New Work

„Working Out Loud“: Wissen teilen ist wieder angesagt

In den USA ist „Working Out Loud“ schon längst bekannt. Jetzt kommt der Hype langsam auch bei uns an. Wir verraten, was eigentlich hinter der Methode steckt

Marie Reichenbach

05.06.2018

„Working Out Loud“: Wissen teilen ist wieder angesagt

© rawpixel via unsplash.com

„Working Out What“?! Viele werden von „Working Out Loud“ (WOL) wohl noch nie etwas gehört haben. Und im ersten Moment denkt man jetzt wohl am ehesten an ein neues Sportprogramm. Power-Workout zu lauten Bässen und ein schreiender Drill-Instruktor – oder so ähnlich.

Bevor alle Sportmuffel jetzt gelangweilt abschalten, können wir Entwarnung geben. WOL hat nämlich rein gar nichts mit Sport zu tun, sondern mit unserer Art und Weise zu Arbeiten. Es handelt sich dabei um eine neue Methode, gezielt Arbeitsbeziehungen aufzubauen, die helfen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

„Wissen ist Teilen“ statt „Wissen ist Macht“

Zum ersten Mal aufgetaucht ist Bezeichnung „Working Out Loud“ 2010 in einem Blogbeitrag von Bryce Williams. Seine Idee dahinter: Das eigene Wissen sichtbar machen und teilen, damit andere davon profitieren können.

2015 leitete dann John Stepper aus der Idee in seinem Buch „Working Out Loud: For a better career and life“ eine greifbare Methode ab. Sehr vereinfacht kann man seine WOL-Methode mit einer Werkzeugkiste vergleichen, in der sich allerlei Techniken und Methoden befinden, um berufliche Beziehungen aufzubauen.

Doch gerade für Neueinsteiger ist es noch viel mehr als das – WOL ist eine Lebenseinstellung, die das komplette berufliche Leben umkrempelt. Grundgedanke ist nämlich nicht mehr, das eigene Wissen zu schützen, um es nur zum eigenen Vorteil zu nutzen, sondern die eigenen Ressourcen auch anderen zur Verfügung zu stellen. Mithilfe von Praktiken und Übungen sollen langfristige Beziehungen aufgebaut werden, die auf offenem und vernetztem Austausch basieren.

Die Idee hinter WOL

Das klingt in unserer von Konkurrenz geprägten Arbeitswelt fast wie eine Utopie. Geht bisher häufig doch vor allem darum, besser zu sein als die Konkurrenz. Und wer weiterkommen möchte, muss neben guten Leistungen auch noch die richtigen Kontakte knüpfen.

Stepper möchte an diesen Strukturen etwas ändern. Sein Konzept baut dabei fünf Grundpfeilern auf, die uns helfen sollen unsere Einstellungen und Arbeitsweise zu verändern.

1.    Beziehungen (Relationships)

Ziel ist es, nachhaltige Beziehungen aufzubauen. Allerdings nicht mit dem klassischen „Eine-Hand-wäscht-die andere“-Prinzip, sondern, indem man selbst etwas Sinnvolles beiträgt.

2.    Großzügigkeit (Generosity)

Es geht darum, das eigene Wissen dem Netzwerk zur Verfügung zu stellen. An erster Stelle steht dabei aber nicht der Gedanke an eine mögliche Gegenleistung, sondern der Wunsch, einen konstruktiven Beitrag leisten zu können.

3.    Offenes Arbeiten (Visible Work)

Das zur Verfügung stellen der eigenen (Wissens-)Ressourcen hat die positive Folge, dass die eigene Arbeit sichtbar gemacht wird. Doch erneut geht es im Sinne von WOL nicht um die eigene Selbstdarstellung, sondern in erster Linie um den Mehrwert für das Netzwerk.

4.    Zielorientiertes Entdecken (Purposeful Discovery)

Da jedes Netzwerkmitglied ein individuelles Ziel verfolgt, richten sich auch die einzelnen Aktivitäten darauf aus: Welche Ressourcen benötige ich? Wie und was kann ich beitragen, um meinem Ziel näherzukommen?

5.    Wachstumsorientiertes Denken (Growth Mindset)

Neue Ansätze, andere Gedankengänge, unterschiedliche Herangehensweisen: Durch den Austausch und die gestiegene Kommunikation untereinander eröffnen sich neue Ideen und Möglichkeiten, an die man ohne WOL vielleicht nie gedacht hätte und die einen dem eigenen Ziel näherbringen können.

WOL-Zirkel

Praktisch umgesetzt wird die Methode in sogenannten WOL-Zirkeln. In kleinen Gruppen von drei bis fünf Personen trifft man sich drei Monate lang einmal die Woche für nur eine Stunde – entweder persönlich oder auch digital. Dabei arbeitet jedes Mitglied mit Hilfe der Gruppe an der Verwirklichung der eigenen Ziele.

Auf seiner Homepage bietet Stepper einen detaillierten Zirkel-Guide kostenlos zum Download an (http://workingoutloud.com/circle-guides). Darin werden für jede Woche Übungen vorgeschlagen, die mit den fünf WOL-Prinzipien zusammenhängen. Während es zum Beispiel in der einen Woche darum geht, die für das Ziel bedeutsamen Netzwerke herauszuarbeiten, geht es in der nächsten Woche darum, sichtbarer zu werden und zu lernen, sinnvolle Beiträge in das Netzwerk einzubringen.

Eine Methode für die Zukunft?

WOL hat auf jeden Fall das Potenzial, das typische „Business-Netzwerken“ völlig auf den Kopf zu stellen. In den kleinen WOL-Zirkeln können nachhaltige und belastbare Beziehungen entstehen, die nicht nur auf den eigene Vorteil abzielen, sondern von echter Wertschätzung und Interesse geprägt sind.

Durch die einfache und unkomplizierte Umsetzung bietet die Methode auch für Unternehmen viele Vorteile. So bekommen Mitarbeiter beispielsweise neue Möglichkeiten des Austauschs und der Zusammenarbeit, über verschiedene Bereiche und auch Hierarchieebenen hinweg. Das wiederum führt dazu, dass die gesamte Unternehmenskultur offener, innovativer und kollaborativer wird. Wissenssilos werden abgebaut, echter Austausch gefördert – das Ergebnis: agilere, hochvernetzte und digitale Unternehmen.

Persönlicher und kultureller Mehrwert

Durch WOL wird Arbeit aber nicht nur sichtbarer, die neue Form des Austauschs macht sie auch effektiver und damit im Endeffekt sogar erfüllender. Die Digitalisierung wird unsere Arbeitswelt nicht nur auf den Kopf stellen, um mit den Veränderungen Schritt halten zu können, brauchen wir neue Strukturen und ein verändertes Mindset.

WOL könnte dazu beitragen, dass wir uns nicht nur persönlich weiterentwickeln, sondern gleichzeitig auch einen kulturellen Mehrwert generieren. Denn ohne Netzwerke und Kollaborationen können keine Innovationen entstehen.

Ob sich „Working Out Loud“ auch in Deutschland durchsetzt, muss sich erst noch zeigen. Der Erfolg gibt Stepper und seiner Methode bisher zumindest Recht: Große Unternehmen wie Daimler, Bosch oder Siemens setzten bereits erfolgreich auf das Konzept.

 

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