Social Impact

Warum engagierst du dich für müllfreie Städte Patrick?

Sinnvolles Tun ist mehr als nur Lohnarbeit - wir sprechen in dieser Serie mit Aktivist*innen über ihre Motivation. Diesmal: Patrick, der Kids spielerisch Umweltschutz vermittelt.

Leon Siam, Julia Dillan

12.11.2021

Patrick von bochum.bolzt in einem weißen T-Shirt mit Aufschrift "Team"

Nils Baukus

Hi Patrick! Stell dich doch mal vor.

Ich bin 28 Jahre alt, komme aus Bochum und studiere an der Universität Witten / Herdecke Philosophie, Politik und Ökonomik. Ich bin Initiator von bochum.bolzt und witten.bolzt und Mitgründer des weniger e. V.. In meiner Freizeit spiele ich sehr gerne Fußball, gehe gerne klettern und bin viel draußen.

Was macht die Initiative bochum.bolzt aus?

Wir organisieren Fußballturniere für Grundschulen, tagsüber spielen alle gemeinsam Fußball und in den Pausen wird der Schulhof oder der Bolzplatz und die unmittelbare Umgebung von den Müll befreit. 

Während der letzten zwei Jahre haben wir das Konzept auf klasseninterne Aktionen umgeschrieben und machen jetzt Sportfeste für eine Klasse. Sprich wir gehen Müll sammeln am Schulhof im Viertel und verbringen den restlichen Tag mit klettern, Fußball spielen oder machen Achtsamkeitsübungen. So können wir den Sport auch sowohl sozialen als auch ökologischen Aspekten kombinieren. 

Was hat dich motiviert, dieses Projekt zu starten?

Die Vision dahinter: eine müllfreie Welt. Ich habe bochum.bolzt initiiert, weil ich seitdem ich ganz klein bin Fußball spiele und in dieser Welt aufgewachsen bin. Ich war lange bei der GLS Bank tätig und habe dort spannende Menschen kennengelernt, die die Welt verändern wollen. 

Der entscheidende Funke, warum ich Fußball und Umweltschutz kombiniere, war auf einer Kanadareise, bei der der gesamte Toffino Combers Beach voller Müll war – und zwar Müll der von der ganzen Welt angespüllt wurde. Dort habe ich an einem Beach Clean Up von Surfrider Pacific RIM teilgenommen. 

Das hat mich dazu gebracht dann in Deutschland die integrative und kommunikative Kraft des Fußballs mit der Einfachheit von regionalen Umweltschutz zu kombinieren.

Was magst du daran mit Kindern zu arbeiten? Was gefällt dir nicht so? 

Kinder geben mir sehr viel Hoffnung für die Zukunft. Wir starten immer mit der Frage “Warum sollten wir denn Müll sammeln?” - und das Bewusstsein und Wissen, was die Kinder schon haben, ist überragend. 

Die Kinder haben teilweise einen Riesenspaß am Müll sammeln. Wenn wir in unwegsames Gelände reingehen, finden wir auch mal größere Teile – da wird die gemeinsame Aktion zu richtiger Teamwork für die Umwelt. 

Was mir nicht so gut gefällt: Wir bekommen von Zeit zu Zeit mal Rückmeldungen, dass wir die Kinder instrumentalisieren, unseren Müll wegzuräumen. Den Gedanken kann ich zwar irgendwie nachvollziehen, aber in den Aktionen zählt nichts anderes: Man geht mit den Kindern Müll sammeln und man tut etwas Gutes für die Umwelt. Der Rest kommt erst wieder danach. Dazu organisieren wir generationsübergreifende Clean-ups für die gesamte Familie.

Wie reagieren die Kinder, wenn sie von unserem Müllproblem hören? Du hast gesagt es ist schon ein großes Bewusstsein da?

Das Thema wird immer präsenter, auch bei den Lehrenden und in der Schule an sich. Cool ist, dass wir nicht nur sagen, dass wir was ändern müssen, sondern nach dem Wissensaustausch direkt ins Tun übergehen. Das prägt die Kinder - mittlerweile waren wir sogar schon mehrmals in Schulen und die Kinder erinnern sich und es bleibt ihnen im Bewusstsein. Sie werfen auch keinen Müll einfach so weg glaube ich und machen auch ihre Eltern und Freund*innen darauf aufmerksam.

Welcher Moment ist dir stark in Erinnerung geblieben?

Einmal habe ich um das Stadion in Bochum herum Zigarettenstummel gesammelt am Umwelttag. Super schönes, windstilles Sommerwetter. Ich habe dann mehrere Stunden lang das VfL Bochum Logo aus den gesammelten Zigarettenstummeln gelegt. Wenn man aktiv was für die Umwelt und für die Kids macht, das sehr wertgeschätzt wird, ist das einfach richtig schön.

 

 

Wo bist du noch aktiv?

bochum.bolzt und witten.bolzt habe ich einfach so gestartet, ohne feste Strukturen. Erst in unserem dritten Aktionsjahr, haben wir uns dem Oikosverein Witten angeschlossen und konnten unser Engagement festigen. Dafür haben wir den weniger e. V. gegründet, auch um die Müllverschmutzung vom Fußball zu lösen. Unter dem Projekt “deine Stadt.bolzt” gehen wir weiterhin in Schulen und mit den Kids Fußball zu spielen.

Der Verein schafft aber eben auch den Rahmen für weitere Kooperationsprojekte, z. B. “witten.wurzelt”. Hier wird lokales Gemüse angebaut und auf kurze Lieferketten gesetzt. All unsere Handlungsfelder sind jetzt an den 17 SDGs (Sustainable Development Goals) ausgerichtet, das gibt uns einen guten Rahmen.

