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Warum inklusive Sprache in Stellenanzeigen ein absolutes Muss ist

Diversität fängt beim Recruiting an, doch oft wird die Macht der Sprache unterschätzt. Inklusive Sprache kann beim Aufbau diverser Teams helfen. Tipps für die richtige Wortwahl.

Nadia Fischer

19.04.2022

Warum inklusive Sprache in Stellenanzeigen ein absolutes Muss ist

© Sharon McCutcheon via Unsplash

Diversität fängt bei der Personalsuche an, doch oft wird die Macht der Sprache unterschätzt: Die meisten Stellenausschreibungen sind heute noch so formuliert, dass sie Talente mit diversem Hintergrund abschrecken. Inklusive Sprache kann das ändern und beim Aufbau diverser Teams helfen. Wir geben euch Tipps für die richtige Wortwahl.

Sprache und ihre Wirkung

In den USA und in Deutschland wurde untersucht, wie die Wortwahl, die heute in Stellenausschreibungen normalerweise genutzt wird, auf Frauen wirkt. Es hat sich gezeigt, dass die normalerweise benutzte Sprache in Stellenanzeigen in vielen Fällen auf weibliche Talente abschreckend wirkt. Die Wortwahl in Stellenausschreibungen wird nämlich von Frauen und Männern ganz unterschiedlich interpretiert. Das lässt sich auf unsere Sozialisierung zurückführen. Verkürzt gesagt werden Jungen darin gefördert, sich kompetitiv zu verhalten, und Mädchen darin, sich kooperativ zu verhalten. Wir verinnerlichen diese Werte und werfen diese nicht ab, wenn wir erwachsen werden. Wörter, die benutzt werden, um ein kompetitives Umfeld zu beschreiben, wirken daraufhin auf weibliche Talente abschreckend. 

Wiederum in den USA wurde untersucht, wie die Stellenanzeigen normalerweise formuliert waren: 70 Prozent waren in dieser traditionellen, abschreckenden Art geschrieben. In den MINT-Bereichen (Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik) sogar 92 Prozent. Das heißt also, dass eine große Mehrheit der Stellenanzeigen auf weibliche Talente abschreckend wirkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Frauen auf diese Stellen bewerben, ist eher niedrig.

Als Test wurden dann Anzeigen umgeschrieben. Es wurden neutrale Worte und Formulierungen benutzt. Und siehe da: Auf das optimierte Inserat hin gingen 42 Prozent mehr Bewerbungen ein. Diese neue Wortwahl nennen wir inklusive Sprache. 

Inklusive Sprache – Was ist das?

Inklusive Sprache verzichtet auf abschreckende Wörter und Formulierungen. Sie unterlässt den kompetitiven, harten oder prahlerischen Ton. Sie geht auch weiter als gender-neutrales Schreiben, denn es geht nicht nur um die Erwähnung beider Geschlechter bei Nomen (z. B. Mitarbeiterin und Mitarbeiter).
Inklusive Sprache sind Wörter, ganze Formulierungen und Wortkombinationen sowie auch die Tonalität in einem Text, die so gewählt werden, dass sich alle Menschen angesprochen und einbezogen fühlen. Sie hat die Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und Verbindungen zu knüpfen. Inklusives Schreiben schafft Zugehörigkeit.

Entscheidende Faktoren in Stellenanzeigen

In unseren eigenen Arbeiten mit Fokusgruppen haben wir noch einige weitere Faktoren entdeckt, die auf Menschen aus untervertretenen Gruppen abschreckend wirken. (Also nicht nur Frauen, sondern auch sehr junge Menschen oder Talente über 50 Jahre, Menschen mit Migrationshintergrund oder anderer Religion, Hautfarbe, sexuelle Ausrichtung.) Die folgenden Themen und Begrifflichkeiten sind auch ausschlaggebend, ob Unternehmen in ihren Stellenanzeigen auf Talente mit diversem Hintergrund attraktiv wirken:

• Es ist ausschlaggebend, wie die Anzeige strukturiert ist und was in ihr beschrieben wird. So sollte z. B. die Teamkultur beschrieben werden, wenn man junge Talente und Menschen mit Migrationshintergrund gewinnen möchte. Um Vertrauen zu schaffen, sollte der Rekrutierungsprozess beschrieben werden, inklusive Wartezeiten nach jeder Stufe.

