New Work

Arbeiten nach eigenen Ideen und Motivation – ein Gespräch über New Work

Wir haben mit Andreas Weck, Ressortleiter für Karriere und New Work beim Online-Magazin t3n über neues Arbeiten und seine Sinnsuche gesprochen.

Julia Dillan

28.10.2021

Portrait Andreas Weck von t3n, Ressortleiter Karriere und New Work

Ole Witt

Was sind für dich die drei wichtigsten Aspekte von New Work?

Selbstwirksamkeit - also, dass man selbst entscheidet, was man wie macht und mit welchem Zweck dahinter. Arbeiten nach eigenen Ideen und Motivation. Da gehört auch ein ganzes Stück gegenseitiges Vertrauen dazu.

Wenn Menschen sich durch technische Komponenten in ihrem Sinne organisieren, vielleicht ortsungebunden oder asynchron arbeiten können, unterstützt das die Selbstwirksamkeit. Manchmal merke ich zum Beispiel morgens beim Aufklappen des Rechners, dass heute nicht so mein Tag ist. Dann gehe ich lieber eine Runde joggen weg vom Schreibtisch und setze mich dann abends nochmal ran. Das funktioniert nur durch den technischen Fortschritt und die Flexibilität seitens des Unternehmens.

Das worauf dann das Hinterfragen alter Arbeitsstrukturen hinausläuft, ist die Freiheit. Das ‘New’ in New Work beschreibt ja, dass wir anders arbeiten wollen. Früher hieß es: 9 to 5 an einem Ort, weisungsgebunden und immer nur Ziele vom Management verfolgt. Unternehmen, die diese drei Aspekte berücksichtigen, sind auf jeden Fall in einem guten New Work-Fahrwasser. 

Super wichtig für New Work ist auch die Kommunikation. Wie hat sich die beschriebene Flexibilität durch Technik auf eure Kommunikation bei t3n ausgewirkt?

Es gab bei uns schon immer Vertrauensarbeitszeit, nie die ganz klare Ansage, wir müssten um 9:00 Uhr da sein. Die einen (so wie ich heute) fangen auch mal gern um 5:00 Uhr an, die anderen auch nach 9:00 Uhr. Das war noch nie ein Problem. Inzwischen arbeiten wir fast ausschließlich mit Kennzahlen, auch in der Redaktion. Es kommt gar nicht mehr wirklich auf die Zeit, sondern auf das Ergebnis an, also ist es egal, wann ich komme.

Nichtsdestotrotz kommuniziert man das natürlich transparent: Ein kurzer Hinweis in unserem Kommunikationstool Slack, dass ich jetzt erreichbar bin, oder dass ich eine längere Pause einlege, ist da für alle hilfreich. Natürlich sollten auch Absprachen eingehalten werden, ich kommuniziere dann ganz klar, wann das Ergebnis da ist, egal ob es dann nachts oder am nächsten Morgen kommt.

Arbeitest du komplett im Home Office oder Hybrid? Wie stellst du dir das optimale Post-Pandemic-Arbeitsmodell vor?

Mein jetziges Setup ist für mich ideal: Ich arbeite komplett mobil, also auch nicht unbedingt im Home Office, sondern von wo ich will. Oft arbeite ich von der Ostsee aus, wohne aber eigentlich in Berlin. Ich brauche den Wechsel der Arbeitsumgebung um meine Kreativität anzukitzeln. Das geht natürlich nicht allen so. Meine Freundin hat zwar durch Corona das Home Office so ein bisschen für sich entdeckt, möchte das aber maximal zwei Tage in der Woche machen, weil sie ohne ihre Kolleg*innen nicht so gut arbeiten kann. 

Meine Arbeitsweise habe ich mir über Jahre hinweg Schritt für Schritt erarbeitet. Schon im Volontariat 2014 habe ich von San Francisco gearbeitet, also zeit- und ortsunabhängig. Das war für uns ein riesiges Experiment. 

Wichtig ist es, zu schauen, was sich jede*r einzelne wünscht, um wirksam arbeiten zu können und da müssen Arbeitgebende offen für verschiedenste Modelle sein. Dafür braucht es natürlich die technische Grundausstattung und Vertrauen. Das ist glaube ich schwieriger bei großen Konzernen als bei Agenturen.

Da scheitert es ja häufig an Gesetzmäßigkeiten, allein schon um eine Workation durchzusetzen. Welche Änderungen würdest du dir da arbeitsrechtlich wünschen?

Ein Update des Zeitarbeitsgesetzes wäre schon ein Fortschritt. Der 8-Stunden-Tag ist ja gesetzlich geregelt, genauso wie, dass am Wochenende nicht gearbeitet werden darf. Die ganzen Schutzgesetze haben schon ihren Sinn, aber auf anderer Seite ermöglichen sie kein Ausbrechen aus dem System - also eine gewisse Flexibilisierung. Was spricht dagegen, wenn jemand es möchte, um 22 Uhr zu arbeiten? Natürlich nur, wenn die Person es wirklich will, Unternehmen nutzen so etwas leider auch immer wieder aus. 

Auch im Home Office sollte eine bestimmte Rechtssicherheit gegeben sein - viele Unternehmen gestatten ihren Mitarbeitenden die Heimarbeit ja nur aufgrund der schwammigen Gesetzmäßigkeiten nicht. Mit Zusatzversicherungen könnten sich Unternehmen zum Beispiel auf die sichere Seite begeben.

Stichwort Workation?

