Politisch die Arbeitswelt revolutionieren? Was versprechen die Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2021?
Die nächste Legislaturperiode beginnt im Herbst 2021. Was wird uns für die kommenden vier Jahre arbeitspolitisch von den sechs im Bundestag sitzenden Parteien in Aussicht gestellt?
Was uns nach der Wahl im September erwarten könnte
Wir haben uns die Wahlprogramme der aktuellen Parteien im Bundestag hinsichtlich ihrer Arbeitspolitik angesehen und wagen einen Ausblick, was uns 2021-2025 erwartet. In welchen Forderungen herrscht Einigkeit, welche Unterschiede bestehen und was wird wohl Zukunftsmusik für Arbeitnehmer*innen bleiben. Dabei erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr ist dieser Artikel als Grundlage zu verstehen, selbst noch intensiver zu recherchieren.
Hinlänglich ist bekannt, dass beispielsweise von FDP und AFD keine Forderungen in Sachen Tarifbindung zu erwarten sind oder dass Mindestlöhne eher Thema der SPD, Die Linke und Die Grünen darstellen, aber welche Partei hat eine Meinung zu Remote Arbeit, zur 30-Stunden-Woche oder Inklusion in der Arbeitswelt und was fordern sie genau? In diesem Artikel widmen wir uns zusätzlich den Themen Mitarbeiterbenefits, Zeit- und Leiharbeit, Mini- und Midijobs, dem Recht auf Auszeiten vom Job und der Gender-Pay-Gap.
Mindestlohn und andere Zulagen
Es wundert nicht, dass die SPD und Die Grünen einen Mindestlohn von 12 Euro fordern. Die Grünen möchten diesen danach weiter steigern. Die Linke fordert direkt 13 Euro Mindestlohn. Die AFD spricht nur vom Beibehalten des Mindestlohns aber nicht von einer Erhöhung. Mehr Netto vom Brutto für Arbeitnehmer*innen unterstützt die CDU, die die steuer- und sozialabgabefreien Sachzuwendungen ausweiten und vereinfachen will. Ein Konzept für die betriebliche Altersvorsorge für alle soll entstehen. Wenn es nach der FDP geht, werden besonders Betriebskindergärten steuerlich gefördert. Dafür wollen beide Parteien die Lohnzusatzkosten und die steuerlichen Abgaben von Unternehmen auf 40 Prozent halten und die FDP sogar weiter senken.
Rechte der Arbeitnehmer*innen
Die Stärkung von Rechten von Beschäftigten und damit von Betriebsräten und Tarifverträgen unterstützt die CDU. Die Linke strebt eine Tarifbindung für alle Unternehmen und Branchen an und möchte dir Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern. Das will auch die SPD und konkretisiert mit einer Ausweitung des Kündigungsschutzes von Betriebsrät*innen. Laut Wahlprogramm der SPD und Die Linken soll damit auch die Löhne im Osten und Westen angeglichen werden. SPD wie die Grünen wollen zusätzlich die Vergabe von öffentlichen Aufträgen noch stringenter an das Bundestariftreuegesetz binden.
Die Gender-Pay-Gap
Geschlechtergerechte Löhne fordern Die Grünen, FDP und Die Linke. DIe Gender-Pay-Gap soll geschlossen werden und Die Linke fordert weiterführend einen Auskunftsanspruch auf Entgelttransparenz. Die FDP will mehr Frauen in der Führung und mehr Transparenz in die Diversitätsprozesse bringen.
Inklusion von Menschen mit Behinderungen
Die FDP möchte Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt stärken. Die AFD spricht sich für ein Bonussystem für die Einrichtung von Arbeitsplätzen sowie faire Entlohnungen für Menschen mit Behinderungen aus. Auch Die Grünen wollen die Inklusion vorantreiben und fordern die Erhöhung der Ausgleichsabgabe sowie die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung mindestens auf Mindestlohnniveau.
Familienfreundliches Arbeiten
Für einen Partnerschutz zusätzlich zum Mutterschutz setzt sich die FDP ein und das auch Führungskräfte eine zeitlich begrenzte Auszeit bekommen können. Die Linke will ein Recht auf vorübergehende Arbeitszeitverkürzung sowie bis zu zwei Sabbatjahren im Arbeitsleben und einen Rechtsanspruch auf familiengerechte Arbeitszeiten.
