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Franzosen haben „Recht auf Abschalten“

Ein Gesetz sichert Arbeitnehmenden in Frankreich ein „Recht auf Abschalten“ zu. Damit sollen Burn-out bekämpft und Work-Life-Balance verbessert werden. Was erfüllt werden muss

Vincent Halang

17.02.2018

Franzosen haben „Recht auf Abschalten“

© Kyle Ryan via unsplash.com

Es ist schwer zu sagen, wann der Verfall der Arbeitszeit angefangen hat: Schon mit der E-Mail oder erst mit dem Smartphone? Fest steht nur, dass wir heute fast rund um die Uhr erreichbar sind, always on(line). Auch deswegen ist die „Work-Life-Balance“ seit einigen Jahren nicht aus Nachrichten, Blogs, Vorträgen und sowieso allem, was mit Arbeit zu tun hat, wegzudenken.

Denn die ständige Erreichbarkeit, Smartphones und Arbeit nach den eigentlichen Bürozeiten wird für einen ganze Reihe moderner Zivilisationskrankheiten verantwortlich gemacht, allen voran natürlich Burn-out. Um das in den Griff zu bekommen, geht Frankreich einen ungewöhnlichen Schritt: Seit dem 1. Januar 2017 haben Angestellte dort ein Recht aufs Abschalten.

Work-Life-Balance per Gesetz?

Konkret müssen Unternehmen, die mindestens 50 Mitarbeiter haben, mit Arbeitnehmervertretern aushandeln, wie die Arbeit nicht zu stark in das Privatleben hineinwirkt, das Smartphone oder der Laptop zum Beispiel mal ausgeschaltet bleiben. Wird eine solche Einigung nicht erzielt, muss das Unternehmen einen entsprechenden Maßnahmenkatalog festsetzen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass genaue Zeiten festgelegt werden, zu denen Mitarbeiter erreichbar sein müssen – und wann eben nicht.

Mit dem Vorstoß will die französische Regierung gleich mehrere Ziele erreichen. Zum einen natürlich Probleme wie Burn-out, Stress und Depressionen durch weniger ständige Erreichbarkeit reduzieren. Zudem soll aber auch Rechtssicherheit geschaffen werden. Arbeitnehmern dürfte es nun schwerer fallen, Geld für Überstunden zu verlangen, wenn sie nach Feierabend E-Mails oder Anrufe beantworten. Das nützt natürlich auch den Unternehmen. Für die birgt das Gesetz einen weiteren Vorteil – oder besser gesagt einen fehlenden Nachteil: Säumige Firmen müssen bislang nämlich keinerlei Strafen fürchten.

Daher ist das Gesetz auch eher als symbolische Maßnahme zu betrachten. Es soll das Bewusstsein für die Problematik schärfen und ausdrücklich sensibilisieren. Durch die Vorgabe, sich mit den Mitarbeitern zu einigen, rücken außerdem deren individuelle Bedürfnisse in den Fokus. Denn so, wie manche ihre acht Stunden abschrubben und sich dann dem privaten Müßiggang hingeben, arbeiten andere gerne abends noch drei Stunden, um nachmittags die Kinder von der Kita abholen zu können.

 

Dieser Artikel erschien zuerst beim enorm Magazin.