Psychologie

„Das mach’ ich morgen.” — Prokrastination und 5 Tipps wie du sie bekämpfst

Wir zeigen, woher das Aufschieben von Aufgaben kommt und wie ihr die lästige Gewohnheit trotz langer To-Do-Listen ablegen könnt.

Julia Dillan, Leila Miadi

06.09.2021

Wer prokrastiniert ist faul, heißt es oft. Das stimmt nicht. Jede*r Fünfte beschreibt sich als Aufschieber*in oder Person, die chronisch prokrastiniert. Rechnungen werden unpünktlich gezahlt, es wird spontan abgesagt, weil doch noch eine Deadline anstand oder Vorbereitungen für das Team-Meeting werden erst kurz vorher erledigt, während  Kolleg*innen warten. Prokrastination nervt häufig nicht nur Betroffene, sondern auch das gesamte Umfeld.

Warum schieben wir Aufgaben vor uns her?

Das Gefühl der Freiheit und Flexibilität, dann mit einer Aufgabe zu beginnen, wenn es für dich am besten passt, verleitet schnell dazu, Dinge in die Zukunft zu verschieben. Eine Ursache für das Aufschieben sind Angewohnheiten aus der Schulzeit. Oft wurden Hausaufgaben kurz vor knapp erledigt. Durch Erfolg hat sich das Verhalten verfestigt. Ein anderer Grund kann fehlende Priorisierung aus Zeitnot, ein fehlender Zugang zum Thema oder ein vermeintliches Entspannungsgefühl sein. Das Motto „aus den Augen aus dem Sinn“ führt aber früher oder später zu noch größerem Druck.

Welcher Typ bist du?

Wissenschaftler*innen unterscheiden zwischen zwei Arten von potenzieller Prokrastination: Erregungsaufschieber*innen genießen es, unter Hochdruck zu arbeiten und in der letzten Minute eine Aufgabe fertigzustellen. Viele behaupten, dadurch kreativer zu sein. Vermeidungsaufschieber*innen leiden unter Angst zu versagen. Deshalb meiden sie den Leistungsdruck, den die Aufgaben erzeugen und schieben Ausreden vor.

Marotte oder mehr?

Aufschieberitis, wie die milde Form der Prokrastination liebevoll genannt wird, unterscheidet sich von klassischer Prokrastination vor allem in einem Punkt: sie schränkt die Produktivität nicht wesentlich ein und ist einfach nur eine unangenehme Angewohnheit. Von Prokrastination sprechen Psycholog*innen erst, wenn Betroffene körperliche oder mentale Beschwerden erleben.

Der Teufelskreis

Von nichts kommt nichts? Eher: von nichts (tun) kommen Selbstzweifel und Versagensängste. Diese münden in Druck, Außenstehenden nehmen dich vielleicht als “faul” wahr, was es noch schwerer macht, sich aufzuraffen und produktiv zu sein. Ein klarer Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt – wir geben 5 Tipps, die dabei helfen.

1. Priorisiere und schaffe einen Zeitplan!

Die 72-Stunden-Regel besagt: Wer sich etwas vornimmt, sollte innerhalb dieser Zeit den ersten Schritt machen, um die Chance, überhaupt zu beginnen, nicht auf ein Minimum zu reduzieren. Wenn du aus vermeintlichem Zeitdruck Aufgaben verschiebst, überlege, welche am dringendsten sind und zuerst erledigt werden sollten. Eine Möglichkeit besteht darin, in wichtig und unwichtig, sowie dringend und nicht dringend einzuteilen. So kannst du herausfinden, was du heute noch erledigen solltest, oder welche Aufgabe lieber in den Kalender eingetragen wird. Wir sind noch immer große Fans von To-Do-Listen, sofern sie machbar sind. So kannst du zum Beispiel, bevor du für den neuen Tag deine Aufgaben planst, schauen, welche To-Dos noch liegen geblieben sind.

