Nachhaltigkeit

Berlinale 2022 – Wie nachhaltig ist die Filmbranche?

Das Filmfestival Berlinale versucht sein Handeln an den 17 SDGs zu orientieren. Doch wie nachhaltig ist die Filmbranche im Allgemeinen überhaupt? Und was tut die Berlinale?

Julia Dillan

08.02.2022

Person mit Kamera in blau-rotem Licht

Jakob Owens via Unsplash

Wie positioniert sich die Berlinale zum Thema Nachhaltigkeit?

Nachhaltiges Denken ist mittlerweile nicht mehr nur ein Trend, sondern Grundvoraussetzung für viele Bereiche, um sich weiterhin zukunftsfähig sein zu können. Die Berlinale orientiert sich an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Fokus liegt dabei auf den Zielen kulturelle Bildung als Schlüssel für die Zukunft, Engagement für Gleichberechtigung, Impulse für die Filmindustrie und bewusster Konsum. Umweltfreundliche Speisen, vegane Müsliriegel, Ökostrom, Förderung einer CO2-neutralen Anreise mit der Bahn und sogar ein ‘grüner’ roter Teppich: für seine Herstellung wurden Fischernetze und diverser Meeresmüll verwendet. 2010 hat die Berlinale zuerst den eigenen CO2-Fußabdruck messen lassen und kontinuierlich an der Reduktion der Emissionen gearbeitet. Aber auch soziale Nachhaltigkeit – zum Beispiel im Bereich Diversität und Inklusion – ist im Programm des Filmfestivals verankert.

Nachhaltigkeit in der Filmindustrie - was spielt sich hinter dem Vorhang ab?

Gerade in der Filmbranche ist ein Umdenken mehr als wünschenswert, denn so ein Fernsehfilm kann schon mal mehrere Hundert Tonnen CO2 verursachen – bei einem US Blockbuster schwillt der ökologische Fußabdruck sogar bis in den Tausenderbereich an. Das ist eine ganz schön große Zahl, insbesondere wenn wir unseren enormen Anstieg von Streaming-Stunden in der Pandemie betrachten. Sollten wir deshalb aufhören, Filme und Serien zu schauen? Aufhören nicht unbedingt, reduzieren kann natürlich nicht schaden. Allerdings ist es auch wichtig, den enormen Impact einzubeziehen, den diese Kulturgüter auf uns, unser Denken und die Gesellschaft haben. 

Beim Drehen gilt: Zeit ist Geld, daher gehen aufwendige Flüge und Plastikbecher am Set auf Kosten der Umwelt. Um dem Klimaschutz mehr Platz auf der Bühne zu verschaffen, haben Fernsehsender, Filmförderungen und Produktionsunternehmen den Arbeitskreis „Green Shooting“ gegründet. Eine „Green Shooting“-Produktion wird von einem*r Nachhaltigkeitsexpert*in fachlich begleitet – Ökostrom, Plastikverbrauch, Nutzung von E-Mobilität, pflanzliche Caterings und auch die Bilanzierung und Kompensation von CO2e-Emissionen spielen dabei eine wichtige Rolle. Leider sind diese Art von Produktionen noch nicht in der Breite der Filmbranche angekommen, weil es an Praxiserfahrung mangelt und viele Beteiligte Sorge vor vermeintlichen Mehrkosten haben. Dabei lässt sich durch nachhaltiges Handeln auch immer wieder Geld einsparen.

In den meisten Filmproduktionen spielt Geld auch in einem anderen Zusammenhang eine wichtige Rolle – Stichwort Förderung. Diese ist in Deutschland zum Großteil Ländersache. Es müssen immer bestimmte Anforderungen erfüllt werden, zum Beispiel eine Mindestanzahl an Drehtagen an verschiedenen Orten. Was absurd klingt, ist oft ein Grund, Drehbücher umzuschreiben und den Klimaschutz zu vernachlässigen. 

In einer freiwilligen Selbstverpflichtung des deutschen Produzentenverbandes werden sieben konkrete Punkte beschrieben, wie mehr Nachhaltigkeit in der Filmbranche umgesetzt werden kann. So wird sich zum Beispiel zur Reduzierung der Flüge verpflichtet und für alle nicht vermeidbaren Flüge kompensiert. Die restlichen Punkte sind sehr ähnlich zu den erarbeiteten Kategorien vom Arbeitskreis „Green Shooting“. Die Bemühungen sind gut, aber die bleibende Frage ist, ob noch mehr als freiwilliges Engagement nötig ist, wie sieht es mit Zertifizierungen aus - wie können wir als Nutzer*innen grüne Produktionen erkennen?

Welche Nachhaltigkeitszertifikate gibt es im Film?

Eine Möglichkeit, die erfüllten Kriterien nachzuweisen, ist der sogenannte „Nationale grüne Drehpass“, der vom erwähnten Arbeitskreis erarbeitet wurde. Seit 2020 sorgt er für eine einheitliche Zertifizierung – jedoch unter strengen Auflagen. Seit dem 01. Januar dieses Jahres gibt es nun auch das „Green Motion“-Nachhaltigkeitslabel, das rein auf den Bereich Produktion ausgerichtet ist. Für Kulturschaffende der Branche hat die Filmförderung Hamburg und Schleswig-Holstein wertvolle Leitfäden veröffentlicht, wie verschiedenste Bereiche umweltschonender gestaltet werden können.

Nicht nur die Produktion, auch der Inhalt zählt

Genauso relevant wie die Produktion an sich sind auch die Inhalte, die in Film und Fernsehen vermittelt werden. Wir lassen uns von Kulturgütern inspirieren und reproduzieren so Meinungen zu wichtigen Aspekten unseres Lebens. Unsere GoodJobs Kriterien lassen sich auch gut auf die Inhalte anwenden, die wir digital konsumieren. Repräsentanz ist unglaublich wichtig. Sowohl eine diverse Besetzung, die unserer Gesellschaft entspricht, als auch divers dargestellte Lebensrealitäten, wirken sich auf unser Verständnis der Gesellschaft aus. Je öfter wir mit Thematiken (auch unterschwellig) konfrontiert werden, desto greifbarer werden sie für uns. Könnt ihr euch zum Beispiel vorstellen, dass eure Lieblingskindheitsheld*innen von damals vegan sind? Oder dass Protagonist*innen von Filmen nachhaltiges Verhalten wie selbstverständlich in ihr Leben einbinden? 

Der Wandel in der Filmindustrie kommt zwar reichlich spät, aber dafür mit einer Masse an Maßnahmen und Ideen, die vielversprechend klingt. Letztendlich entscheiden aber auch wir über die Inhalte die wir konsumieren und supporten wollen.