Umwelt schützen als Berufung – Ein Einblick in die Arbeitskultur bei Greenpeace
Die Umweltorganisation Greenpeace ist als Arbeitgeber der Traum vieler Sinnsuchenden. Wir haben nachgefragt, wie Kultur und Personalentwicklung gelebt werden.
© Daniel Müller | Greenpeace
Greenpeace ist eine der bekanntesten internationalen Umweltorganisationen und als Arbeitgeber der Traum vieler Jobsuchenden im nachhaltigen Bereich. Welche Werte werden innerhalb der Organisation gelebt, wer trifft Entscheidungen und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit? Wir haben bei Ulrike Kaehler, Referentin im Team PersonalKultur, nachgefragt, was neue Kolleg*innen bei Greenpeace erwartet.
Immer mehr Arbeitnehmer*innen wollen von profitorientierten Unternehmen zu nachhaltigen Organisationen wechseln. Wie unterscheidet sich die Arbeit bei einer Umwelt NGO wie Greenpeace vom Privatsektor?
Auf jeden Fall durch das Engagement der Leute und die Sinnhaftigkeit des Schaffens auf allen Positionen. Auch wenn man bei Greenpeace in der IT oder in der Buchhaltung arbeitet, arbeitet man mit an einer wichtigen, guten Sache. Greenpeace ist zudem eine aktionsorientierte und internationale Organisation, da kann man sich ganz anders praktisch einbringen in gesellschaftliche Veränderungen als im Privatsektor. Wir legen Wert auf die Haltung der Menschen, die sich auch im Miteinander und im individuellen Wirken in der Gesellschaft ausdrücken sollte.
Welche Erwartungen bringen eure Bewerber*innen häufig mit? Was davon könnt ihr bestätigen und was entpuppt sich als Mythos?
Viele Menschen denken – und das seit Jahrzehnten ungebrochen – dass Greenpeace basisdemokratisch organisiert ist. Das ist der größte Irrtum, der uns seit langem begegnet. Greenpeace war immer hierarchisch strukturiert, um flexibel und schlagkräftig in den Entscheidungen zu sein. Wir haben aber in den letzten Jahren einen Prozess durchlaufen, die Hierarchien noch einmal abzuflachen und mehr Entscheidungsfindung auf die Mitarbeiter*innen-Ebene zu verlagern.
Wie würdest du eure Organisationskultur beschreiben?
Greenpeace versteht sich als „Lernende Organisation“. Das heißt, wir probieren viel aus und ändern die Dinge zügiger, die nicht funktionieren. Das macht uns flexibler und wir sind besser in der Lage, unsere Kampagnenziele zu erreichen. Dabei ist uns Kommunikation auf Augenhöhe, Wertschätzung, eine ausgeprägte Feedback-Kultur und ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbstorganisation besonders wichtig. Wir haben uns auf einen Weg gemacht, der partizipativ und spannend und noch lange nicht zu Ende ist.
Wie werden bei euch Entscheidungen getroffen?
Das kommt auf die Entscheidungen an. Organisationweite tragende Entscheidungen werden weiterhin von der Geschäftsführung getroffen. Die strategischen Entscheidungen, wie wir inhaltlich arbeiten und wie die Kampagnen konkret ausgestaltet werden, sind auf mehrere Hüte in den Teams verteilt. Es gibt in allen Teams Prozesse, selbstorganisiert und im Konsent Entscheidungen zu treffen, die die Teams selbst betreffen.
Wie schafft ihr es als große internationale Organisation transparente Kommunikation und innovative Strukturen zu fördern?
Der Prozess zur Neuaufstellung von Greenpeace Deutschland war ein sehr partizipativer und transparenter Prozess. Wir haben uns im Zuge dieser Neuaufstellung Strukturen geschaffen, die einen fortlaufenden Organisationsentwicklungsprozess fördern. Dazu gehört eine Querschnittsgruppe „LOrg“ aus Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichsten Teams und Positionen, die weitere Impulse auf dem Weg zur „Lernenden Organisation“ anstößt und begleitet und z.B. Bar Camps zu innovativen Themen organisiert. Ferner gehören auch die sogenannten CoPs (Communities of Practice) dazu, in denen sich jeweils z. B. alle Digitalcampaigner*innen, alle Medienkoordinator*innen, alle Assistenzen etc. zum Austausch und zur Weiterentwicklung ihrer Arbeit treffen. Es gibt auch CoPs zu organisationsübergreifenden Themen, wie z.B. eine CoP-Fempowerment zur weiteren Ermächtigung von Frauen in der Organisation. Ergebnisse und Neuerungen werden regelmäßig auf dem Plenum ans ganze Haus kommuniziert und zur Diskussion gestellt. Zusätzlich wird vermehrt das Instrument von Mitarbeiter*innenbefragungen eingesetzt.
Die internationale Arbeit spiegelt sich in der gemeinsamen Entwicklung von internationalen, länderübergreifenden Kampagnen, einer engen Zusammenarbeit auf Ebene der EU-Politik und z.B. in der Teilnahme an international besetzten Weiterbildungen wieder.
