Karriere

Held*innen der Coronakrise – “Ein klassischer ‘9 to 5 Job’ wäre nichts für mich”

Wir lassen Menschen zu Wort kommen, die “den Laden am Laufen halten”. Heute mit Mario Witt, Brandinspektor und Wachabteilungsleiter auf der Feuerwache in Berlin-Moabit

Nataly Koch und Lina Kruse

03.06.2020

Held*innen der Coronakrise – “Ein klassischer ‘9 to 5 Job’ wäre nichts für mich”

In Krisenzeiten wird uns vieles bewusst, was wir sonst als selbstverständlich hingenommen haben. So ist es momentan auch in der Arbeitswelt: Menschen in systemrelevanten Berufen erleben eine Welle der Dankbarkeit wie nie zuvor. Denn sie pflegen die Kranken, kümmern sich um unsere Sicherheit, Mobilität und unsere Lebensmittel oder kämpfen “an vorderster Front” gegen COVID-19 an: Krankenpfleger*innen, Kassierer*innen, Polizist*innen und viele mehr.
Wir fragen sie, wie Corona ihren Arbeitsalltag verändert und was sie sich für die Zukunft wünschen. Heute antwortet Mario, Brandinspektor und Wachabteilungsleiter auf der Feuerwache in Berlin-Moabit.

Hallo Mario, was genau machst du als Brandinspektor und Wachabteilungsleiter bei der Feuerwehr? Was sind deine Aufgaben und Herausforderungen?

Ich bin innerhalb meiner Dienstschicht für den Dienstbetrieb und die Einsatzbereitschaft des mir zugewiesenen Personals, sowie der Fahrzeuge und Geräte verantwortlich. Konkret bedeutet das in meinem Fall, dass ich die Verantwortung für 10 Feuerwehrleute meiner Wachabteilung, 6 Einsatzfahrzeuge und 2 Abrollbehälter trage. Meine Aufgaben sind relativ vielfältig, jedoch kann man diese zunächst einmal ganz grob in 2 Teilbereiche gliedern, einen einsatztechnischen und einen verwaltungstechnischen Teil. Im einsatztechnischen Teil bin ich als „Staffelführer gehobener Dienst“ tätig. Dabei bin ich bei kleineren bis mittleren Einsätzen als Einsatzleiter für die Bewältigung des Einsatzes verantwortlich. Im verwaltungstechnischen Teil bin ich der Vorgesetzte meiner Wachabteilung – welche derzeit aus 15 Kollegen besteht – und habe neben den klassischen Personalführungsaufgaben wie Personalplanung, Personalbetreuung und Personalentwicklung natürlich auch Kontrollaufgaben, schreibe die dienstlichen Beurteilungen und erledige zusätzliche Aufgaben nach Weisung der Wach- bzw. Direktionsleitung.
Meine größte Herausforderung ist es dabei, als sogenannter „Sandwich-Manager“, sowohl den Anforderungen meiner Vorgesetzten, als auch meiner Mitarbeiter*innen gerecht zu werden. Ein Job, der sehr viel Fingerspitzengefühl verlangt und nicht immer ganz einfach ist, mir aber gerade deswegen so ungeheuer viel Spaß macht, da er sehr anspruchsvoll und vielseitig ist.

Wie bist du zu deinem Job gekommen?

Tatsächlich ist es in meinem Fall so, dass ich, wie der bekannte Zeichentrickdrache Grisu, schon als kleiner Junge Feuerwehrmann werden wollte und zielgerichtet darauf hingearbeitet habe. Ich habe einen vernünftigen Schulabschluss gemacht, einen handwerklichen Beruf erlernt und nach einer kurzen Studienzeit und einem erfolgreichen Bewerbungsverfahren die damals zweijährige Ausbildung im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst absolviert. In den sich anschließenden Jahren auf meiner damaligen Feuerwache konnte ich eine Menge Erfahrungen sammeln und mich neben der sehr technisch geprägten Seite im Bereich der Brandbekämpfung und Technischen Hilfeleistung, auch im medizinischen Bereich entwickeln: Ich habe mich vom Rettungssanitäter über den Rettungsassistenten bis hin zum Notfallsanitäter qualifiziert, bevor ich nach einem erfolgreichen Auswahlverfahren als sogenannter „Aufsteiger“ die zweijährige Aufstiegsausbildung in den gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst absolvieren durfte. 

Was erfüllt dich an deiner Arbeit?