Meinungen zu diversen Arbeits(zeit)modellen
Zeit- und Leiharbeit soll erhalten bleiben, aber während CDU und FDP nur von mehr Wertschätzung und strengeren Arbeitsschutzkontrollen sprechen, fordern AFD, SPD und Die Grünen Lohnangleichung zu Stammarbeiter*innen. SPD und Die Grünen wollen die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne Sachgrund abschaffen und die Grünen fordern zusätzlich zur Lohnangleichung auch eine Flexibilitätsprämie für Leiharbeiter*innen.
Mini- und Midijobs spalten die Parteien. CDU und FDP wollen die Grenzen erhöhen, konkret schreibt die CDU von 550 Euro, die FDP möchte sie an den Mindestlohn koppeln. Die Linke und Die Grünen möchten die Mini- und Midijobs abschaffen und in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen überführen. Die SPD ist für eine Gleitzone bei Midi-Jobs auf 1.600 Euro und geringere Arbeitnehmer*innenabgaben ohne geringeren Rentenanspruch. Grundlegend setzt sich Die Linke für ein Mindesteinkommen von 1.200 Euro ein, was bis dahin nicht besteuert wird.
Eine flexiblere Aufteilung der Arbeitszeit wollen CDU und FDP ermöglichen. Statt einer täglichen, soll es künftig eine wöchentliche Höchstarbeitszeit geben. Die Linke verlangt, dass die Höchstarbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche begrenzt und das die reguläre Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich reduziert wird.
Arbeiten nach der Pandemie
In der Pandemie ist das Arbeiten von zu Hause aus unerlässlich geworden. Wie wird es hier weitergehen? Die FDP, Die Linke, SPD und die Grünen sind sich einig und wollen Home Office und mobiles Arbeiten stärken. Bei der FDP bleibt es bei der Forderung nach einem Erörterungsanspruch, ob dieses Arbeitsmodell im Unternehmen geht oder nicht und warum, sowie steuerliche Erleichterungen für das Home Office. Die Linke, die SPD und die Grünen fordern ein Recht auf mobiles Arbeiten. Zudem wollen die SPD ein Recht auf Nichterreichbarkeitszeiten und Zeitkontos. Die Linke und die Grünen fordern die Dokumentation von Arbeitszeiten. Im Wahlprogramm der CDU konnten wir nur die Förderung von Co-Working im ländlichen Raum finden.
Was ist uns darüber hinaus aufgefallen?
Die Linke fordert eine Verordnung zum Schutz vor Gefährdung durch psychische Belastungen (Anti-Stress-Verordnung) und die erleichterte Anerkennung von Berufskrankheiten. Sie will weiterhin den gesetzlichen Urlaubsanspruch schrittweise von 24 auf 30 Tage erhöhen. Für die Anerkennung von Abschlüssen und Zertifizierungen sowie die Verbesserung der Qualifizierung von eingewanderten Fachkräften will sich die CDU einsetzen. Sie möchten weiterhin eine Jobcenter Offensive in Sachen Aus- und Weiterbildung voranbringen. Die SPD möchte Bildungszeit finanziell fördern und die Brückenteilzeit möglich machen. Von einer “Entschlackung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts” spricht die AFD und kritisiert außerdem, dass Branchen durch Investitionen zugunsten des Klimaschutzes belastet würden.
Unser Fazit
Die zuletzt genannten Punkte finden sich nur in den Wahlprogrammen der jeweiligen Partei wieder. Es ist davon auszugehen, dass hier keine Mehrheit erreicht und sich in den nächsten Jahren nichts Konkretes tun wird. Allgemein besiegeln die angestrebten Maßnahmen höchstens das, was Arbeitnehmer*innen bereits längst fordern und erste Arbeitgeber*innen testen oder bereits vertraglich regeln. Wir vermissen z. B. Nachhaltigkeitsaspekte am Arbeitsplatz, Maßnahmen zur Sicherung der (mentalen) Gesundheit von Arbeitnehmer*innen und die Förderung von neuen Arbeitsmodellen. Unserer Meinung nach ging die Revolution schon immer und geht weiterhin von den Arbeitnehmer*innen aus. GoodJobs wird zusammen mit den GoodCompanies und unserer Community hier weiter Vorreiterin sein und zur Diskussion anregen.