Wie wir uns den Traum der 32h-Woche testweise ermöglichen
Seit Januar testet GoodJobs die 32h Woche. People Managerin Sharin Parker verrät, worauf es bei der Einführung ankommt und warum nicht alle Kolleg*innen in einer 4-Tage-Woche arbeiten.
Sharin Parker
Die 32h-Woche hat viele Gesichter: von 4-Tage-Woche über täglich reduzierte Arbeitszeit bishin zu Gehaltsanpassungen für die, die zuvor schon in Teilzeit gearbeitet haben.
Seit Januar testen wir bei GoodJobs das Modell und nehmen euch mit auf diese Reise. Unsere Kollegin Sharin aus dem People-Team begleitet unser 32h-Modell von Beginn an. Im Interview verrät sie, wie Unternehmen die 32h-Woche einführen können, welche Hürden es dabei zu meistern gibt und wie sie die Testphase zur Halbzeit bewertet.
Liebe Sharin, vielen Dank für deine Zeit. Lass uns doch gleich mit der wichtigsten Frage loslegen:
Wie habt ihr als People-Team die Einführung der 32h-Woche vorbereitet und wie können wir uns den Prozess vorstellen?
👩🏼 GoodJobs überlegt ja schon länger, die 32SW einzuführen. Daher war das Thema für kaum jemanden wirklich neu.
So eine unternehmensweite Veränderung ist natürlich auch mit finanziellem Aufwand verbunden, daher war es erstmal wichtig, uns einen Überblick über die Kosten und die FTEs (Full Time Equivalent, zu Deutsch: Vollzeitäquivalent) zu verschaffen. Hier ist interessant zu wissen, dass bei GoodJobs bereits vor der Testphase zur 32h-Woche sehr viele Menschen in Teilzeit gearbeitet haben, aber dazu später mehr.
Dann war es natürlich wichtig, alle mit einzubeziehen, in dem wir uns erstmal durch eine goodjobsweite anonyme Umfrage von mindestens 75% der Mitarbeitenden die Zustimmung zur Testphase einholen wollten. Letztendlich haben 92,7% für die Einführung gestimmt.
Im Anschluss folgte dann ein nicht unerheblicher administrativer Aufwand, da für jede Person geschaut wurde, wie sich die neue Arbeitszeit verteilt und dann eine (vorerst befristete) Änderungsvereinbarung aufgesetzt wurde.
Auch in unserem People-Tool Personio mussten einige Grundeinstellungen verändert werden, damit es zum Beispiel nicht zu Fehlern kommt, was die neue Urlaubsberechnung angeht oder auch potentielle Überstunden korrekt erfasst werden können.
💡 Diese Frage beantwortet dir Sharin übrigens auch bei Instagram 🎉👇
Was war die größte Hürde vor dem Start des Testlaufs und wie habt ihr sie gemeistert?
👩🏼 Wie oben bereits erwähnt, waren bereits vor der Testphase knapp ein Drittel der GoodJobbis in Teilzeit, während der Rest Vollzeit gearbeitet hat (38 Wochenstunden).
Dies hat dazu geführt, dass wir nicht einfach sagen konnten, dass nun alle von 38 auf 32 Stunden runtergehen, sondern wir einige individuelle Arbeitszeitmodelle aufstellen mussten.
Damit sorgen wir dafür, dass alle Mitarbeitenden prozentual gleich viele Stunden runtergehen oder bei ihren Teilzeitstunden bleiben und prozentual mehr Gehalt bekommen - je nach der Position und den Kapazitäten.
Hierfür musste natürlich viel Kapazitäten-Planung betrieben und auch viele verschiedene Möglichkeiten durchgerechnet werden.
Welche Pro- und Kontra-Punkte schwingen denn bei einer 32h-Woche mit?
👩🏼 Ich glaube, Kontra-Punkte sind hier schwer zu benennen, da eine Reduzierung der Arbeitsstunden per se erstmal eine tolle Chance bietet.
Allerdings hat sich eine klare Herausforderung dadurch gezeigt, dass wir auf keinen Fall wollen, dass die Reduzierung der Stunden langfristig mehr Stress auslöst, da die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit geschafft werden soll.
Es ging uns ja ganz spezifisch darum, eine gesündere Work-Life-Balance zu schaffen. Daher hatten wir Workshops zum Selbst- und Zeitmanagement, wir haben uns unsere Meetingstruktur im Unternehmen angeschaut und angepasst und haben vor allem auch weiterhin ein waches Auge auf potentielle Anpassungen und Optimierungen in der Zusammenarbeit.
Potentielle Pro-Punkte gibt es dafür aber sehr eindeutige:
gesündere und ausgeglichenere Mitarbeitende, die mehr Motivation haben und hierdurch auch produktiver sind.
Dann wollen wir als GoodJobs auch eine Vorreiterrolle einnehmen und anderen Unternehmen zeigen, dass eine 32h-Woche funktioniert, wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden und somit einen weiteren Teil zu einer gesunden Arbeitswelt beitragen.
Was hat dich persönlich bei der Vorbereitung überrascht?
