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Solidarisch oder bedingungslos – welches Grundeinkommen ist besser?

Solidarisches Grundeinkommen versus Bedingungsloses Grundeinkommen. Außer ihrem Namen haben diese beiden Konzepte nicht viel gemeinsam. Doch was bedeutet eigentlich was?

Marie Reichenbach

09.04.2018

Es gibt Begriffe, die muss man nur in den Raum werfen und schon entbrennt eine leidenschaftliche Diskussion. Ein gutes Beispiel dafür: Das Grundeinkommen.

Keine große Überraschung also, dass Berlins Oberbürgermeister Müller mit seinem Vorschlag eines Solidarischen Grundeinkommens eine große mediale Debatte losgetreten hat.

Aber Vorsicht: Grundeinkommen ist nicht gleich Grundeinkommen! Denn Müllers Idee darf nicht mit dem so oft diskutierten Bedingungslosen Grundeinkommen verwechselt werden.

Wie Katz' und Maus

Neben ihren Namen haben das Solidarische Grundeinkommen und das Bedingungslose Grundeinkommen quasi nichts gemeinsam - tatsächlich sind sie in vielerlei Hinsicht sogar das genaue Gegenteil voneinander.

Kein Wunder also, dass Vertreter von MeinGrundeinkommen, die sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen einsetzen, Müllers Idee als „Etikettenschwindel“  bezeichnen und deutlich machen, dass sie von diesem Vorschlag nur wenig halten.

(K)Eine Alternative für Hartz IV

"Schluss mit Hartz IV" forderte Müller erst kürzlich im Interview mit der Berliner Morgenpost. Sein Alternativvorschlag: das Solidarische Grundeinkommen.

Dahinter versteckt sich die Idee möglichst vielen Langzeitarbeitslosen eine Alternative für Hartz IV anzubieten. Sie sollen künftig in ihrer Kommune einen Job übernehmen, für den sie dann ein Grundeinkommen beziehen, das zwar möglichst tariflich abgesichert sein sollte, auf jeden Fall aber dem Mindestlohn entspricht.

Im Gegensatz zum Bedingungslosen Grundeinkommen richtet sich das Solidarische Angebot somit nur an Menschen die Hartz IV beziehen. Und auch die Höhe der Auszahlung ist nicht immer gleich, sondern kann je nach Art der Arbeit variieren.

Mehr Nachteile für Arbeitslose

Das Solidarische Grundeinkommen soll ein freiwilliges Angebot sein. Wer nicht möchte, kann weiterhin wie gewohnt von Hartz IV leben. Und auch sonst ist Müllers Idee eher eine Ergänzung als eine Alternative zum Hartz-Modell, denn wer trotz seines neuen Grundeinkommens nicht aus der Bedürftigkeit herauskommt, bekommt weiterhin zusätzlich Hartz IV.

Und das ist nicht der einzige Kritikpunkt. Arbeitsmarktexperten befürchten, dass das Solidarische Grundeinkommen langfristig negative Folgen für die Menschen und den Arbeitsmarkt hätte. Die häufig gemeinnützigen Arbeiten sind keine regulären Jobs, sondern würden extra für das Projekt geschaffen.
Das Problem: Diese Jobs haben häufig keinen oder kaum Bezug zum normalen Arbeitsmarkt. So werden die Menschen zwar beschäftigt und verdienen Geld, die Wahrscheinlichkeit wird aber auch größer, dass sie bei der Suche nach einer richtigen Arbeitsstelle nachlassen.

Je länger diese Situation besteht, desto schlechter werden die Chancen sich wieder auf dem regulären Arbeitsmarkt zu integrieren. Arbeitsforscher Ulrich Walrei glaubt daher,dass Solidarische Grundeinkommen nur für Menschen sinnvoll ist, die „wirklich keine Aussicht auf eine normale Stelle“ haben. Alle anderen hätten langfristig mehr Nachteile.

Freiheit gibt’s nur ohne Bedingungen

Die Kritik der Fürsprecher des Bedingungslosen Grundeinkommen ist eine ganz andere. Sie möchten unser gesellschaftliches Leben und Arbeiten mit ihrer Idee völlig auf den Kopf stellen. Das Konzept dahinter klingt erst einmal einfach: Jeder Bürger bekommt monatlich vom Staat ein bestimmtes Einkommen ausgezahlt, ohne Gegenleistung und ohne Anforderungen.

Mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen soll Jedem ein würdevolles und vor allem freies Leben ermöglicht werden. Vertreter dieser Idee sind sich sicher, dass sich diese Freiheit positiv auf die Persönlichkeit, Leistungsfähigkeit und Arbeitsmotivation der Menschen auswirken würde und somit die gesamte Gesellschaft vom neuen Gehaltsmodell profitieren könnte.

Ein realistisches Modell für die Zukunft?

Doch was würde tatsächlich passieren, wenn wir für unser Einkommen nichts mehr tun müssten? Viele Kritiker bezweifeln, dass es sich positiv auf Einstellung und Arbeitsmoral auswirken würde. Und auch die allgemeine Finanzierbarkeit ist umstritten.

Solche Kritikpunkte überzeugen Michael Bohmeyer keinesfalls. Er glaubt an die Idee und hat sie zu seinem Job gemacht. Seit 2014 sammelt er mit seinem Projekt MEINGRUNDEINKOMMEN per Crowdfunding Geld, das Menschen für ein Jahr ein Bedingungsloses Grundeinkommen von 1000 Euro im Monat ermöglicht. Für über 150 Menschen wurde die Idee bereits zur Realität. Und Bohmeyer ist sich sicher, dass das Konzept Zukunft hat, weil „Menschen gern arbeiten, wenn sie die Freiheit haben zu wählen“. Der Erfolg gibt ihm bisher Recht.

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