New Work braucht New Leadership!
Neues Arbeiten hat viel mit gemeinsamen Werten und dem Teamgefühl zu tun. Welche Rolle Führungskräfte einnehmen, hat uns Coach Lukas Weisser beantwortet.
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Hi Lukas, was sind für dich die drei wichtigsten Aspekte von New Work?
Eine gemeinsame starke Vision, Vertrauen und Flexibilität! Natürlich reichen diese drei Aspekte alleine nicht aus, da New Work sehr komplex ist und das eine ohne das andere nicht funktioniert. Wer zum Beispiel den Mitarbeiter*innen in Arbeitszeit- und Ort Flexibilität gibt, ihnen aber nicht vertraut und sie deshalb ständig kontrolliert, hat nichts gewonnen.
Wie wandelt sich die Teamzusammenarbeit in der neuen Arbeitswelt?
Wir sollten viel mehr in Persönlichkeiten und Stärken denken und nicht mehr in Abteilungen oder Bereichen. Vielleicht weiß Mitarbeiter*in A in der Buchhaltung die Lösung für ein Problem von Mitarbeiter*in B und C im Marketing? Das Zauberwort hierfür ist Transparenz. Natürlich können Stärken nur eingebracht werden, wenn sie und die bestehenden Probleme und Herausforderungen auch bekannt sind. Unternehmen, die auf die Expertise und das Know-How der eigenen Mitarbeiter*innen – und zwar aller – zurückgreifen, können nur gewinnen.
Welche Rolle spielen Führungskräfte dabei? Was bedeutet New Leadership?
Eine ganz entscheidende – sie sind aus meiner Sicht der größte Hebel in Unternehmen für die Arbeitskultur. Natürlich geht es bei New Work darum, dass Mitarbeiter*innen immer selbstständiger und eigenverantwortlicher arbeiten und so auch mehr Verantwortung übernehmen. Das bedeutet aber nicht, dass Führungskräfte überflüssig werden – ganz im Gegenteil. Sie werden immer wichtiger, allerdings in einer anderen Rolle.
Gute Führungskräfte heute sind mehr Coach. Sie unterstützen die Mitarbeiter*innen dabei, dass sie ihre Stärken bestmöglich einbringen können und ihre Bedürfnisse und Werte berücksichtigt werden. Vielen Führungskräften fällt diese Veränderung leider sehr schwer, da es im ersten Moment nach „Machtverlust“ aussieht. Aber eins ist ganz klar: Diese Veränderung ist alternativlos!
Was läuft in der Chef*in zu Mitarbeiter*in Kommunikation falsch, wie kann es besser funktionieren?
Es ist in sehr vielen Unternehmen eine Kommunikation zwischen zwei Ebenen statt auf Augenhöhe. Statt gemeinsam das Unternehmen weiterzuentwickeln, findet hier meistens ein kleiner unterbewusster Machtkampf statt. Führungskräfte glauben, Mitarbeitende nutzen sie aus und die Mitarbeitenden machen das, was den Führungskräften imponiert. Ich wünsche mir hier viel mehr Kommunikation auf Augenhöhe, bei der es um ein gemeinsames Ziel geht und jede*r sich gleichermaßen einbringen kann.
Flache Hierarchien - was bedeutet das für dich? Heißt das, es gibt keine Führungskraft mehr?
Ich glaube, „flache Hierarchien“ ist die meistverbreitetste Lüge in Stellenanzeigen. Das steht fast überall, jedoch wird das nur ganz selten auch wirklich gelebt. Flache Hierarchien bedeuten nicht, dass es keine Führungskräfte mehr gibt. Es bedeutet vielmehr, dass jede*r ein wichtiger Teil des Ganzen ist und dies auch so gelebt wird. Führungskräfte agieren hier wie Schiedsrichter*nnen beim Fussball. Sie geben einen Rahmen vor, in dem sich jede*r bewegen kann und seine Qualitäten, Persönlichkeit und Werte entfalten und einbringen kann.
Apropos Fußball – du bist auch als Schiri für den DFB tätig. Was nimmst du dir daraus für Inspirationen für deinen Arbeitsalltag mit?