Bei Greenpeace setzt ihr euch mit Aktionen und Kampagnen für Umweltschutz ein. Wie lebt ihr diese Mission intern? Was bedeutet für euch Nachhaltigkeit am Arbeitsplatz?
Greenpeace fühlt sich verpflichtet Vorbild zu sein und nach innen genauso zu wirken, wie wir es nach außen fordern. Wir haben in jedem Bereich strenge Richtlinien, z.B. eine Reiserichtlinie, die Flugreisen stark reglementiert, oder eine Einkaufsrichtlinie, die uns selbst dazu zwingt, genau hinzugucken, wie nachhaltig unsere Dienstleister*innen sind. Natürlich versorgen wir unsere Mitarbeiter*innen im Haus mit Bio-Tee/Kaffee, der zusätzlich aus fairer Produktion kommt. Bei Veranstaltungen wird vegetarisch und wo möglich vegan verpflegt. Wir arbeiten mit recycelter Hardware usw. Greenpeace Deutschland hat sich gerade aktuell zum zweiten Mal einer Gemeinwohlbilanzierung unterzogen, ein Prozess, der (am Ende durch externe Auditor*innen zertifiziert) die Bereiche Auswahl von Lieferant*innen, wie nachhaltig wird mit den Spendengeldern umgegangen, wo wird das Geld angelegt, Umgang mit Mitarbeiter*innen im Hinblick auf Arbeitsverträge, Mitentscheidung, Transparenz, wie nachhaltig sind unsere Kampagnen, Kooperation mit anderen Gruppen, Wirkung für die Gesellschaft und noch einiges mehr beleuchtet und bewertet.
Personalentwicklung hat bei euch einen hohen Stellenwert. Welche Maßnahmen plant ihr dafür ein?
Wir haben schon immer eine gute Mischung aus Einzelmaßnahmen, Gruppenworkshops und Teamentwicklungsmaßnahmen gehabt. Einzelmaßnahmen heißt, dass z. B. Kampaigner*innen bei uns Medientrainings bekommen, damit sie ihren Job vor der Kamera und in Interviews gut machen können. Einzelmaßnahmen sind aber auch Coachings für einzelne Mitarbeiter*innen, die ein bestimmtes Thema bearbeiten wollen. Ein Schwerpunkt war immer die Weiterentwicklung der Leitungen, was aktuell ein ganz wichtiges Thema ist, um den Transformationsprozess hin zu mehr Eigenverantwortung in den Teams auch leben zu können. Um die neue Kultur zu implementieren wurden für alle Mitarbeiter*innen verpflichtend Workshops zum Erlernen einer neuen Feedback-Kultur durchgeführt. Teamentwicklung ist seit Jahren ein weiterer Schwerpunkt für uns, in diesem Rahmen wurden in den letzten zwei Jahren viele Workshops zum selbstorganisierten Arbeiten durchgeführt, aber auch viele Teamentwicklungsprozesse zur Konfliktaufarbeitung. Als neuestes Projekt haben wir eine Reihe von Trainings zum Thema „struktureller Rassismus und andere Formen der Diskriminierung“ auf der Agenda, um in diesem Bereich unsere Sensibilität noch zu verbessern.
Wie hat sich eure interne Zusammenarbeit in den letzten Jahrzehnten verändert und was sind eure nächsten Schritte?
Greenpeace feiert aktuell Geburtstag. Greenpeace International wird 50 Jahre alt und Greenpeace Deutschland ist 40 geworden. In diesen vielen Jahrzehnten hat sich natürlich eine Menge verändert. Es war ein weiter Weg von einer Hand voll Aktivist*innen, die eher spontan ihre Aktionen planten, bis hin zum Aufbau professioneller Strukturen und mehreren Umstrukturierungen, um zum einen dem steten Wachstum der Organisation zu begegnen und zum anderen Formen der Zusammenarbeit und Außenwirkung zu gestalten, die jeweils zeitgemäß sind. Im Moment sind wir, wie bereits beschrieben, dabei einen immerfort laufenden Prozess zur Lernenden Organisation zu implementieren, sodass die Veränderung jetzt Programm ist.
Was sollten Bewerber*innen passend zu eurer Arbeitsweise und Kultur unbedingt mitbringen?
Greenpeace Deutschland freut sich über alle Menschen, die uns noch bunter und vielfältiger machen, die offen sind für Lernen und Kommunikation, die sich auf Selbstorganisation, eigenverantwortliches Arbeiten und einen wertschätzenden Diskurs einlassen. Gleichzeitig ist es für die Arbeit in einer NGO unumgänglich, politisch und strategisch denken zu können und das Engagement mitzubringen, mit allem Einsatz Veränderungen für eine bessere Welt bewirken zu wollen. Wir brauchen Teamplayer*innen, die gleichzeitig Positionen vertreten und durchsetzen können.