Sorgen smarte Apps für mehr Autonomie im Alter?
Kinder oder Enkel*innen können ihre Angehörigen dabei unterstützen, digitale Anwendungen zu installieren, die die Lebensqualität erhalten.
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Was tun, wenn im Alter das Gedächtnis nachlässt, die Sicht schlechter, der Gang unsicherer wird? Smarte Apps und moderne Gadgets sollen Abhilfe schaffen. Doch lassen sie sich auch gut bedienen?
Apps erinnern an die Einnahme der Medikamente, Bedienungshilfen machen Schriften auf dem Handy leichter lesbar. Sensoren in der Wohnung „lernen” die Verhaltensweisen der Bewohner*innen und melden ungewöhnliche Ereignisse an Pflegedienst oder Angehörige. Altersgerechte Assistenzsysteme oder auch Smart-Home-Anwendungen wollen älteren Menschen und ihrem Umfeld den Alltag erleichtern. Doch leisten sie das wirklich? Und welche Angebote gibt es bereits?
Videotelefonate mit Untertitel
Auf diesem Gesundheitsmarkt den Überblick zu behalten, fällt jedenfalls schwer. Smartphone und Tablet können einen einfachen Einstieg bieten. Falls man nicht mehr gut hört, hilft beispielsweise eine Transkriptions-App: Sie wandelt das gesprochene Wort in Schrift um, wie Michael Hubert von der Agentur Barrierefrei NRW erklärt. Wer wiederum Videotelefonate über das Programm Skype führt, kann sich Untertitel anzeigen lassen. Die kostenlose App „Greta” untertitelt Kinofilme oder spielt im Kinosaal passend zum Film die Audiodeskription – also eine akustische Beschreibung dessen, was auf der Leinwand läuft – über Kopfhörer ab. Christoph Zimmermann empfiehlt bei Gehörverlust ein Blinklicht, das signalisiert, ob es an der Tür schellt oder das Telefon klingelt. Die Kosten hierfür lägen bei unter 200 Euro, so der Leiter des Living Lab smartHome/AAL am FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe. AAL steht für das englische Ambient Assisted Living, also Konzepte und Produkte, die das Leben im Alter leichter machen wollen.
Bedienungshilfen sind auch smarte Apps
Man muss sich nicht immer spezielle Anwendungen auf das Smartphone oder Tablet laden. Auch systemeigene Bedienungshilfen könnten etwa durch vergrößerte Ansichten oder Sprachbefehle den Alltag erleichtern, so Hubert. Bei den Betriebssystemen Android und iOS gibt es in den Einstellungen viele Optionen, um sich die Bedienung des Geräts einfacher zu machen. Sogenannte Launcher Apps reduzierten indes den Funktionsumfang, vergrößerten die Ansicht für bessere Lesbarkeit und vereinfachten dadurch die Bedienung. „Die Apps bereinigen den Desktop und gestalten ihn nach den Wünschen des Nutzers neu”, erklärt Hubert. Das nehme Ängste, das Gerät falsch zu bedienen oder Wichtiges zu löschen. Hubert rät dazu, sich bei der Einrichtung Hilfe zu holen, beispielsweise bei Smartphone-affinen Enkel*innen, bei Freund*innen, in einer Beratungsstelle oder in einem Handy-Kurs, den manche Volkshochschulen im Programm haben. Auch viele Mehrgenerationenhäuser oder das Projekt „Digitaler Engel” bieten Hilfe zu einem sicheren Umgang mit digitalen Diensten und Geräten an.