Auch wenn es jetzt vielleicht ein wenig abgedroschen klingt, aber es erfüllt mich, in außergewöhnlichen Situationen für andere Menschen da zu sein. Es ist ein schönes Gefühl, einem Menschen in einer misslichen Lage zu helfen oder gar das Leben zu retten. Mal ist es eine eher technische Hilfe, mal eine mehr medizinische Hilfe und mal eine Hilfe, die man vielleicht gar nicht genau einordnen kann. Fakt ist, dass all die wunderbaren Dinge, die wir vollbringen, nur in einem mal kleineren und mal größeren Team funktionieren. Und das ist das nächste, was mich bei meinem Beruf erfüllt. Ich darf in einem großartigen Team arbeiten und mittlerweile sogar nicht nur für die Menschen „draußen“ da sein, sondern mich als Wachabteilungsleiter auch zusätzlich um die Belange meiner Wachabteilung kümmern, was ich sehr gerne mache. Zudem ist mein Beruf sehr abwechslungsreich und stellt mich jeden Tag vor neue Herausforderungen, was mich ebenfalls sehr erfüllt. Ein klassischer „9 to 5 Job“ wäre nichts für mich, da mir da etwas fehlen würde. Ach und noch etwas ganz Wichtiges, was mich sehr erfüllt: Lachende Kinderaugen, die uns beim Vorbeifahren vom Straßenrand aus zuwinken und rufen „Haaalloooo, Feuerweeehhhr!“, oder mal ganz schüchtern, aber dennoch interessiert beim Zurückkehren zur Feuerwache vor dem Hallentor stehen und uns staunend beim Hereinfahren der großen Einsatzfahrzeuge zusehen. Wenn es die Zeit zulässt, laden wir die Kinder samt Eltern, Großeltern – oder wer auch immer gerade dabei ist – dazu ein, mal kurz reinzukommen und sich unsere Einsatzfahrzeuge aus der Nähe anzuschauen und beantworten dabei ziemlich knifflige Kinderfragen… bis der nächste Einsatz kommt und wir wieder raus müssen.

Wie sieht dein Arbeitsalltag momentan aus? Was ist anders als vor Corona?

Seitdem die Corona-Krise begonnen hat, habe ich einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand, als ich es vorher hatte. Es gilt täglich eine Vielzahl zusätzlicher Listen und Meldebögen auszufüllen, vorsorglicher Unfallmeldungen zu schreiben, Datenbanken zu füllen, Abfragen zu tätigen, Änderungen zu kommunizieren, usw. Hinzu kommen täglich viele und neue Fragen meiner Kolleg*innen, die es zu beantworten gilt. Diese drehen sich unter anderem um Kinderbetreuung, Homeschooling, eigene Gesundheit, Gesundheit von Angehörigen, Arbeitsschutz, Infektionsschutz, konkrete Einsätze, persönliche Belange, usw. Ein bunter Blumenstrauß, zu dem auch ich mir als Vorgesetzter nicht selten erst mal etwas anlesen muss. 

Wie schützt du dich vor Corona?

Ich schütze mich so, wie es einerseits empfohlen und andererseits auch vorgegeben wird. Im beruflichen Umfeld kommen natürlich noch besondere Schutzmaßnahmen hinzu. So trage ich zum Beispiel bei direktem Kontakt zu Menschen, die nachweislich an COVID-19 erkrankt sind, oder es den dringenden Verdacht dazu gibt, zusätzlich zu meiner standardmäßigen Schutzausrüstung eine FFP-2 oder FFP-3 Maske, um meine Atemwege zu schützen und eine Korbschutzbrille, um meine Augen zu schützen. Ansonsten halte ich mich durch ausreichend Bewegung an der frischen Luft und eine ausgewogenen Ernährung fit, so dass ich ein hoffentlich widerstandsfähiges Immunsystem habe, welches den Coronaviren trotzt.

Wie empfindest du die große Dankbarkeit, die dir jetzt entgegen gebracht wird?

Auch wenn ich es nicht als notwendig erachte, freue ich mich natürlich darüber, dass mir und meinen Kolleg*innen aktuell mit etwas mehr Dankbarkeit entgegnet wird. Ich kann nur hoffen, dass diese Dankbarkeit auch den anderen zu Teil kommt, die den Laden am Laufen halten. Ich denke da beispielsweise an Ärzt*innen, Pflegekräfte, Polizist*innen und viele weitere Berufsgruppen.

Welche konkreten Schritte wünschst du dir von politischer Seite in Bezug auf deine Branche/ deinen Beruf? Was wünscht du dir von der Gesellschaft?

Von der Gesellschaft wünsche ich mir für meine Berufsgruppe eigentlich nur Respekt und Anerkennung. Von politischer Seite wäre es schön, wenn wir neben Respekt und Anerkennung mehr Unterstützung erhalten würden. Aus meiner Sicht sind wir da zwar seit einiger Zeit auf einem guten Weg, es ist aber auch noch viel Luft nach oben. Und ich rede hier nicht nur von der Besoldung, sondern insbesondere auch von den Rahmenbedingungen.
 

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