• Wörter wie “eigenverantwortlich” oder “selbständig” sollten vermieden werden. Dahinter stellt man sich etwa vor, wie ein Einzelkämpfer in seiner Ecke etwas Cooles entwickelt. Das ist für Frauen abschreckend, weil sie darauf sozialisiert sind, etwas im Team zu erarbeiten. Auch Juniors wollen im Team arbeiten, um von Erfahrenen zu lernen.

• Hinter Jobtiteln verbergen sich unbewusste Bilder. Rufe dir z. B. das Wort “Manager” auf und stelle dir schnell vor, wen du vor dem inneren Auge siehst. Wahrscheinlich ist es bei den meisten Menschen ein Mann. Ist das Bild beim Lesen des Jobtitels aber schon da – und das passiert sehr unbewusst – bekommt man dies nicht aus dem Kopf. Und Frauen schließen sich aufgrund dieses Bildes – wiederum unbewusst – selbst aus dem Kandidat*innenpool aus, im Sinne: “Der Job kann nichts für mich sein. Hier wird ein Mann gesucht.” Wenn man nun den Titel “Projektmanagerin * Projektmanager” oder auch “Wir suchen eine Person im Projektmanagement” liest, entsteht ein viel neutraleres Bild und Frau, Mann und non-binäre Talente können sich darin sehen. 

• Mit jeder Anforderungen mehr, die erwähnt wird, schalten weibliche Talente wie auch Menschen über 50 Jahre ab. Denn sie sind auf Sorgfalt und Ehrlichkeit getrimmt. Viel besser ist, 1 - 2 absolute Muss-Kriterien aufzuzählen und dann eher Gewicht auf die Motivation der Kandidierenden zu legen, d.h. über die Stellenanzeige klar zu machen, dass man Menschen sucht, die neugierig sind und dazulernen möchten. 

• Auch wie die Anforderungen formuliert sind, ist ausschlaggebend auf die Attraktion. Eine Aufzählung von Studienrichtungen oder eine Mindestanzahl von Jahren schließen viele Talente aus, die durchaus geeignet wären. 

Verhaltensänderung beim Schreiben

Es ist nicht ganz einfach, sich inklusive Sprache anzueignen. Denn: Wir haben unseren Sprachgebrauch intuitiv von klein auf gelernt und uns Formulierungen unbewusst eingeprägt. Nur mit dem Lesen dieses Artikels sind wir nicht fähig, auf inklusive Sprache umzupolen. 

Darum ist es wichtig, dass wir uns zuerst eingestehen: Wir sind alles Anfänger*innen in Bezug auf inklusive Sprache. Und wir müssen uns stetig darum bemühen umzulernen. Nur mit hartnäckiger Selbstreflexion und viel Üben können wir unser Sprach-Verhalten nachhaltig ändern.

Damit das mindestens im Schreiben von Stellenausschreibungen etwas einfacher fällt, haben wir von Witty Works eine Software entwickelt, die es den Schreibenden erleichtert, inklusive Stellenanzeigen zu formulieren. Das Tool prüft in Echtzeit, ob abschreckende Begriffe verwendet werden und gibt inklusive Alternativen an. 


 

Nadia Fischer ist Co-Gründerin von Witty Works. Das Tech-Startup hat sich zum Ziel gefasst, die Sprache in Europa zu revolutionieren, um zu einer inklusiven Wirtschaft und Gesellschaft heranzuwachsen. Bei Witty Works ist sie CEO und zuständig fürs Business Development und Product Management.