Wenn der Tablettenspender Signale gibt
Auch im Gesundheitsbereich sehen Expert*innen Potenzial bei digitalen Anwendungen für Ältere: Apps überwachen etwa die Körperfunktionen und Fitness-Armbänder oder digitale Lernspiele „können zur Erhaltung und Förderung der Autonomie und Lebensqualität dienen”, heißt es im Achten Altersbericht für die Bundesregierung. Die Nutzung von Monitoring-Apps könne bei chronisch erkrankten Personen das Selbstmanagement verbessern und die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten senken. Die kostenlose Anwendung „My Therapy” beispielsweise erinnert an die rechtzeitige Einnahme oder den Einkauf von Arzneimitteln. Automatische Tablettenspender können ebenfalls dazu beitragen, die Pillen nicht zu vergessen, ergänzt Prof. Andreas Hein, Direktor des Departments für Versorgungsforschung an der Universität Oldenburg. Diese Geräte stellen nur die jeweilige Tagesdosis an Medikamenten zur vorgeschriebenen Zeit bereit. Manche erinnern akustisch sowie durch ein Lichtsignal an die Einnahme. Besonders smarte Geräte sind so ausgestattet, dass sie zuvor festgelegte Personen informieren können, sollte die Einnahme ausbleiben.
Bodenbeläge, die Stürze erkennen
Typischerweise beginnt die häusliche Pflege älterer Menschen nach einem Sturz. „Besser wäre es, Probleme in der Mobilität frühzeitig zu erkennen und gegenzuarbeiten”, sagt Hein, der als Experte am Altersbericht mitgewirkt hat. Als einen wesentlichen Baustein der Versorgung älterer Menschen in ihrer eigenen Wohnung bezeichnet er daher Hausnotrufsysteme. Sie ließen sich mit Zusatzgeräten wie Uhren mit Beschleunigungssensoren, Brand- oder Wassermeldern, Tür- und Bewegungssensoren kombinieren. Auch Teppiche oder feste Bodenbeläge mit Sturzsensoren sind mit einem Alarmsystem koppelbar. „Das ist aber derzeit noch teuer”, erklärt Hein und spricht von „Tausenden Euros”. Je nach Pflegegrad gibt es hier aber womöglich Unterstützung durch die Pflegekasse. Für Küche und Bad gibt es Systeme, die warnen, falls der Herd eingeschaltet bleibt oder das Wasser zu lange läuft. Hausautomatisierungssysteme können lernen, wie sich die Bewohner*innen einer Wohnung normalerweise bewegen und Abweichungen melden. Das Problem: Für all das benötigt man immer jemanden, der das System oder die Systeme installiert, konfiguriert und aufeinander abstimmt. Gerade bei Smart-Home-Anwendungen sieht Forscher Zimmermann Schwierigkeiten in der Installation. Häufig seien Systeme verschiedener Hersteller nicht miteinander kompatibel. Menschen ohne Technik-Affinität könnten vieles nicht intuitiv bedienen, bemängelt er. Eine Einrichtung seitens Handwerkern sei entsprechend teuer.
Smarte Apps: Übersichten im Netz
Wer nach smarten Produkten und Anwendungsfällen recherchieren möchte, kann auf der FZI-Website „Wegweiser für Alter und Technik” fündig werden, wo aktuell mehr als 200 konkrete Produkte gelistet sind. Hubert wiederum empfiehlt für einen Überblick die Datenbank Rehadat, ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft, sowie die Datenbank der Stiftung „barrierefrei kommunizieren!”, die eine Suche nach Computertechnologien, die Menschen mit Behinderung helfen sollen, ermöglicht. Zudem nennt er den Produktkatalog der gemeinnützigen Einrichtung Demenz Support Stuttgart. Darüber hinaus bieten Demonstrationswohnungen die Möglichkeit, „die Technik auch mal anzufassen und zu erfahren: ‚Es sieht nicht schlimm aus’”, wie Präventionsexperte Hein sagt. Denn wichtig sei, dass die Produkte nicht stigmatisierten, ergänzt Christoph Zimmermann. Sonst würden sie nicht angenommen. Fazit: Von der Smartphone-App bis zur smarten Fußmatte gibt es eine Menge Technologien, die älteren Menschen das Leben leichter machen wollen. Das Wichtigste ist aber, dass Senior*innen den Nutzen dahinter sehen und die Hilfsmittel auch verwenden wollen.