Gemeinwohl statt Gewinn: Bio-Siegel für Unternehmen
Wie nachhaltig und sozial engagiert sind Unternehmen wirklich? In Deutschland gibt es Zertifikate, die uns verraten, welche Unternehmen sich besonders für das Gemeinwohl einsetzen
Demeter, Fairtrade, UTZ – die Liste der Gütesiegel für Lebensmittel und Alltagsprodukte ist lang. Wir Kunden wissen so, ob unser Klopapier aus recyceltem Papier hergestellt wurde oder unter welchen Bedingungen - zumindest rein theoretisch - unsere Kaffeebohnen gehandelt werden. Über die Firmen, die hinter diesen Produkten stehen, sagen die Produktzertifikate allerdings nicht viel aus.
Was viele nicht wissen, es gibt auch Gütesiegel für Unternehmen. Das ist nicht nur interessant für uns als Kunden, sondern auch für alle Arbeitnehmer wichtig, die wissen möchten, welchen ethischen und sozialen Grundsätzen ein Unternehmen folgt.
Was ist wirklich wichtig?
Erfolg mal anders definieren und neue Maßstäbe setzen. Das ist die Idee hinter den Gütesiegeln vom TÜV-Rheinland, BCorp und der Gemeinwohlökonomie (GWÖ). Es geht nicht darum den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens zu bewerten, sondern den sozialen und gesellschaftlichen Mehrwert den ein Unternehmen schafft.
Ziel ist es transparent zu machen, wie nachhaltig sich eine Firma tatsächlich verhält. Und dazu zählt zum Beispiel auch welche Managementkultur die Chefetage verfolgt, wie das Verhältnis zu den Mitarbeitern ist und wie viel für die Unternehmenskultur investiert wird.
Ob und bei welchem Anbieter man sich einem solchen Blick in den Wertespiegel stellen möchte, ist jedem Unternehmen selbst überlassen. Der TÜV, BCorb und die GWÖ setzen bei ihren Bewertungskriterien jeweils unterschiedliche Schwerpunkte. Eines haben sie aber gemeinsam: Die Anforderungen sind hoch und um diese zu erfüllen, müssen Unternehmen viel Eigeninitiative und Engagement mitbringen.
Die Idee Unternehmen nicht nur aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistung zu bewerten, ist nicht neu. In anderen Ländern gehört die Prüfung auf die Nachhaltigkeit und das Gemeinwohl schon längst zum Alltag. In den USA und Italien gibt es sogar den Geschäftstypus "Gemeinwohlorientierte GmbH".
Drei Anbieter - drei verschiedene Schwerpunkte
Um das Gemeinwohl in den Arbeitsalltag zu integrieren, schlägt die Gemeinwohlökonomie einen ganzheitlichen Ansatz vor. Dahinter steckt nicht nur die Idee eines Gütesiegels für Unternehmen, sondern eine politische Bewegung, die unser ganzes Wirtschaftssystem auf den Kopf stellen möchte. Ziel ist die Umsetzung der ersten „demokratischen Wirtschaftsordnung“.
Viele Unternehmen schreckt dieser Hintergrund ab. Doch sollte das kein Grund sein, auf die Gemeinwohl-Bilanz zu verzichten. Denn dieses zwei Jahre gültige Testat der GWÖ bekommen alle Unternehmen, die einen eigenen Gemeinwohl-Bericht erstellt haben, der von einem externen GWÖ-Audit erfolgreich geprüft wurde. Die Standards der GWÖ sind allerdings ziemlich hoch. Gewertet werden Aktivitäten beispielsweise nur, wenn sie über die gesetzlichen Standards hinausgehen.
Vielleicht ein Grund, warum der in den USA gegründete Zertifizierer BCorp mit seinen deutlich geringeren Anforderungen bei vielen Firmen beliebter ist. Mitgründer von BCorp Germany Simon Berkler sagt, dass für ihn „vor allem der Prozess und der Bewusstseinswandel im Vordergrund“ stehen. Wer sein Unternehmen von BCorp zertifizieren lassen möchte, muss online beim B Impact Assessment mindesten 80 von möglichen 200 Punkten erreichen und sich das Ergebnis anschließend vom sogenannten B Lab zertifizieren lassen.
Noch Entwicklungspotenzial
In Deutschland sind zur Zeit hauptsächlich Start-ups und Unternehmen aus der Öko-Branche an den Zertifikaten interessiert. In den USA sieht das anders aus: International agierende Firmen wie Ben & Jerrys oder Patagonia haben das Bcorp-Zertifikat. Gemeinwohlorientierung und globale Firmenstrukturen schließen sich also keinesfalls aus.
Denn auch wenn Kritiker die Aussagekraft der Zertifikate anzweifeln. Und jedem klar sein muss, dass eine Zertifizierung nicht bedeutet, dass in diesem Unternehmen alles super läuft, leisten sie einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag.
„Eine Zertifizierung heißt, dass das soziale Thema wichtig ist und die Firma sich im Sinne des Gemeinwohls weiterentwickeln will" sagt Sabine Siehl von der Hamburger GWÖ-Gruppe. Und das wirkt sich nicht nur positiv auf die Mitarbeiter und das Klima im Unternehmen aus, sondern beeinflusst auch die Außenwirkung der Firmen.
Unternehmen schärfen ihr Profil
Die soziale Verantwortung und das Gemeinwohl stärker in den Blick zu nehmen, bedeutet gleichzeitig auch sich mit der eigenen Firmenpolitik und dem Sinn von Arbeit zu beschäftigen. So können beispielsweise neue Innovationsimpulse und Motivationsmöglichkeiten für die Mitarbeiter entstehen.
Die soziale Ausrichtung schärft zudem zusätzlich das Unternehmensprofil am Markt. Firmen können sich sichtbar sozial engagiert positionieren - das lockt sowohl potenzielle Investoren als auch neue Mitarbeiter, die ähnliche Werte vertreten.
Ein guter Anfang
Simon Berkler von BCorp bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Es geht nicht nur darum, die soziale Verantwortung für eine Fabrik in China zu übernehmen, sondern auch für die eigene Belegschaft und Gesellschaft vor Ort".
Die Nachhaltigkeits-Zertifikate zeichnen keine perfekten Unternehmen aus, sondern sind wichtige Motivation und Hilfestellung für die Entwicklung von Firmen. Sie stehen für Unternehmen und Jobs mit Sinn.