Nach 15 Jahren sehe ich mittlerweile sehr viele Parallelen zwischen der Schiedsrichterei und modernen Führungskräften. Auch als Schiedsrichter kann ich einfach derjenige sein, der kontrolliert und sanktioniert. Ich kann aber auch derjenige sein, der den Anspruch hat, das Spiel mit den Spieler*innen gemeinsam zu spielen. Immerhin haben wir alle das gemeinsame Ziel: ein schönes und faires Fußballspiel. Ich versuche, mich auch auf dem Platz stets in die Spieler*innen einzufühlen und zu überlegen, was welche*r Spieler*in in welcher Situation braucht. Mal ist es einfach Zuspruch, Verständnis, eine Erklärung oder auch mal eine Ansage. Die Spieler*innen merken relativ schnell, ob ich als Schiedsrichter „gegen“ sie oder „mit“ ihnen bin und sind meist sehr dankbar für das Miteinander auf Augenhöhe. Hier spielen Faktoren wie Wertschätzung, Respekt und Vertrauen eine wichtige Rolle für mich. Und wenn das auf dem emotionsgeladenen Fussballplatz geht, dann definitiv auch im Unternehmen.
Viele Arbeitnehmer*innen haben nicht das Gefühl, dass sie Führungskräfte im eigenen Unternehmen feedbacken können und verlassen eher das Unternehmen, als am Wandel mitzuwirken. Was sind deine Tipps dagegen? Wie können Mitarbeitende sich mehr Gehör verschaffen?
Das erlebe ich leider auch sehr oft, bzw. wird mir von Arbeitnehmer*innen berichtet, dass Feedback zu den Führungskräften nicht erwünscht ist oder nicht angenommen wird. Leider – denn Feedback ist unfassbar wichtig, nicht nur als Führungskraft, sondern für jede*n als Mensch, um sich selbst zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Tatsächlich ist das ein sehr schwieriges und sensibles Thema bei Führungskräften, die da einfach stur sind. Ich würde trotzdem immer dazu raten, das Gespräch mit der Führungskraft zu suchen und die eigene Sichtweise und die eigenen Bedürfnisse zu erläutern – ohne Vorwürfe zu machen. Gegebenenfalls gibt es noch eine unabhängige Partei, (zum Beispiel HR) mit der ich mein Anliegen teilen kann, die dann als Moderation dabei sein kann. Wichtig ist dabei, immer das gemeinsame Ziel des Gesprächs in den Vordergrund zu stellen: die gemeinsame Vision, Erfolg oder die Weiterentwicklung des Unternehmens. Sollte sich nichts ändern, darf jede*r nach den eigenen Bedürfnissen schauen und sich umgucken – es gibt reichlich attraktive Unternehmen!
Was wünschst du dir von Unternehmen – sowohl von den Mitarbeiter*innen als auch der Führungsebene?
Ich wünsche mir mehr Mut und Innovationsgeist. Wir haben jetzt – auch dank Corona – eine Zeit, in der es schon einige Unternehmen begreifen, dass eine große gesellschaftliche Veränderung stattfindet. Ich wünsche mir mehr Mut, jetzt zu agieren, voranzugehen und Vorreiter*in einer neuen Arbeitswelt zu sein. In vielen Branchen gibt es keinen Fachkräftemangel, sondern einen Mangel an Attraktivität in Unternehmen!
Kannst du ein Buch für die persönliche Sinnsuche in der eigenen Karriere empfehlen?
Auf jeden Fall “The Big Five for life” von John Strelecky. Das Buch war ein absoluter Gamechanger für mich, weil es sich mit dem Sinn des eigenen Lebens und der Ausgestaltung befasst. Wie oft rennen wir in unseren Aktivitäten in verschiedene Richtungen, ohne ein uns erfüllendes Ziel im Blick?
Wertschätzung in der Arbeit ist für mich….
…ein Geben und ein Nehmen – aber auf jeden Fall unendlich wichtig!
Lukas Weisser ist CEO und Gründer des Start-ups IntriCo - The Intrinsic Company , einer Unternehmensberatung, die sich auf Persönlichkeitsentwicklung, New Work, Leadership und Gesundheit im Team spezialisiert. Ihr Motto: Erfolg beginnt von Innen – also mit den Mitarbeiter*innen, der Arbeitskultur und den Führungskräften.