2. Mach’s kleiner! Definiere Teilaufgaben und hak sie ab

Definiere deine Aufgaben in Form kleinerer, konkreter To-Dos, die abgehakt werden können, statt als großes Projekt, das über dem Kopf schwirrt. Klar, “Wasser trinken” und “Laptop einschalten” brauchen nicht auf der physischen To-Do-Liste erscheinen und werden das Selbstbewusstsein nicht stärken. Anders ist es bei relevanten Teilaufgaben, die als eigene, definierte Aufgaben erledigt und mental ad acta gelegt werden können. Das schafft Platz im Kopf und kann außerdem bei Konzentrationsproblemen helfen, weil spezifische Handlungen fokussiert angegangen werden und Ziele weniger abstrakt sind.

3. Bleib auf dem Teppich — setze realistische Anforderungen an dich selbst

Den Mund nicht zu voll nehmen gilt auch für die Arbeit. Wer zu viel auf dem Teller hat, wird sich am Ende des Tages eher ausgelaugt, unproduktiv und wie erschlagen fühlen. Besser: die eigenen Fähigkeiten realistisch einschätzen und sich im Projektmanagement üben. Hierzu zählt auch Zeitmanagement und die Fähigkeit, die eigenen Grenzen zu kennen. Das bedeutet auch, sich genug Zeit zu nehmen und schon in der Tagesplanung nicht zu streng (oder unrealistisch) mit der eigenen Geschwindigkeit sein sollte. Lieber etwas mehr Zeit einplanen und freuen, wenn ein paar Minuten übrig sind, als auf halber Strecke zu merken, dass der gesamte Tagesplan zusammenbricht. Beim Zeitmanagement muss natürlich auch der eigene Biorhythmus beachtet werden. Aufgaben, die eine gewisse Konzentration oder körperliche Wachheit erfordern sollten für entsprechende Zeiten am Tag eingeplant werden — welche Zeiten genau hier zutreffen ist individuell und kann durch Achtsamkeit und Beobachtung der eigenen Arbeit herausgefunden werden.

4. Belohne dich — gib dir Schulterklopfer für Produktivität

Wer die Prokrastination in den Griff zu bekommen will, muss sich disziplinieren und sich Gewohnheiten an- und aberziehen. Belohnung ist hierbei wichtig, um motiviert zu bleiben und neue Verhaltensweisen zu festigen. Was Psycholog*innen schon früh bewiesen haben: Wer sich selber mal lobt, zum Beispiel mit Mantras, ist motivierter und wird sich in Zukunft höhere Ziele stecken. Außerdem ist sie*er diesen Zielen auch stärker verpflichtet. Wer kein Fan von Selbstlob ist, kann sich auch anders belohnen. Wichtig ist, sich an die eigenen Regeln zu halten und sich erstrebenswerte Belohnungen zu überlegen, die die neu gewonnene Produktivität nicht an anderer Stelle hemmen.

5. Work-Life-Balance? Vergiss es.

Wir verbringen ein Drittel unseres Lebens auf der Arbeit, wie kann man da also noch von Work-Life-Balance sprechen? Arbeit ist ein essentieller Teil unseres Alltags und kein*e Antagonist*in in der Lebensgeschichte — so muss Arbeit auch wahrgenommen werden. Das Leben passiert also nicht nur vor und nach der Arbeit. Natürlich wollen wir in Jobs arbeiten, die uns Spaß machen, die unsere Interessen und Werte reflektieren, wie es auch unsere “Freizeit” tut. Menschen, die den Sinn in ihrer Arbeit sehen und Dankbarkeit für ihre Rolle in der Gesellschaft verspüren, verspüren nicht nur höhere Motivation, sondern reduzieren auch Stress und ihr Risiko an Depressionen oder Burnout zu erkranken.

Prokrastination ist keine feste Charaktereigenschaft, der wir uns ergeben müssen. Sie ist, wie die meisten unserer Verhaltensweisen, eine größtenteils erlernte Angewohnheit. Und was Menschen lernen, kann auch verlernt — oder besser: mit anderen Gewohnheiten überschrieben werden.