mit Freunden lernen wir das Mitteilen, Verteilen, Austeilen, Aufteilen, das Träume und den Herzschmerz teilen.
Was wir hier lernen, ist vielleicht größer als jedes Sharing-Unternehmen. Was wir hier lernen, ist Basis unserer Gesellschaft. Und es wirkt quasi sofort: gegen Vereinsamung, Anonymisierung und Hoffnungslosigkeit. Diese geteilte Nähe ist durch nichts zu ersetzen. Und als erlernte Fähigkeit – also eine schnell und einfach verfügbare Ressource – ist es nur eine Frage der Zeit, bis transformatives Teilen ein grundlegendes Prinzip in Unternehmen wird.
Rike Bucher entfaltet als Coach das volle Potential von New Leadern. Ihre Themen sind: Intuition, Authentische Führung, Emotionale Kompetenz, Macht, New Work. Ihr Coaching verbindet Kopf mit Bauch, Ihre Workation verbindet Sizilien mit Berlin.