👩🏼 Mich persönlich hat überrascht, dass es auch Menschen gibt, deren erster Impuls nicht ist, dass sie eine 32h-Woche befürworten.
Hier war natürlich interessant herauszufinden, was für Sorgen diese Personen haben und diese aktiv aufgreifen. Dabei geht es einerseits z.B. wieder um das Thema Zeitmanagement aber andererseits auch um die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie viele Tage jemand in der Woche arbeiten möchte.
Dies hat u.a. dazu geführt, dass wir nicht mehr von einer Vier-Tage-Woche, sondern einer 32-Stunden-Woche gesprochen haben, in welcher die Mitarbeitenden auch entscheiden können, dass sie die Stundenanzahl auf fünf Tage verteilen können.
Welche Erwartungen zur 32h-Woche musstet ihr managen?
👩🏼 Ich glaube, dass, wenn man nicht in der Administration steckt, es schwer ist, sich vorzustellen, auf wie viele individuelle Umstände wir durch die vorher bestehenden Teilzeitmodelle Rücksicht nehmen mussten.
Dies hat sich auch in anderen Situationen gezeigt: einige Mitarbeitende haben zum Beispiel nicht gleich verstanden, warum die Urlaubstage sich anpassen, wenn weniger Tage die Woche gearbeitet wird, hier musste einfach etwas Aufklärungsarbeit betrieben werden, damit alle denselben Wissensstand haben.
Ansonsten würde ich meinen, dass wir dieselben Erwartungen gemanagt haben, die wir auch im People- und Leitungsteam hatten: sich jede Person einmal in ihrem individuellen Arbeitszeitmodell anzuschauen und im Gesamtbild gegenchecken, ob die Umsetzung realistisch ist, um eine einigermaßen reibungslose und fruchtbare Testphase zu durchlaufen.
Noch bis Ende Juni testen wir die 32h-Woche, um sie anschließend anhand verschiedener Kriterien zu bewerten. Wie habt ihr diese Kriterien erarbeitet?
👩🏼 Die Kriterien wurden nach Messbarkeit und Aussagekräftigkeit ausgewählt. Hier haben wir uns im Vorhinein natürlich auch gefragt, wie andere Unternehmen das gemacht haben und uns auch daran orientiert. Unsere Kriterien sollten einerseits die interne Zufriedenheit vergleichbar machen - dazu arbeiten wir mit regelmäßigen internen Umfragen. Andererseits müssen wir als Unternehmen natürlich auch unsere Wirtfschaftlichkeit berücksichtigen - wir schauen uns also unter anderem an, wie sich der Umsatz durch die Stundenreduzierung verändert.
Welches Feedback gab es bisher zur 32h-Woche?
👩🏼 Bisher gab es sehr positives Feedback. Einerseits sind wir alle happy, dass wir für eine Arbeitgeberin arbeiten, die generell für innovative Arbeitszeitmodelle offen ist.
Dann ist es natürlich auch einfach sehr schön, mehr Freizeit zu haben.
Und was ist dein persönliches Zwischenfazit? Gibt es schon erste Learnings?
👩🏼 Ich genieße es total, einen Tag mehr die Woche frei zu haben.
Ich muss aber auch gestehen, dass ich noch nicht sicher bin, ob mein freier Tag, falls die 32h-Woche nach der Testphase fortgeführt wird, weiterhin der Mittwoch sein wird.
Ein freier Tag in der Mitte der Woche sorgt natürlich für einen tollen Ausgleich und eine Pause mittendrin, allerdings bin ich noch nicht sicher, ob dies für mich persönlich nicht doch eine zu dolle Unterbrechung des gesamten Workflows über eine Woche darstellt.
Abschließend, was möchtest du Unternehmen raten, die sich den Schritt weg von der 40(+)-Stunden-Woche (noch) nicht trauen?
👩🏼 Ich kann total verstehen, dass Unternehmen großen Respekt davor haben, die Stunden aller Mitarbeitenden zu reduzieren.
Nichtsdestotrotz arbeiten wir in Deutschland seit 1965 in der 40-Stunden-Woche und seitdem hat sich so viel verändert, ganz vorne mit dabei die Arbeitswelt.
Mit den richtigen Vorbereitungen kann die Umsetzung auf jeden Fall klappen und die bereits bestehenden Zahlen sprechen einfach für sich.
Ich würde empfehlen, mit einer sechsmonatigen Testphase zu beginnen, so wie wir es auch machen.
Hierdurch kann im schlimmsten Fall auch nachvollzogen werden, warum es nicht zu einer finalen Umsetzung kommt und dann wurde wenigstens der gute Wille bewiesen, sich als Unternehmen und vor allem als Arbeitgeberin weiter zu entwickeln.
Und es bewährt sich auch, den Vertragsentwurf von einer/einem Anwält*in absegnen zu lassen, um sicher zu gehen, dass alles rechtens läuft.
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👩🏼 Über Sharin
Auf der Suche nach einer Arbeitgeberin, die ähnliche Werte vertritt, bin ich vor 1,5 Jahren bei GoodJobs gelandet. Hier bin ich für das Recruiting, aber gemeinsam mit meiner Kollegin Sarah auch für interne kulturelle Themen sowie die Personaladministration zuständig.