Mehr als nur Pflegeheim – Alternative Wohnkonzepte fürs Alter
Selbstbestimmt leben wollen die meisten Menschen im Alter, was mit zunehmendem Pflegegrad schwieriger wird. Durch den Pflegenotstand und Finanzierungsschwierigkeiten müssen auch Alternativen zu Pflegeheimen gefördert werden. Wir stellen euch solche vor.
© Nick Karvounis via Unsplash
2012 wurde das Pflege-Neuausrichtungsgesetz beschlossen, welches unter anderem auch alternative Wohnkonzepte für das Alter fördert. So sollen Möglichkeiten für die klassischen Senioren- oder Pflegeheime angeboten werden. Höchstens vier Bewohner*innen einer Wohngruppe oder WG erhalten jeweils 2.500 Euro als einmaligen Gründungszuschuss. Somit stehen Fördermittel von maximal 10.000 Euro für jede neue WG zur Verfügung. Zusätzlich werden monatlich 205 Euro als Organisationszuschuss pro Mitbewohner*in gezahlt, von dem beispielsweise eine Unterstützung finanziert werden kann. Die Pflegekasse unterstützt Wohnprojekte auch mit bis zu 16.000 Euro für einen barrierefreien, altersgerechten Umbau der Wohnräume. Wir wollen verschiedene Projekte und Alternativen für das möglichst selbstbestimmte Wohnen im Alter mit euch teilen.
Nummer50 - Wir wohnen gemeinsam
Die kostenlose Onlineplattform bietet Menschen über 50 die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen zum Thema gemeinschaftliches Wohnen auszutauschen, sich über Optionen zu informieren und Mitbewohner*innen oder Wohnprojekte zu finden. Sie erreicht über Deutschland hinaus in der Schweiz, in Österreich und auch europaweit Menschen und funktioniert wie andere bekannte WG-Plattformen. In einer Wohngemeinschaft zu leben, bietet selbstständigen Senior*innen die Möglichkeit, weiterhin autonom, aber dennoch nicht allein zu leben.
Seniorenresidenz Sonnenwald - 30 km von der deutschen Grenze in Polen
Der deutsch-polnische Unternehmer Artur Maszej baut unweit der deutschen Grenze ein ganzes Seniorendorf. Seine Kund*innen sind vorwiegend Deutsche, die nicht in den Pflegenotstand rutschen wollen und sich vor Ort eine geräumige Wohnung auch mit Durchschnittsrente leisten können. Denn in Polen zu bauen bietet für dieses Projekt finanzielle Vorteile: sowohl das Bauen, als auch die Lebenshaltungskosten sind günstiger. In dem Ort können Senior*innen, so lange wie es ihnen möglich ist, eigenständig und selbstbestimmt leben - wenn Pflege benötigt wird, stehen Pflegekräfte zur Verfügung. Was auf der einen Seite eine tolle Möglichkeit ist, zeugt auf der anderen Seite vom vehementen Pflegenotstand in Deutschland.
Das Ökodorf Tempelhof in Baden-Württemberg
Die Gemeinschaft Tempelhof ist nur ein Beispiel für Ökodörfer in Deutschland. Dort gibt es meist die Möglichkeit, unabhängig von finanzieller Lage oder dem Alter gemeinschaftlich zu wohnen. Zwischen Nürnberg und Stuttgart leben in Kreßberg 100 Erwachsene und 40 Kinder bewusst, ökologisch, solidarisch, ohne religiöse und politische Dogmen zusammen. Bisher wurden neben den Wohngebäuden, ein Earthship für experimentelles Wohnen, ein Seminarhaus und ein Café gebaut. Die Gemeinschaft hat außerdem eine solidarische Landwirtschaft und einen Permakultur-Garten etabliert.
Mehrgenerationenhäuser in Deutschland
Was an vielen Orten als Begegnungsstätte ausgerichtet ist, bietet auch immer wieder älteren Menschen die Möglichkeit, mit jüngeren Menschen zusammen in einer Gemeinschaft zu leben. Oft sind die Träger solcher Häuser Vereine und Gemeinden. Ein privates Projekt ist zum Beispiel die Gemeinschaft Tenne Steinfurth, in der viele Räume und Gegenstände gemeinschaftlich genutzt werden und auch zusammen gegärtnert wird. Die Wohnräume sind ökologisch gebaut und in den vier zusammenliegenden Häusern gibt es genügend Rückzugsorte.
Wohnen für Hilfe
Auch Zweck-WGs sind eine Möglichkeit für Senior*innen, nicht vom Pflegenotstand abhängig zu sein oder in die Altersarmut abzurutschen. Menschen, die noch ein leerstehendes Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung haben, können diese an Studierende vergeben, die ihnen dafür bei kleineren Tätigkeiten zur Hand gehen können. Mittlerweile vermitteln zwölf Studierendenwerke in Deutschland diesen Wohnraum im Projekt “Wohnen für Hilfe” und stellen Kontakte zwischen den neuen Mitbewohner*innen her.
Alt werden auf dem Bauernhof
In den Niederlanden, Norwegen, der Schweiz und Österreich gibt es bereits mehrere Tausend landwirtschaftliche Betriebe, die Senior*innen unter dem Begriff "Green Care" das gemeinschaftliche Leben auf dem Bauernhof als Alternative zum Altersheim anbieten. Deutschland hinkt in dieser Entwicklung etwas nach. Die Senior*innen haben die Möglichkeit, nach Kraft und Fähigkeiten auf dem Hof mitzuhelfen, die Pflege übernimmt bei Bedarf ein Pflegedienst. So soll für die Bewohner*innen im fortgeschrittenen Alter mehr Eigenständigkeit und Lebensqualität geboten werden, auch wenn sie gebrechlich oder dement sind. Dabei sind die Kosten wesentlich geringer als im Altersheim.
Egal ob Menschen im Alter im Pflegeheim wohnen, im Mehrgenerationenhaus oder in einer Wohngemeinschaft, wichtig ist die Selbstbestimmung (sofern möglich), Finanzierbarkeit und Entlastung der betroffenen Personen. Wie es um den Pflegenotstand in Deutschland steht, könnt ihr hier in Echtzeit nachlesen. So fehlen aktuell über 130.000 Pflegekräfte in der Altenpflege, was sich durch den demografischen Wandel weiter zuspitzen wird. Aus dem Grund ist es wichtig und unterstützenswert, dass es Alternativen zu Pflegeheimen und auch zur ambulanten Pflege gibt und diese gefördert werden.
Unser Ziel mit unserer Kampagne "Mehr als nur Applaus" ist es, uns für eine gesellschaftliche Aufwertung von Berufen im Gesundheitssektor einzusetzen und eine Plattform zum Austausch zwischen Betrieben und Arbeitssuchenden zu schaffen. Hier könnt ihr mehr über unsere Kampagne erfahren!