Mehr als nur eine berufliche Leidenschaft? – Über Scanner-Persönlichkeiten
Schon früh lernen wir, dass wir uns spezialisieren müssen. Denn in Unternehmen sind vor allem Expert*innen gefragt. Aber was, wenn du dich nicht auf eine Sache festlegen möchtest?
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Du hast viele Interessen und Fähigkeiten und das Gefühl, dass du in deinem Job nur einen Bruchteil davon einbringen kannst? Du fragst dich, ob du dich überhaupt für den richtigen Job entschieden hast oder besser etwas anderes hättest machen sollen? Du möchtest „dein Ding“ finden, die eine Sache, die dich beruflich erfüllt. Andererseits kannst du dir auch nicht vorstellen, den gleichen Job für den Rest deines Lebens zu machen?
Dann bist du vielleicht eine Scanner-Persönlichkeit. Der Begriff „Scanner-Persönlichkeit“ wurde von der amerikanischen Autorin Barbara Sher geprägt. Eine Scanner-Persönlichkeit zu sein bedeutet, dass du in zwei oder mehr Bereichen besonders gut bist. Scanner*innen haben ein breites Spektrum an Interessen und Fähigkeiten. Sie sind Autodidakt*innen und eignen sich permanent neues Wissen an. Sie haben ständig neue Ideen und keine Angst davor, etwas Neues auszuprobieren. Außerdem denken Scanner-Persönlichkeiten analytisch und lösungsorientiert und haben einen guten Gesamtüberblick.
Wenn Spezialisierung unglücklich macht
Aber nicht alle Scanner*innen erlauben sich, ihre Vielfalt beruflich zu leben. Denn unsere Gesellschaft ist auf Expertentum und Spezialisierung gepolt. Spätestens am Ende unserer Schullaufbahn sollen wir uns für einen Job entscheiden. Wenn wir uns nicht spezialisieren, so die Annahme, werden wir es nie zu etwas bringen. Denn in Unternehmen sind vor allem Expert*innen gefragt.
Mit ihren vielen Interessen, bunten Lebensläufen und unterschiedlichen Projekten werden Scanner*innen oft als sprunghaft, unbeständig oder chaotisch wahrgenommen. Durch gesellschaftliche Prägungen denken sie häufig sogar selbst, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Aus Angst, nicht in unsere Gesellschaft zu passen oder aufgrund von mangelnder Spezialisierung zu scheitern, passen sich viele Scanner*innen den gesellschaftlichen Erwartungen an und legen sich letztlich doch auf einen Job fest.
Scanner-Persönlichkeit – und jetzt?
Vielleicht befindest auch du dich in einem Job, der hochgradig spezialisiert ist und in dem es nur wenig Entwicklungsmöglichkeiten außerhalb der gängigen Spezialist*innenlaufbahn gibt. Dann fühlst du dich vielleicht unterfordert, dir fehlt der Sinn und du fragst dich: Wie soll es jetzt weitergehen? Leider haben sich viele Scanner*innen mit ihrer Situation abgefunden, sehen keine Alternative und verbringen Jahre in einem Job, der sie nicht erfüllt. Aber es gibt Möglichkeiten, deine Vielfalt auch im Beruf zu leben.
Als Scanner-Persönlichkeit ist es wichtig, zwischen den Themen und Projekten zu unterscheiden, die nur ein vorübergehendes Interesse in dir wecken und denjenigen, die du in eine spannende berufliche Laufbahn verwandeln willst. Um dir ein erfülltes Berufsleben zu erschaffen, braucht es dann vor allem vier Dinge:
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Ein konkretes Wunschbild davon, wie dein berufliches Leben aussehen soll. Es geht darum, die Einzigartigkeit in der Kombination deiner vielen Interessen und Fähigkeiten zu erkennen und dir daraus einen Job oder ein Business zu kreieren.
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Einen Plan für den Weg hin zu diesem beruflichen Ziel. Dessen Absicht ist es, dein übergeordnetes Ziel in kleine Schritte herunterzubrechen und es dir so zu ermöglichen, loszugehen.
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Das richtige Mindset, um aus deinen alten Denk-, Gefühls- und Handlungsmustern und den gesellschaftlichen Erwartungen auszubrechen und deinen individuellen beruflichen Weg zu gehen.
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Geeignete Zeit- und Selbstmanagement-Tools, die zu dir als Scanner-Persönlichkeit passen und dafür sorgen, dass du dran bleibst.
Viele Interessen, viele berufliche Perspektiven
Es gibt viele Möglichkeiten, um als Scanner-Persönlichkeit berufliche Erfüllung zu finden. Es können kleine Veränderungen sein, wie eine Weiterbildung in einem völlig neuen Themenbereich oder nebenberuflich zu einem Thema zu gründen, das dir wichtig ist. Oder auch große Dinge, wie eine berufliche Neuorientierung oder in deinem Hauptjob Stunden zu reduzieren und eine weitere Teilzeitstelle anzunehmen. Wir alle dürfen lernen, dass es okay ist, noch einmal etwas völlig Neues auszuprobieren, den Jobs zu wechseln oder mehreren Jobs oder selbstständigen Projekten gleichzeitig nachzugehen.
Vordenker*innen und Wegbereiter*innen einer neuen Arbeitswelt
Auch für Unternehmen wird es immer wichtiger, Scanner*innen in ihrer Belegschaft zu erkennen und sie gezielt mit ihren vielen Interessen und Fähigkeiten zu fördern. Indem sie es ihnen zum Beispiel ermöglichen, mehrere Aufgaben zu übernehmen, Schnittstellenpositionen zu besetzen und immer wieder Neues zu lernen oder auszuprobieren. So tragen sie dazu bei, dass Scanner*innen aufblühen und profitieren von ihrer Begeisterungsfähigkeit, ihrer Neugier und ihrem innovativen Denken.
Scanner*innen werden oft als „Tausendsassa“ wahrgenommen. In der Regel ist es aber ganz anders: Sie können vieles besonders gut. Scanner-Persönlichkeiten verfügen über ein breites Spektrum an Wissen und Fähigkeiten und sind Expert*innen in vielen Bereichen. Da sie meist über fach- und branchenübergreifendes Wissen verfügen, passen sie gut auf Schnittstellenpositionen und können selbstbewusst zwischen unterschiedlichen Rollen und Abteilungen wechseln.
Unsere Welt und Wirtschaft sind ständig im Wandel. Mit ihrem strategischen, interdisziplinären und lösungsorientierten Denken können Scanner-Persönlichkeiten Schlüsselfunktionen in Unternehmen besetzen und innovative Lösungen für neue Herausforderungen entwickeln. Damit sind sie die Vordenker*innen und Wegbereiter*innen einer neuen Arbeitswelt.
Ramona Lummer ist Coach und Mentorin und begleitet Scanner-Persönlichkeiten und Vielbegabte in Phasen der beruflichen Neuorientierung und auf dem Weg in die (nebenberufliche) Selbstständigkeit. Ihre Vision ist eine Gesellschaft, in der es normal ist, sich in mehreren Berufen zu verwirklichen oder mit unterschiedlichen Projekten selbstständig zu sein. Auf Instagram und in ihrem Podcast teilt sie regelmäßig Impulse für mehr berufliche Erfüllung als Scanner-Persönlichkeit.