Dadurch, dass solche Modelle rechtlich eben nicht festgelegt sind, sträuben sich viele Unternehmen davor, ihren Mitarbeitenden zum Beispiel eine Workation zu genehmigen. Bei t3n ist eine Kollegin jetzt den ganzen Sommer über durch ganz Osteuropa gereist und ich habe sie auch dazu interviewt. Von Lesenden kam die Rückfrage, in welchem Land denn das eingenommene Geld versteuert werden müsste - ob in Deutschland oder in Bratislava. Rein rechtlich gesehen ist das ein Problem. Die Menschen sind in dem Gesichtspunkt weiter als das Gesetz. 

Welche Tipps hast du für bessere mentale Gesundheit im Job und was sollte auf Arbeitgeber*innenseite geändert werden?

Schutzgesetze haben ja, wie gesagt, schon ihren Sinn - viele Unternehmen würden die Arbeitskraft von Menschen sonst auch einfach ausnutzen. Für Menschen, die in solchen Unternehmen arbeiten, würde ich immer empfehlen, sich auf diese Gesetze zu beziehen und sie zu nutzen.

Für Menschen, die schon bei guten Arbeitgebenden arbeiten, würde ich empfehlen, noch stärker in sich selbst hineinzuhorchen. Es geht ruck zuck, dass man durch freieres Arbeiten anfängt, eigene Grenzen nicht mehr richtig abzustecken. Dass man doch mehr als acht Stunden arbeitet, wodurch der Körper auf Dauer in einen Ausnahmezustand gerät und langfristig in Richtung Burnout rutscht. Lernen loszulassen, vielleicht auch mal Nein sagen, wenn die Kapazitäten nicht da sind, transparente Kommunikation - das sind alles wichtige Aspekte.

Arbeitgebenden würde ich raten, für diese Aspekte ein offenes Ohr zu haben. Du siehst es Menschen ja oft an, wenn es ihnen nicht gut geht - egal ob mentale Probleme dahinter stecken oder Überarbeitung. Meines Erachtens sollte es Feedbackgespräche sogar wöchentlich geben, in denen auch über solche Befinden gesprochen wird. Das kann ja auch ein gemeinsamer Kaffee am Morgen sein. 

Welcher Job in deinem Leben hat im Nachhinein für dich persönlich am wenigsten Sinn gemacht und wie hast du das erkannt?

Ich habe meine beruflichen Anfänge beim Hamburger Zoll begonnen. Das war zwar ganz spannend, nach Drogen oder Ähnlichem zu jagen, allerdings kamen die Strukturen quasi aus den 50er/ 60er-Jahren. Das bedeutete eine mega harte Bürokratie und Hierarchie, aber andererseits auch einige Aspekte, die für mich bei New Work noch ausgeprägter sein sollten: z. B. extrem transparente Gehälter. Mit den Besoldungsgruppen wissen alle, was du bekommst - das können moderne Unternehmen von alten staubigen Beamtenbuden lernen. 

Die Arbeitsweise war für mich aber der Horror - ich brauche die vorher beschriebene Flexibilität. Wenn du so etwas wie Heimarbeit oder eine andere Arbeitszeit angefragt hast, lief das immer über extrem unflexible Wege mit einem Haufen an Bürokratie. In diesem Job habe ich schnell gespürt, dass ich etwas anderes möchte und bin deshalb auch nach der Ausbildung gegangen. Danach habe ich mich für etwas Kreatives entschieden und gemerkt, dass mir der Journalismus liegt und Spaß macht.

Welcher Mensch hat dich vor Kurzem inspiriert?

Ich habe vor Kurzem mit Benjamin Heiland, einem Autisten gesprochen, der lange nicht wusste, dass er Autist ist und ganz schrecklich gearbeitet haben muss. Er ist im Schulsystem irgendwie untergegangen und hat danach eine Ausbildung zum Koch gemacht. Er musste sich dann an so Küchenregeln entlanghangeln und konnte dort mit den Leuten auch nicht so gut zusammenarbeiten. Nach einem langen, steinigen Weg ist er dann zu einer Agentur gekommen und löst jetzt für sich allein im Home Office extrem komplizierte IT-Probleme. Damit ist er jetzt so glücklich, wie er sein kann, weil er endlich das macht, was ihm liegt.

Was hat dir auf deiner Sinnsuche am meisten geholfen, was möchtest du unseren Leser*innen empfehlen?

Ein Buch, das ich immer wieder empfehle, ist das Buch “Mindset” von Carol S. Dweck. Es zeigt dir einfach, dass die größten Hürden für einen Neuanfang oder auch allgemein in der Karriere meistens im Kopf sind. Sie empfiehlt von einem fixed mindset in ein growth mindset zu wechseln - ohne die Angst, Fehler zu machen. Fehler sind ja vollkommen normal und wichtig für den Prozess.

Als ich aus der sicheren Beamtenstube zur brotlosen Kunst, dem Journalismus, gewechselt bin, war das für mich mit einigen Risiken verbunden. Wenn du es aber wirklich willst und Bock darauf hast, machst du es trotzdem. Das Gute war, dass ich recht jung und anspruchslos war, so konnte ich finanzielle Einbußen abfedern. Mir war aber einfach wichtig das zu machen, was ich wirklich will. Du musst auch mal Risiken eingehen, sonst hängst du fest.

Was würdest du dir von unserer Jobplattform wünschen?

Meiner Meinung nach sollte in jeder Stellenanzeige eine Gehaltsspanne stehen. So viele Menschen stecken viel Zeit in eine Bewerbung, nur damit es am Ende dann am Finanziellen scheitert. Jedes Unternehmen hat einen Kostenfaktor berechnet und kennt das Budget für die Stelle. Bei einer Spanne bleibt ja noch immer Raum für Verhandlungen. 

Danke für dein Feedback und das Gespräch Andreas!

 

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