Was treibt dich nach 4 Jahren bochum.bolzt immer noch an? Was ist dein persönlicher Motor?

Ich habe immer eingeflößt bekommen: Ich muss Karriere machen, ich muss irgendwie viel Geld verdienen, ich muss ein dickes Auto haben, Wohnung, Haus, Baum pflanzen und so. Nach dem Abitur habe ich dann in München bei einer großen Bank meine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht. Da habe ich schon gemerkt, dass Geld an sich ein zentrales Thema ist. Die Werte und Dynamiken einer Privatbank waren nicht so meins, deshalb bin ich dann auch zur GLS Bank gewechselt. 

Danach habe ich mich immer mehr mit diesen Fragen beschäftigt: 

Wie funktioniert Geld, wie ist es entstanden und was möchte ich eigentlich im Leben machen? Wer bin ich eigentlich und was macht mich aus? Wo sind meine Stärken? Wo sind meine Schwächen so und wie möchte ich in der Welt stehen? 

Diese Fragen treiben mich jeden Tag an, weil ich sehe, dass ich mich erst verändern muss, bevor ich es nach außen tragen kann. Dieser Wandel ist ein stetiger Prozess und hört nie auf.

Wie integrierst du den Aktivismus in deinen Alltag?

In den ersten drei Jahren von bochum.bolzt ging es um nichts anderes als das Thema Müllvermeidung und Umweltschutz. Jede Begegnung, jedes Gespräch, jeder Kurs an der Uni, jeder Vortrag hatte im weitesten Sinne mit dem Thema zu tun. 

Im Nachhinein war es sehr wertvoll, das so zu machen, weil ich für mich sehr viel mitnehmen konnte. Jetzt bin ich aber auch froh, dass wieder mehr Zeit und Raum für mich und auch andere Interessen da ist. Ich versuche jetzt dieses ‘weniger’ auch zu leben: ich wohne im mittlerweile im Van, habe keine Wohnung, versuche so gut es geht müllfrei zu leben. 

Auch mein Studium ist in gewisser Weise Aktivismus für mich: ich studiere Philosophie, Politik und Ökonomik mit dem Schwerpunkt der Müllkrise. Das heißt, ich suche mir bewusst Kurse dazu heraus. So sind es halt nicht acht Kurse, sondern nur ein bis zwei Kurse im Semester.  

Gerade mache ich ein Experiment: maximal ein Termin am Tag - wie beispielsweise das Interview hier. Ich möchte einfach auch in meinem Leben weniger tun, um präsenter zu sein. Ich gehe viel raus, viel klettern, um nicht ständig in Initiativen aktiv zu sein. Ich glaube, das ist mein Aktivismus. Ich bin einfach da. 

Neben den Schulprojekten, die ja eher eine präventive Maßnahme für die Zukunft sind, gehen ich auch in die Politik rein, die berate Wirtschaftsunternehmen. Ich versuche den Aktivismus an so vielen Stellschrauben wie möglich zu integrieren.

Welche Werte nimmst du aus deinem Engagement mit?  

Ich glaube, dass "weniger Angst, mehr Mut" einer der zentralsten Aspekte ist, die ich innerhalb der Projektarbeit gelernt habe. Einfach diesen Mut zu haben, was zu machen und keine Angst davor zu haben. Was könnte denn passieren? Durch dieses Machen entstehen wieder neue Sachen und stärkt uns für neue Vorhaben. 

Wie sähe deine perfekte Wirschaftsform aus?  

Cradle to Cradle mit dem weniger-Ansatz. Momentan denken wir in der Wirtschaftsform sehr linear. Wir brauchen dringend mehr Kreisläufe - zum Beispiel, um aus Biomüll wirklich guten Kompost zu machen, ohne Plastikrückstände oder Ähnliches.

Um den weniger-Gedanken zu integrieren, schaue ich eben, wie das auch ohne Verzicht funktionieren kann: zum Beispiel könnten wir weniger arbeiten gehen, dafür aber mit mehr Berufung und mehr Zeit für kostenlose Dinge, wie Zeit in der Natur. 

Was sind drei Dinge, die du dir wünschen würdest, dass Menschen verlernen?

  • Immer ja zu sagen

  • Immerzu Dinge zu vergleichen und messbar zu machen

  • Zu denken, dass die Welt immer gleich bleibt und nicht im Wandel ist

Außerdem würde ich mir wünschen, dass mehr Menschen sich die Frage stellen, was Geld eigentlich ist und das hinterfragen. 

Was möchtest du unserer GoodJobs Community mitgeben?

Nico Paech war vor kurzem bei uns in der Konzeptionierungsphase als Impulsgeber dabei für den weniger e.V.. Er hat gesagt, dass quasi keine Partei die Klimaziele einhält und er deshalb Schwierigkeiten hat, Hoffnung in die Politik zu stecken. Er ziehe viel mehr Mut daraus, dass Menschen sich Räume schaffen - so wie ihr in der GoodJobs Community es auch tut: Wir sind viele Menschen, die in diesem Bereich etwas machen wollen und machen es erlebbar für andere. Ich wünsche mir, dass viel mehr Menschen mit Mut nach außen gehen mit ihrem Tun, ihrem Job mit Sinn - denn mit diesem machen sie die Transformation möglich.

Ein sehr schönes Schlusswort. Vielen Dank für deine Zeit Patrick.