Einfach kündigen? So triffst du die richtige Entscheidung
Unzufriedenheit im Job ist ein Riesenproblem. Aber deswegen gleich kündigen? Unsere Gastautorin Dr. Tina Röbel hilft dir dabei, die richtige Entscheidung zu treffen.
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Dieser Text ist für dich, wenn du aktuell überlegst, ob du „einfach kündigen“ sollst. Oder wenn du merkst, dass du nicht richtig zufrieden bist und „einfach kündigen“ dein Notfallplan ist. Im Coaching taucht die Frage relativ häufig auf und ich selbst habe 2012 auch einfach gekündigt. Dennoch – oder gerade deshalb – ist dieser Text keine pauschale Aufforderung. Es ist eine Anleitung, wie du eine Entscheidung triffst, die für dich stimmig ist.
Einfach zu kündigen fühlt sich echt gut an.
Auf der einen Seite kann es sehr befreiend sein, einfach zu kündigen. Selbst zu entscheiden, dass man geht, ist ein mutiger und vor allem sehr selbstbestimmter Schritt. Außerdem verschafft dir dieser Schritt zeitliche Freiräume. Endlich raus aus dem Hamsterrad! Du kannst dir für ein paar Wochen oder Monate richtig viel Zeit für dich nehmen. Du kannst reisen, ausschlafen, Sport machen, Freunde treffen, das Leben genießen. Einfach zu kündigen kann sich sehr unbeschwert anfühlen. Mit der zeitlichen Freiheit kommen vielleicht auch deine Energie und deine Kreativität zurück. Du kommst plötzlich auf ganz neue, andere Ideen, wie es für dich weitergehen könnte. Du hast die Zeit, Dinge einfach auszuprobieren, zu Veranstaltungen zu gehen, neue Menschen kennenzulernen, dich ehrenamtlich zu engagieren, kleine Projekte anzustoßen.
Einfach zu kündigen fühlt sich ziemlich mies an.
Auf der anderen Seite ist eine Kündigung ein Schritt, der viel Ungewissheit mit sich bringt. Es kann schnell passieren, dass du die Entscheidung bereust. Vielleicht machst du dir Vorwürfe, dass du noch nicht alles versucht hast, vielleicht bekommst du Existenzängste, weil du nicht weißt, wie lange dein Geld reicht. Wer selber kündigt, bekommt für drei Monate kein Arbeitslosengeld. In dieser Zeit musst du z.B. auch deine Krankenversicherung selbst bezahlen. Höchstwahrscheinlich tauchen Selbstzweifel auf. Du fragst dich, ob du überhaupt etwas kannst, ob alles deine Schuld war, weil du es einfach nicht auf die Reihe bekommen hast. Du wirst dich mit anderen vergleichen, die tolle geradlinige Lebensläufe haben. Du wirst viele gut gemeinte, sorgenvolle Fragen von Familie und Freunden beantworten müssen. Und: Du weißt nicht, wie lange diese Phase dauert.
Positives Denken reicht nicht aus.
Die zwei Seiten der Medaille, das gute und das schlechte Gefühl, sind keine Wahlmöglichkeiten, die sich gegenseitig ausschließen. Ich kenne niemanden, der sich durchweg gut oder durchweg schlecht gefühlt hat. Je nach Tagesform wirst du beides erleben. Es wird Momente geben, in denen du die Freiheit genießt und stolz bist auf deine Entscheidung. Es wird Momente geben, in denen du am Rande der Verzweiflung bist. Je nach Typ und je nach sozialem Umfeld wirst du eine Seite vielleicht stärker erleben, aber in jedem Fall wird es beides geben.
Wie du die Entscheidung triffst
Diese drei Fragen helfen dir, eine Entscheidung zu treffen, mit der du im Nachhinein zufrieden bist. Schreibe deine Antworten mit Datum auf. So kannst du später nochmal nachlesen, warum du dich so entschieden hast und zu welchem Zeitpunkt.
1. Kraftlevel
Wer überlegt einfach zu kündigen, hat oft (nicht immer) ähnliche Symptome wie bei einem Burnout. Sei sehr ehrlich zu dir selbst. Hättest du überhaupt noch die Kraftressourcen, um in deinem Job zu bleiben? Wenn nicht, hat dein Körper die Entscheidung schon getroffen. Sprich mit einem Arzt und deinem Arbeitgeber, damit ihr gemeinsam eine gute Lösung findet.
Frage 2 und 3 sind nur dann relevant, wenn du theoretisch einfach weitermachen könntest.
2. Alles versucht
Diese Frage ist wichtig, damit du dir später keine Vorwürfe machst. Schreibe auf, was du schon alles unternommen hast, um deine Situation zu verbessern. Schreibe dann auf, was du noch alles machen könntest. Was davon liegt tatsächlich in deiner Macht? Bist du bereit, es zu versuchen ohne zu wissen, ob es funktionieren wird?
3. Innerlich bereit
Du kennst dich selbst ja schon eine ganze Weile. Traust du dir zu mit dem emotionalen Auf und Ab zurechtzukommen? Oder bist vielleicht sogar neugierig darauf es zu lernen? Etwas überspitzt gesagt, kann eine Kündigung auch eine gute Möglichkeit zur Persönlichkeitsentwicklung sein. Du wirst lernen deine Zeit selbst zu gestalten und du wirst lernen deine Zweifel konstruktiv zu nutzen.
Den perfekten Moment gibt es nicht.
Wenn für dich eine Kündigung grundsätzlich eine Option ist, ist der Zeitpunkt entscheidend. Der richtige Moment liegt irgendwo zwischen „noch nicht alles versucht“ und „zu lange gewartet“. Vielleicht hilft es dir, zu überlegen, was du mehr bereuen würdest – zu lange gewartet zu haben oder noch nicht alles versucht zu haben.
Einfach kündigen ganz konkret.
Wenn du dich dazu entschieden hast einfach zu kündigen, dann suche dir ein oder zwei mentale Unterstützer. Das können gute Kolleginnen, Freunde oder Familie sein. Im Moment der Kündigung können sich nochmal Zweifel melden, es tut gut, wenn dir jemand kurz vorher nochmal schreibt, dass du auf dem richtigen Weg bist. Übe vorab das Gespräch mit deiner Führungskraft. Sprich deine Sätze laut aus. Das hilft dir, um in der Situation ruhig zu bleiben. Ganz wichtig: Du musst dich nicht rechtfertigen. Du bist ein freier Mensch. Du hast alles Recht der Welt, ein gutes Leben zu haben.
Dr. Tina Röbel ist Coach, Trainerin und Autorin. Ihr Ziel ist es, dich zu ermutigen, deinen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Wenn du mehr Unterstützung haben möchtest, hole dir Tinas Reiseführer zur Karriere mit Sinn. Du findest darin viele hilfreiche Übungen und Hinweise. Oder du lässt dich von Tina coachen, um mit Tatendrang voranzukommen.