Das vielleicht transparenteste Start-up der Welt
Buffer ist eigentlich eine ganz normale Tech-Firma aus dem Silicon Valley. Doch so offen mit allem ist man selbst dort selten
© Buffer
Mit seinem Tech-Roman „The Circle“ hat Dave Eggers gezeigt, dass maximale Transparenz nichts Gutes sein muss. Wenn jeder weiß, wo alle anderen sind, wer was tut, wer mit wem schläft und sogar wer was denkt – dann ist ein Punkt erreicht, wo man durchaus von einer Dystopie sprechen kann.
Trotzdem spricht erst einmal nichts gegen mehr Offenheit – zumal wir noch recht weit von Eggers Vision entfernt sind. Nicht nur in der Politik, sondern auch bei Unternehmen. Die meisten haben sich heute irgendeine Form von Transparenz auf die Fahnen geschrieben, genug davon mussten es quasi im Nachgang von Skandalen um Bestechung, Täuschung und Korruption.
Aber kaum eine Firma dürfte dabei so weit gehen wie das US-amerikanische Unternehmen Buffer.
Auch dort hat man Transparenz in den Unternehmenswerten verankert. Aber Werte wollen auch mit Leben gefüllt werden. Und genau das machen sie.
Was verdient der Chef?
So weiß ich jetzt, welche Bücher das Team derzeit liest; dass CEO Joel Gascoigne 218.000 Dollar im Jahr verdient; dass ich bei Buffer ziemlich genau 67,724 Dollar verdienen würde – als PR-Spezialist mit ein bisschen Erfahrung in einer Stadt mit geringen Lebenshaltungskosten (danke dafür, Berlin); dass in dem Unternehmen 70,9 Prozent Männer arbeiten; und dass Buffer im Dezember 2017 einen Nettoumsatz von 1,34 Millionen Dollar eingefahren hat.
All das herauszufinden hat nicht einmal fünf Minuten gedauert. Denn all diese Informationen stellt Buffer selbst und einfach erreichbar zur Verfügung. Es gibt eine Seite, die alles rund ums Thema Gehälter erklärt und aufzeigt. In einer Tabelle steht, was jeder einzelne Mitarbeiter verdient – von Alfred, Community Champion in Singapur (59,112 Dollar) bis hoch zum erwähnten CEO.
Zudem gibt es ein eigenes Tool, mit dem jeder ausrechnen kann, was man selbst in einer bestimmten Position verdienen würde. Und auch ansonsten ist die Firma – die übrigens eine Software zum Social-Media-Management herstellt – sehr offen mit Zahlen. Über ein separates Dashboard kann man beispielsweise einsehen, wie sich bestimmte betriebswirtschaftliche Kennzahlen von Buffer entwickelt haben und entwickeln. Stichwort Umsatz, Neukunden, Erstattungen usw., alles für jeden einsehbar.
Man kann sogar in Echtzeit verfolgen, wie Kund*innen ihre Abonnements abschließen, up- oder downgraden. Auch wenn hier die Namen der Kund*innen anonymisiert sind.
Zahlen zu Diversität, „öffentliche“ E-Mails
Auf einer weiteren interaktiven Übersichtsseite hat Buffer zudem einiges an Infos zur firmeninternen Diversität zusammengestellt. In vielen Bereichen, die die persönlichsten Lebensbereiche wie sexuelle Orientierung betreffen, muss zwar niemand eine Antwort abgeben, trotzdem tun es fast alle.
Dadurch lassen sich verschiedenste Fragen beantworten: Wie viele Mitarbeiter sind weiblich? Wie viele weiß, schwarz, asiatisch, hispanisch? Wie viele identifizieren sich als LGBTIQA, also lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, inter, queer oder asexuell? Und wie sieht die Verteilung in den einzelnen Abteilungen aus? Geht hin, schaut es euch an! Sich durch die Grafiken zu klicken ist zwar teilweise etwas deprimierend, wenn beispielsweise im Tech-Bereich über 90 Prozent der Mitarbeiter Männer sind, macht aber trotzdem irgendwie einen Heidenspaß.
Aber Buffer haut noch mehr raus: Auf einer Pinterest-Seite können Mitarbeiter eintragen, welche Bücher sie gerade begeistern. Kunden bekommen detailliert aufgeschlüsselt, wie ihr Geld verwendet wird. Die Firma legt sogar offen, wem die Firma zu welchen Anteilen gehört und gibt einen umfassenden Einblick, wie und warum neue Finanzierungsrunden ablaufen.
Transparenz geht aber über kalte Zahlen hinaus. So hat das gesamte Team Zugriff auf alle E-Mails. Also jeder kann sehen, was die Kollegen wann an wen geschrieben haben. Innerhalb der Firma sind sie also „öffentlich“. Das soll beispielsweise besonders gut sein, wenn Mitarbeiter unerwartet ausfallen, wenn man einer Person eine Hilfe gibt, die auch für andere nützlich ist – und generell, um ohne ungebliebte Überraschungen arbeiten zu können.
Transparenz heißt auch: darüber reden!
Wahrscheinlich fehlt selbst in dieser Übersicht noch etwas, was Buffer besonders transparent macht. Aber kein Problem: Denn Transparenz heißt für das Unternehmen letztlich auch, regelmäßig und offen über die eigene Arbeit zu informieren. Im Firmen-Blog ist Transparenz immer wieder ein Thema, genauso aber branchenspezifische Infos oder andere Einblicke. Am Rande sei gesagt, dass der Buffer-Blog einer der besten in Sachen Content Marketing ist.
Denn damit beginnt Transparenz letztlich auch: sich nicht nur zu öffnen, sondern darüber zu reden, zu diskutieren und diese Offenheit einfach – und offen – zugänglich zu machen. Und es ist auch ein besonderes, positives Verständnis von Transparenz, wenn das Unternehmen seine Erfahrungen mit der Öffentlichkeit teilt. Vielleicht gibt es ein Zuviel an Transparenz – bei Buffer ist es wahrscheinlich lange noch nicht erreicht.